Wut Coaches helfen Cholerikern
Wenn die Wut kommt
Interview. Sie terrorisieren die ganze Familie, die Kollegen und vergraulen selbst die besten Freunde: Choleriker – Menschen, die immer wieder Wutanfälle haben. Die Wut Coaches aus Mannheim haben ein Konzept entwickelt, mit dem Menschen, die ein Problem mit der Wut haben, in vier Wochen lernen, mit ihrer Wut umzugehen. Es funktioniert online, ohne Wartezeiten. Coach Katrin Hoster, die mit Merlin Faude die Wut Coaches gegründet hat, erklärt was es mit der Wut auf sich hat und wie man lernt, dass Wut und Aggression nicht übermächtig werden.
Was ist so problematisch an der Wut?
Katrin Hoster: An sich ist an Wut gar nichts problematisch. Es ist eine Basis-Emotion wie Freude oder Trauer. Die Wut ist ein Feedback-Mechanismus, vergleichbar einer Kontroll-Leuchte im Auto. Wenn die aufleuchtet, stimmt etwas mit dem Auto nicht und es muss in die Werkstatt. Und wenn wir wütend sind, zeigt uns dieses Gefühl, das Dinge nicht so laufen wie sie sollten und etwas verändert werden muss. Zu uns kommen aber Menschen, die unter ihrer Wut leiden, Menschen, deren Wutausbrüche zerstörerisch sind, die Beziehung zum Partner oder auch zu den Kindern kaputt machen. Untersuchungen zeigen, dass gut acht Prozent der Menschen ein Wutproblem haben. Und Wut ist in unserer Gesellschaft tabuisiert, keiner redet darüber. Die Menschen schämen sich wegen ihrer Wutausbrüche. Es geht also eher um den Umgang mit der Wut.
Und diesen Umgang mit der Wut kann man lernen?
Hoster: Ja, es ist ein fataler Irrglaube, zu meinen, dass man nichts daran ändern kann. Auch wenn der Vater Choleriker war, heißt das nicht, dass man das geerbt hat. Und auch Traumata machen uns nicht automatisch zu Menschen, die ihre Wut nicht im Griff haben. Man kann lernen, mit seiner Wut umzugehen und muss es üben. Ein Klient war über 60 Jahre alt und hatte immer das Gefühl, er sei seiner Wut ausgeliefert. Seine Frau hatte lange damit gelebt. Als sie sich dann einmal aus Furcht im anderen Zimmer eingeschlossen hatte, erschrak er so, dass er zu uns kam. Trotz seines Alters und obwohl er nicht sonderlich online-affin war, hat er gelernt, mit seiner Wut umzugehen.
Das ist bestimmt ein langwieriger Prozess, oder?
Hoster: Nein, wir haben ein Programm entwickelt, mit dem man in der Regel in vier Wochen zum Erfolg kommt. Wegen Corona haben wir das komplett auf online umgestellt. Einerseits waren persönliche Treffen nicht mehr möglich und andererseits wurden wir mit Anfragen überhäuft. Es gibt erklärende Videos, aber man hat zusätzlich auch Kontakt zu seinem Coach. Das Online-Coaching hat den Vorteil, dass man die Einheiten dann bearbeitet, wenn man Zeit hat. Außerdem können wir auf diese Weise sehr viel mehr Menschen helfen. Der Online-Kontakt ist durch Corona ja auch viel selbstverständlicher geworden.
Was können Betroffene oder auch deren Partner tun?
Hoster: Wenn jemand ein Wut-Problem hat, sollte er sofort handeln. Der Partner sollte ein Ultimatum stellen, denn das Problem löst sich nicht von selbst, sondern wird immer schlimmer. Und es hilft auch nicht, sich mehr zu beherrschen, mehr Willenskraft aufzuwenden. Willenskraft ist ein begrenztes Gut. Wer die Probleme in sich hineinfrisst, explodiert irgendwann oder wird körperlich krank. Aber das zentrale ist, die Verantwortung für seine Wut zu übernehmen. Nur dann hat man die Macht etwas zu verändern. Meistens fühlen sich die Betroffenen ihrer Wut ausgeliefert. Aber es ist die eigene Wut, es sind die eigenen Gefühle und jede und jeder hat die Verantwortung dafür, wie sie oder er damit umgeht.
Wie sieht dann das Coaching aus?
Hoster: Ich kann hier natürlich nicht das ganze Programm erklären. Aber wichtig ist, seine Wut besser zu ergründen. Nur wer seine Wut kennt, kann sie bezwingen. Deshalb raten wir dazu, ein Wut-Tagebuch zu führen, in dem man aufschreibt, wann, wo, mit wem und in welcher Situation man wütend wird. Meist sind es verletzte innere Regeln, die einen wütend machen. Durch das Tagebuch versteht man, was da passiert, was einen triggert. Damit kann man dann arbeiten. Welches sind die verletzten Regeln? Und wie kann man anders damit umgehen? Die Wut wird oft durch einen inneren Monolog verstärkt. Man redet sich ungewollt in Rage und wird immer wütender. Diesen automatisch ablaufenden Prozess kann man lernen zu unterbrechen. Und man muss auch am Unterbewussten arbeiten, was aufwühlend sein kann. Aber es ist wichtig die Punkte in der Vergangenheit zu erforschen, die einem wie ein Dorn im Fleisch immer wieder wehtun, wenn sie berührt werden. Wenn man einmal den Dorn ausreißt, kann die Wunde endlich heilen. rk
Wut Coaches
Merlin Faude war die Wut-Thematik selbst nicht ganz fremd. Der Coach und angehende Arzt hatte nach Techniken und Methoden gesucht, um Wut in den Griff zu bekommen, aber es gab noch kein funktionierendes Konzept für den Umgang mit Wut. So hat er aus vielen verschiedenen Coaching- und Trainings- Methoden selbst ein Programm entwickelt, mit dem er Menschen mit einem Wut-Problem helfen kann. So kam auch Katrin Hoster zu ihm, selbst Coach für Frauen, da für sie Wut ebenfalls ein Thema war. Da sie selbst erlebte, dass die Methoden funktionieren, stieg sie mit ein und gründete mit Faude 2019 in Mannheim die “Wut Coaches”. Um mehr Menschen bei ihrem Problem zu helfen, entwickelten beide mit Unterstützung einer Ärztin ein Online Video-Programm, mit dem die Klienten es schaffen, in 28 Tagen ihre Wut und Aggression Stück für Stück zu reduzieren und in den Griff zu bekommen. Heute sind die Wut Coaches als anerkannte Wut-Spezialisten Ansprechpartner für Ärzte, Psychotherapeuten, Psychologen und Gerichte aus ganz Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland. rk
Nähere Informationen online unter www.wut-coaches.de
Autor:Roland Kohls aus Ludwigshafen |
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