Islamische Strömungen in Deutschland

Entgegen der Annahme, dass es den ‚einen‘ Islam gibt, ist es tatsächlich so, dass der Islam sich in viele verschiedene Strömungen gliedert. Diese unterscheiden sich in Glaubenssätzen und Praktiken. Es ist wichtig, sich diese unterschiedlichen Richtungen anzusehen, um ein tieferes Verständnis für die Religion entwickeln zu können. Dies hat sich die Diskussionsveranstaltung Islamische Strömungen in Deutschland – Aktuelle Lage und geschichtlicher Kontext, die vom Mannheimer Institut für Integration und interreligiöse Arbeit e.v. zum Ziel gesetzt. Der Vortrag wurde von Talat Kamran und Aysenur Aydin geleitet, dem Leiter und einer sehr engagierten Mitarbeiterin des Institutes.

Zuerst wurde erklärt, wie der Islam als jüngste der drei Weltreligionen vor ca. 1400 Jahren in Mekka entstand. Was ich besonders überraschend fand, war die Tatsache, dass der Islam als Ergänzung zu den bereits bestehenden monotheistischen Religionen des Christen- und des Judentum verstanden wurde. Die erste Unterscheidung, die innerhalb des Islams gemacht wurde, war lediglich die der Gläubigen und die der ‚Kafir‘, was so viel bedeutet wie ‚Ungläubige‘, und nicht Nicht-Muslime. Der Islam gründete sich mit dem Propheten Mohammed, zu dem der Erzengel Gabriel sprach und verkündete, Mohammed sei der Bote Gottes und solle seine Botschaften an die Menschheit weitertragen. Im Lauf der nächsten 23 Jahre empfing Mohammed immer wieder Offenbarungen Gottes, die im Koran als ‚Suren‘ zusammengefasst wurden. Im damaligen Mekka wollten viele Menschen Mohammeds Botschaften nicht hören und verfolgten konvertierte Muslime, weswegen er 622 n. Chr von Mekka nach Medina fliehen musste. Dies ist auch der Beginn der islamischen Zeitrechnung. Die erste Spaltung innerhalb der muslimischen Gesellschaft geschah nach dem Tod Mohammeds damit, dass es Uneinigkeiten über dessen rechtmäßigen Nachfolger gab. Die eine Seite war der Meinung, Mohammeds Nachfolger müsse jemand sein, der die ‚Sunna‘, die Lebensart Mohammeds, achte und diese seinen Untertanen vorlebe. Daraus entstand die Strömung der Sunniten. Die andere Seite vertrat die Auffassung, Mohammeds Nachfolger müsse ein direkter Verwandter des Propheten sein und wollten so Mohammeds Cousin und Schwiegersohn Ali dazu bestimmen. Sehr interessant zu hören war, dass der besagte Ali seinerzeit überhaupt nicht für sich selbst als Mohammeds Nachfolger stimmte, sondern den ersten Kalifen (‚Nachfolger‘) Abu Bakr anerkannte.

Die beiden Referenten legten ein besonderes Augenmerk darauf, zu betonen, dass die ersten Uneinigkeiten innerhalb der muslimischen Gemeinschaft also erst nach dem Tod Mohammeds auftraten und nichts mit dem Inhalt des Korans zu tun hatten.
Die Sunniten und die Schiiten sind heute noch die zwei Hauptströme des Islams. Ein wenig später entstand zusätzlich der Sufismus. Hierbei ging es mehr um das Spirituelle und das Mystische in der Religion. Den Sufis ging es darum, ihr eigenes Ego gewissermaßen zu überkommen, um so Gott näher zu sein. Dieser sehr wichtige Aspekt des Islams, das Spirituelle, wird heute, wie Herr Kamran betont, leider viel zu häufig vergessen.

Aus dem Sunnitentum und dem Schiitentum sind jeweils noch viele Unterströmungen entstanden. Diese haben sich nicht nur religiös-motiviert entwickelt, sondern auch aus politischen und kulturellen Gegebenheiten. Nach dem Tod des Propheten hatten die Menschen weiterhin viele Fragen, die im Koran nicht beantwortet wurden. Und teilweise wurden in verschiedenen Umgebungen unterschiedliche Antworten auf diese Fragen gefunden, die sich mit der Zeit zu eigenen Strömungen bzw. Rechtsschulen etablierten.
Mit besorgtem Blick seien die sehr konservativen Strömungen zu betrachten, die sich aktuell vor allem in Saudi-Arabien entwickeln. Dazu zählen die Salafisten, teilweise die Wahhabiten und die Taliban. Diese, so sagt Talat Kamran, stellen eine Bedrohung für die ganze Weltgemeinschaft dar. Sie orientieren sich an Werten, die in einem ganz anderen geschichtlichen Kontext entstanden sind und zu einem großen Teil einfach nicht mehr der heutigen Welt entsprechen. Dabei beanspruchen sie es, die einzig wahre Form des Islams zu sein, was, wie wir aus dem Vorhergegangen wissen, überhaupt nicht möglich ist. Die beiden Referenten lehnen diese Wahrnehmung des Islams klar ab. Denn, so betont Frau Aydin, Religion und wie sie eine Person auslebt, müsse auch immer im Kontext seiner Lebensumstände betrachtet werden. So könne man nicht einfach Regeln, die vor über 1000 Jahren entstanden, auf die heutige Zeit übertragen, denn die Welt habe sich verändert und so müsse der Mensch seinen Glauben in Einklang mit seinem sozialen Umfeld bringen.

Frau Aydin erklärt zum Schluss noch, dass sie es besonders wichtig findet, dass sowohl Nicht-Muslime und Muslime als auch verschiedene muslimische Gemeinden untereinander im ständigen Diskurs ständen. Denn nur dadurch kann ein gegenseitiges Verständnis entstehen und nur dadurch ist es überhaupt möglich, dass die Muslime in Deutschland mit einheitlichen Interessen auftreten können.

Der Zuhörer konnte die unterschiedlichen Facetten des Islams kennenlernen und so ein besseres Verständnis für die Religion entwickeln. Gerade in einer multikulturellen Stadt wie Mannheim ist es wichtig, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen und genau deshalb sind Events wie die einander.Aktionstage so wertvoll!

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Autor:

Sylvia Löffler aus Mannheim

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