Möbel aus kurfürstlicher Zeit wiederentdeckt
Mannheim. Zufall und Glück führen zu einem Happy End: Lange unbemerkt standen historische Möbel aus dem Barockschloss Mannheim in den Kliniken Schmieder Heidelberg auf dem Speyererhof und wurden fast ein Jahrhundert lang im Klinikalltag genutzt. Nun werden die Stücke aus der Zeit von Kurfürst Carl Theodor und Großherzogin Stéphanie restauriert – und kehren vielleicht bald zurück. Die Entdeckung ist ein wertvoller Beitrag zur Wiederherstellung des kulturellen Erbes, denn die meisten Möbel des Schlosses wurden durch Erbfolge zuvor in alle Winde verstreut oder verbrannten im Zweiten Weltkrieg.
Ein glücklicher Zufall
Kurfürst Carl Theodor machte Mannheim zu einem Zentrum der schönen Künste und Wissenschaften in Europa. Reisende aus zahlreichen Ländern strömten in die Stadt, um das renommierte Mannheimer Hoforchester zu hören. Auch das Schloss mit seiner wertvollen Innenausstattung wurde gerühmt und war von europäischem Rang. Vieles nahm der Kurfürst mit nach Bayern, einiges gelangte in den Besitz des Hauses Baden, aber einige Stücke blieben weiterhin im Schloss. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Anlage fast vollständig zerstört. Zahlreiche Schätze fielen den Flammen zum Opfer oder gelten noch immer als verschollen. Doch durch einen glücklichen Zufall kehren nun bald kostbare Möbelstücke, die man verloren glaubte, in den Schlossbesitz zurück: Ein Stuhl, ein Sofa und acht Kommoden aus der Zeit Carl Theodors und Stéphanie von Baden haben sich an einem ungewöhnlichen Ort erhalten – in den Kliniken Schmieder Heidelberg auf dem Speyererhof.
Ungewöhnlicher Fundort der historischen Möbel
Am Rande der Universitätsstadt, in der Nähe eines Naturschutzgebiets befindet sich das neurologische Fach- und Rehabilitationskrankenhaus. Die Schmieder Kliniken Heidelberg helfen hirngeschädigten Patienten, ihre Selbstständigkeit im häuslichen Umfeld wiederzuerlangen und in Arbeit und Beruf wiedereingegliedert werden zu können. „Die Geschichte der Möbel und die ihrer Wiederentdeckung ist außergewöhnlich“, betont Dr. Uta Coburger, Konservatorin der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. „Ihre Rückführung ist das Ergebnis einer langen und spannenden Recherche, die durch einen Zufall ins Rollen kam.“
Überraschende Entdeckung
Eines Tages erhielten die Staatlichen Schlösser und Gärten einen überraschenden Anruf aus der Schmieder-Klinik in Heidelberg. Dort hatte man bei einer Inventur alte Möbel genauer betrachtet und entdeckt, dass sie mit Etiketten des Mannheimer Schlosses versehen waren. „Es war ein spannender Moment, als wir die Möbel näher untersuchten und feststellten, dass sie tatsächlich aus dem Mannheimer Schloss stammten“, erzählt die Konservatorin. Doch wie kamen die Möbel in die Klinik? 1927 wurde am heutigen Standort der Schmieder-Klinik ein Sanatorium eröffnet. Albert Fraenkel, erster ärztlicher Direktor, verfolgte einen innovativen Ansatz: Ein schönes Umfeld fördert den Heilungsprozess der Erkrankten. Die Möbel kamen Ende der 1920er Jahre als Leihgaben aus dem Mannheimer Schloss in die Schmieder-Kliniken. Dort waren sie fast 100 Jahre lang in Gebrauch. Obwohl nicht alle Möbel ihre Zeit in der Klinik überstanden, ist man im Mannheimer Schloss dennoch begeistert vom unerwarteten Fund: „Es ist eine Überraschung, dass sich die Möbel überhaupt erhalten haben – wir können uns wirklich glücklich schätzen“, ordnet Thomas Merkl, Restaurator für Möbel und Holzobjekte bei den Staatlichen Schlössern und Gärten, den Fund ein.
Rückkehr nach fast 100 Jahren
Jüngst wiederentdeckte historische Akten offenbarten die Geschichte der Möbel: Ein Leihvertrag von 1928 wurde zwischen der Oberfinanzdirektion Karlsruhe und der damaligen Mutteroberin, die die Klinik leitete, unterschrieben. Das Dokument belegt, dass die Möbel aus dem Schloss stammen und damit zum Eigentum der Staatlichen Schlösser und Gärten zählen und wann die Möbel von Mannheim nach Heidelberg gelangten – und bringt damit Licht ins Dunkel. „Die Übergabe an die Staatlichen Schlösser und Gärten freut uns“, verrät Gina-Maria Edam, Referentin der Geschäftsführung von Kliniken Schmieder Heidelberg, und ergänzt. „Wir sind froh, dass die Originale wieder in den ursprünglichen Besitz zurückkehren können.“
Ein Stück Geschichte kehrt zurück
„Die Möbelstücke zählten zwar nicht zur ersten Garnitur von Kurfürst Carl Theodor oder Stéphanie von Baden – sie sind aber Originale aus deren Zeit. Angesichts des überwiegenden Verlusts der Ausstattung sind sie ein wertvolles Stück unseres kulturellen Erbes“, erklärt Dr. Uta Coburger. Die Möbel werden nun zunächst nach Karlsruhe in das Depot der Staatlichen Schlösser und Gärten gebracht. Dort werden sie gründlich untersucht und sorgfältig restauriert. Und dann? „Dann müssen wir in den historischen Inventaren recherchieren, wo sich welches Möbelstück im 19. Jahrhundert befand. Und vielleicht kann das eine oder andere Stück ins Schloss zurückkehren, in der Beletage wäre ja durchaus noch Platz“, verrät Dr. Uta Coburger.
Zerstörung und Wiederaufbau
Der Zweite Weltkrieg war neben der Residenzverlegung 1778 auch für das Barockschloss Mannheim eine Zäsur, denn die einst so prächtige Residenz wurde dabei zerstört. Nach dem Krieg wurde das Schloss wieder aufgebaut. Dabei wurden der prächtige Rittersaal und das monumentale Prunktreppenhaus rekonstruiert. Heute sind 800 kostbare Objekte, die einst zur Ausstattung des Schlosses gehörten, wieder zurück an Ort und Stelle. Darunter befinden sich wertvolle Gemälde, kostbare Porzellane und 21 großformatige Tapisserien. hät/red
Autor:Kristin Hätterich aus Mannheim |
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