Das aktuelle Interview
„Es ist nicht das Ende der Welt“
Mannheim. Mit ihrem Bruder Christoph bildet Marie-Luise Dingler das Duo The Twiolins, das Stücke aus allen Epochen der klassischen Musik bis hin zu zeitgenössischen Stücken interpretiert. Beide stammen aus der Pfalz, leben aber in seit langer Zeit in Mannheim. Im Interview mit dem „Wochenblatt“ sprach die Geigerin über die Situation selbstständiger Musiker in Zeiten der Corona-Pandemie.
???: Was war Deine erste Reaktion, als Du erfahren hast, dass vom November-Lockdown die Kultur betroffen ist?
Toll fand ich„s natürlich nicht, aber es hat mich auch nicht überrascht. Es war ja zu erwarten, dass die Zahlen zum Winter hin wieder nach oben gehen, da ja generell Erkältungszeit ist. Die Begrenzung auf vier Wochen macht es nicht so schlimm. Wir hätten im November zwei Konzerte gehabt, die jetzt verlegt wurden.
???: Kannst Du die Entscheidungen der Politik nachvollziehen?
Ja, schon. Natürlich wundert man sich, dass es möglich ist, ein Flugzeug voll besetzt fliegen zu lassen und Konzerte werden ganz abgesagt. Aber wir müssen natürlich auch aufpassen, dass die Zahlen nicht durch die Decke gehen und die Gesundheitsämter mitkommen. Ob es funktioniert, wird man im Nachhinein sehen. In Irland wurde es auch so gemacht und man war damit erfolgreich. Der Percussion-Virtuose Martin Grubinger schrieb neulich: Wenn ein abgesagtes Konzert ein Menschenleben rettet, ist es das wert. Das sehe ich auch so. Wir haben alle zu Essen und ein Dach über dem Kopf, die Situation ist blöd, ärgerlich und für manche auch dramatisch, aber es ist nicht das Ende der Welt.
???: Das klingt sehr gefasst und optimistisch. Wie ist die Stimmung unter Kollegen?
Wir sind da schon eine Ausnahme. Aber sich aufregen oder verzweifelt sein, bringt uns nicht weiter. Der erste Lockdown war viel schlimmer, da sind viel mehr Konzerte weggefallen. Aber damit zu hadern, macht mich nur unglücklich. Ich nutze die Zeit, um neue Projekte zu realisieren, für die sonst keine Zeit ist. Ich habe im ersten Lockdown z.B. ein Kinderbuch mit dem Titel „Hurra, wir spielen ein Konzert“ geschrieben, das hatte ich schon seit einem Jahr vor.
???: Habt Ihr Soforthilfe in Anspruch genommen?
Ja, wir hatten in Baden-Württemberg Glück, weil wir eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, eine GbR sind, und deshalb das Unternehmergehalt mit beantragen konnten. Für die zweite Runde der Soforthilfe haben wir nichts beantragt, weil ja nach ab August schon wieder Konzerte möglich waren und wir fast normal spielen konnten. Als selbstständiger Künstler ist man es auch gewohnt, zu sparen und Geld zurückzulegen. Ich habe mich schon länger darauf vorbereitet, einen längeren Ausfall zu überbrücken, was ja jederzeit durch Krankheit oder Unfälle möglich wäre.
???: Wie siehst Du die Zukunft?
Nicht so schwarz. Ich habe ja auch mitgeholfen, Konzerte zu veranstalten und nach dem Lockdown war es so, dass die Leute danach zu mir kommen und sagen, dass sie sehr dankbar und froh sind, wieder ein Konzert live erlebt zu haben. So ein Lockdown ändert nichts am Bedürfnis der Menschen nach Livekultur. Um das Publikum mache ich mir gar keine Sorgen. Und auch wir bleiben ja Musiker, selbst wenn wir während des Lockdowns andere Jobs ausüben. Wir verlieren ja nicht unsere Fähigkeiten und können danach wieder weitermachen.
Interview: Christian Gaier
Autor:Christian Gaier aus Mannheim |
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