Ein Krimi zum Schmunzeln
"Der Nachbar im Garten"
"Ein Mord ist nur ein Mord, wenn er als solcher auch erkannt wird. " Der in Heidelberg führende Gerichtsmediziner Dr. X gab an, dass er mit einer Dunkelziffer von wenigstens 50% rechnet. Somit würden die Hälfte aller Sterbefälle als Unfall oder natürliche Todesursache deklariert. In solchen Fällen findet keine Autopsie statt. Die Gerichtsmedizin sei hoffnungslos unterbesetzt und es könnten bei weitem nicht alle Todesfälle genauestens untersucht werden.
Als ich diesen Artikel las, keimte in mir eine Idee auf. Ich müsste also nur eine zuverlässige, nicht verdächtig erscheinende Methode finden und mein verhasster Nachbar wäre Geschichte.
Wer so einen Nachbarn hat, der braucht keine Feinde mehr. Ständig klopft oder ruft er. "Frau Müller, stellen sie ihre Tonne raus." "Frau Müller, mähen sie endlich ihren Rasen". "Frau Müller ihr Mann ist gestern aber spät nach Hause gekommen". "Frau Müller ihr Sohn hat einen Kaugummi in meiner Tonne entsorgt". Er findet täglich etwas, worüber er sich beschweren kann.
Nun ja, Rentner, und davor Beamter. Und ich sage ihnen, er erfüllt sämtliche Klischees, die man sich hierzu vorstellen kann. Wenn ich nur "Frau Müller" höre, könnte ich ihm schon an den Hals springen.
Genug ist genug. Mittlerweile ertrage ich ihn schon seit mehr als 10 Jahren. Mein Sohn lacht darüber und meinen Mann interessiert es nicht, er bekommt das ja auch praktisch nie mit.
Auch wenn die Zinsen niedrig sind, so ist unser Darlehen noch so hoch, dass ein Umzug für uns nicht in Frage kommt - na und er zieht natürlich nicht aus.
Aber die Idee mit dem nicht entdeckten Mord gefällt mir schon irgendwie.
Es ist nur, dass ich nicht weiß wie. Bücher in der Bücherei ausleihen oder gar im Internet danach zu suchen wäre Frevel. Das findet die Polizei gleich heraus. Außerdem soll ja das direkte Umfeld immer zuerst verdächtig sein.
Seit Wochen schon lässt mich diese Idee einfach nicht mehr los und mit jedem "Frau Müller!" werde ich in meinem Vorhaben bestärkt.
Ich liebe meinen Garten. Im Sommer sitze ich oft auf der Veranda bei einem Glas Limonade, die Augen geschlossen, die Füße hochgelegt und dem leisen plätschern des Brunnens lauschend. Solange bis - sie ahnen es wohl schon - "Frau Müller, stellen sie endlich ihren nervtötenden Brunnen ab" über den Zaun ertönt.
Mit einem Mal bin ich aus meinem Nickerchen aufgeschreckt. Es gibt kein zurück mehr - Herr Görges muss weg!
Ein paar Tage später war ich an der Südseite meines Grundstückes und jätete Unkraut. Ich setzte meine Kopfhörer auf und rupfte die Dolden und Zweige, die sich in rasendem Tempo zu vermehren schienen aus. Das "Frau Müller" hörte ich nicht. Dafür hörte ich meine innere Stimme und begann zu lächeln.
Schwarzer Nachtschatten - da wuchs tatsächlich schwarzer Nachtschatten. Das war doch der Wink des Schicksals, dachte ich.
Also nahm ich ein paar Wurzeln und setzte sie in einem unbeobachteten Moment direkt auf die Gartengrenze zu meinem Nachbarn ins Grundstück. Noch hatte er ja eine Chance das ganz zu überleben. Denn jetzt lag es an ihm.
Etwa sechs Wochen später, ich dachte schon nicht mehr daran, rief es wieder "Frau Müller, schauen sie Mal, was da bei mir im Garten wächst"
"Oh, wie schön, Wachholder wächst bei Ihnen." entgegnete ich ihm. "Da kann man wunderbar mit kochen, Marmelade daraus machen oder Gin" lächelte ich.
"Das ist aber eine prima Idee", antwortete er mir. Ich lächelte stumm.
Vor drei Tagen war seine Beerdigung. In meinem Garten ist es wunderbar ruhig. Ich sitze auf meinem Liegestuhl, genieße diese Ruhe und lächle.
"Frau Müller? Frau Müller!"
"Ahhh - was ist das? Welch durchdringende Stimme dringt da an mein Ohr?"
"Frau Müller, ich bin die Tochter von Herrn Görges. Ich habe das Haus geerbt." stellte sie sich kurz vor und was dann kam verschlug mir die Sprache.
"Frau Müller, ich muss ihnen sagen, dass sie vor dem Haus nicht mehr parken können, meine Tochter braucht dringend diesen Parkplatz. Und wenn wir Freunde bleiben wollen, so wegen der guten Nachbarschaft, halten sie sich gefälligst daran"
Das darf doch nicht wahr sein, dachte ich. Ich drehte mich um und lächelte. "Ich glaube ich habe noch schwarzer Nachtschatten an der südlichen Grenze meines Grundstücks", dachte ich.
"Frau Müller, sehen sie Mal. Ist das nicht Wachholder, der da wächst?"
"Ja", antwortete ich, "sie kennen sich ja sehr gut aus im Garten" gab ich ihr zurück.
Sie lächelte. Ich glaube sie fühlte sich geschmeichelt. Ich lächelte auch und ging langsam ins Haus.
Autor:Claudia C. Ernst aus Mannheim |
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