Obdachlose leiden besonders unter Lockdown
Caritas hält Angebote aufrecht
Mannheim. Kein Zuhause als Rückzugsort, Aufenthaltsorte geschlossen, Gruppenbildung verboten – obdachlose Menschen leiden in besonderer Weise unter den Corona-Einschränkungen. So war das Jahr 2020 für die Caritas-Wohnungslosenhilfe eine große Herausforderung. Aber es ist ihr gelungen, trotz der Corona-Maßnahmen die Angebote durchgehend aufrechtzuerhalten.
Obdachlose wurden vergessen
„Wohnungslose gehören auch zu den vulnerablen Zielgruppen, sie wurden aber von den meisten vergessen. Es ist wichtig, diese Menschen in den Blick zu nehmen“, sagt Regina Hertlein, Vorstandsvorsitzende des Caritasverbands Mannheim. „Es gehört zu unserem Selbstverständnis als Caritas, für wohnungslose Menschen da zu sein – auch und gerade in Zeiten von Corona.“
Ein sei beispielsweise die schnelle Verwahrlosung von Obdachlosen durch das Schließen von öffentlichen Toiletten, Schwimmbädern, Geschäften und Gastronomie. Einnahmen durch Betteln oder Flaschensammeln fielen weg. Durch die Kontaktbeschränkungen mussten sich Gruppen aufspalten. Auch herrschte gerade am Anfang eine große Verunsicherung durch Unwissenheit über das Virus und die aktuelle Situation.
Große Herausforderung für die Helfer
Gleichzeitig musste auch die Wohnungslosenhilfe ihre Angebote wegen des Infektionsschutzes einschränken und verändern. Sowohl die Tagesstätte für Wohnungslose als auch die „Oase“ für wohnungslose Frauen mussten im März 2020 ihre Türen für den Aufenthalt schließen. Stattdessen gab die Tagesstätte Lunchpakete und Kleidung über das Fenster aus. Auch die medizinische Sprechstunde und die Sozialsprechstunde fanden darüber statt. Ab April durften Klienten wieder ihre Wäsche zum Waschen abgeben und die Toiletten benutzen. Im Oktober wurde die Tagesstätte mit einem speziellen Hygienekonzept wieder für den Aufenthalt geöffnet. Die „Oase“ öffnete erst für Einzelberatungen und später in zwei Schichten mit begrenzter Personenzahl.
Das Wannenbad im Herschelbad, das von Ehrenamtlichen betreut wird, konnte nicht gewohnter Form angeboten werden, da viele Ehrenamtliche selbst zur Risikogruppe gehören. Stattdessen öffneten Mitarbeitende der Tagesstätte gemeinsam mit jungen Ehrenamtlichen das Wannenbad mit der Möglichkeit zu duschen.
„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich unglaublich engagiert, um bestmögliche Lösungen für alle zu finden – für die obdachlosen Menschen, für den Infektionsschutz und für sich selbst“, sagt Abteilungsleiterin Stefanie Paul. „Das war ein ständiges Abwägen, was uns viele schlaflose Nächte gekostet hat.“ Eine Maßnahme war, dass sich aktuell nur Obdachlose in der Tagesstätte aufhalten dürfen, also Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben, im Gegensatz zu Wohnungslosen, die keine eigene Wohnung, aber eine Übernachtungsmöglichkeit haben. Außerdem hat der Caritasverband Schnelltests für die Mitarbeitenden und Luftfilter angeschafft. „Wir haben dadurch massiv erhöhte Kosten und einen hohen Zeitaufwand für die Hygienemaßnahmen“, so Stefanie Paul.
Trösten auf Distanz bleibt schwierig
Aber der Einsatz lohnt sich, wie Sozialarbeiterin Stefanie Schweda berichtet: „Es ist sehr zu schön zu sehen, wie dankbar unsere Besucher der Tagesstätte sind und wie schnell sie sich ohne Murren an jegliche Änderungen angepasst haben.“ Doch der zwischenmenschliche Kontakt sei erschwert: „Wie tröstet man auf Distanz? Momente, in denen wir jemanden in den Arm nehmen würden oder auch nur eine Hand auf die Schulter legen, bleiben bis heute schwierig.“
Die kalte Jahreszeit machte dem Team diesmal besondere Sorgen. Klientinnen würden immer wieder die Erfahrung machen, dass sie stark erschwerten oder keinen Zugang in die städtische Übernachtungsstelle in der Bonadiesstraße bekämen, sagt Stefanie Paul: „Insbesondere Menschen aus dem EU-Ausland ohne Sozialleistungsanspruch wird der Zugang erschwert, verweigert oder ist so angstbelegt, dass sie sich nicht mehr trauen zu versuchen, dort unterzukommen.“ Die Stadt Mannheim wertet die Übernachtung in der Notübernachtungsstelle als Antrag auf Sozialleistungen. Menschen aus dem EU-Ausland werden damit der Ausländerbehörde gemeldet und wären somit ausreisepflichtig. „Eine Notübernachtung darf insbesondere im Winter nicht als Sozialleistung gelten – es geht hier um Erfrierungsschutz und damit um einen unkomplizierten Zugang. Mannheim sollte sich hier dem Vorbild anderer Städte anschließen“, sagt Regina Hertlein. „Es geht einzig darum, Menschen vor dem Erfrieren zu bewahren.“ ps
Autor:Laura Braunbach aus Neustadt/Weinstraße |
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