Mit dem Bike von Salzburg ans Mittelmeer
Ab in den Süden
Von Markus Pacher
Fahrrad. Es ist Abend, die Beine sind müde. Scheinbar endlos windet sich die Passstraße nach Bad Gastein. Im glutvollen Licht der untergehenden Sonne präsentiert sich das berühmte Bergstädtchen mit seinen monumentalen, dem morbiden Charme der Gründerzeit verströmenden Hotelbauten. Hier ist der Winter bereits eingezogen, die umliegenden Berge von Neuschnee überzuckert. Wir gönnen uns ein Foto-Shooting am spektakulären Gasteiner Wasserfall. Das Wahrzeichen Bad Gasteins führt mitten durch den Ort und prasselt in drei Stufen mit einer Fallhöhe von 341 Metern ins Tal. Mehr Bergromantik geht nicht.
Von Salzburg an die Adria
Der berühmte Alpe Adria Trail: Mit dem Rad von der Mozartstadt Salzburg nach Grado an der Adria. Es ist Oktober. Noch einmal ordentlich Sonne tanken, bevor die grauen Monate kommen und es ungemütlich wird. Mit wenig Gepäck starten wir bei nasskaltem Wetter, die Temperaturen dem Gefrierpunkt nahe. Die meisten Campingplätze sind zu dieser Zeit bereits geschlossen. Das Zelt können wir also getrost zuhause lassen. Kein Problem, denn Unterkünfte gibt es entlang der Strecke zuhauf, führt doch unsere Route mitten durch das touristisch bestens erschlossene Herz der Alpen.
Dass zwischen uns und den sonnigen Stränden von Bella Italia noch einige anstrengende Hürden zu überwinden sind, ist uns wohl bewusst: 2.500 Höhenmeter verteilt auf 420 Kilometer – das ist kein Pappenspiel, schließlich sind wir jenseits der Fünfzig und eigentlich reif für ein E-Bike. „Kommt nicht in Frage“, sagt meine bessere Hälfte – und fährt mir im Laufe unserer Alpenüberquerung immer wieder davon, trägt dauerhaft das Gelbe Trikot. Wie gut, dass es die Tauernschleuse gibt. Sie ist ein Geschenk Gottes und erspart uns viel Schweiß. Einfach am höchsten Punkt der Tour bei Böckstein unweit von Bad Gastein mit dem Rad in den Zug steigen und 17 Kilometer unter die Hohe Tauern hindurch.
Immer am Fluss entlang radeln
Zum großen Teil verläuft der Alpe Adria Radweg auf gut ausgebauten Radwegen, kann also mit einem normalen Tourenbike mit guter Bereifung – kein Rennrad! – bewältigt werden. Bevor der Alpenhauptkamm überwunden ist, genießen wir Flussradeln im schönsten Sinne des Wortes: Zunächst an der Salzach, später an der Drau entlang, dabei immer die sich vor bunter Herbstkulisse präsentierenden weißen Kalkriesen im Visier. Radlerherz, was begehrst du mehr!
So entpuppen sich die ersten hundert Kilometer nach Bad Hofgastein als entspannte Lockerungsübung, bevor uns die Hohe Tauern vor eine harte Probe stellen. Bevor die Dunkelheit uns einholt, legen wir nochmal eine Schippe drauf und erreichen völlig erschöpft aber glücklich unsere kleine Pension bei Böckstein und damit den höchsten Punkt unserer Tour de Force.
Natur und Kultur bietet die Tour zuhauf, aber das Salz in der Suppe beim Reisen sind die Begegnungen mit den Menschen. Unvergessen bleibt unser Frühstück im gemütlichen Wohnzimmer unserer Gastgeber in Böckstein. Unser Wirt, ein rüstiger Mitachtziger, erzählt uns von seiner unglaublichen Karriere als Ski- und Jodellehrer in den Rocky Mountains in den USA. Seine bessere Hälfte, mit der er nunmehr über ein halbes Jahrhundert glücklich verheiratet ist, habe er während seiner ganzen Berufsjahre immer nur zwei Wochen im Jahr gesehen. Das Geheimnis einer erfolgreichen Ehe, wollen wir wissen? Verliebt schmunzelnd blicken sich die beiden vielsagend an.
Bergab Richtung Süden
Unter dem Motto „Schussfahrt in den Süden“ steht der nächste Tag. Nach der Tauernschleuse geht es rasant hinunter ins Mölltal, wir sausen durch die beeindruckende Hochgebirgslandschaft ins sonnige Drautal. Jetzt haben wir den Hauptkamm hinter uns und radeln gemütlich der Drau entlang der italienischen Grenze entgegen. Wir fahren in Schlangenlinien, denn wir wollen die kreuzenden Schlangen, darunter eine dicke Kreuzotter, nicht überfahren.
Ab Tarvisio, einem Bergdörfchen unweit der italienischen Grenze erwartet uns das Filetstück unserer Transalp. Die alte, als Radweg umgebaut Bahntrasse ist eine fünfzig Kilometer lange Genussabfahrt durch herrliche Schluchten, spektakuläre Tunnels und Galerien, vorbei an grandiosen Bergen und idyllischen Dörfern, an tosenden Wasserfällen und alten, zerfallenen Bahnwärterhäuschen. Gemütlich lässt man ohne ins Pedal zu treten die Landschaft einfach an sich vorbeirollen und kommt dabei aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Die letzten siebzig Kilometer entlang der historischen Via Julia Augusta bis zum Mittelmeer lassen wir es sanft ausrollen, nehmen uns viel Zeit für die Kulturhighlights des Friauls: Venzona, Udine, Palmanova, Aquileia und unserem Ziel Grado. Das Fischerdörfchen erreichen wir über eine kilometerlange Brücke, die sich über die Lagune spannt. Am Strand angekommen, werfen wir unsere Räder in den Sand, entledigen uns rasch unserer Kleider und stürzen uns in die Fluten des Mittelmeers.
Autor:Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße |
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