Tag 55 - 56: Wien - Nizza
Das Tal ruft
Transalp. Der Tag beginnt mit einem knackigen 800-Meter-Abstieg auf rutschigem Untergrund. Allmählich durchstoße ich die dichte Wolkendecke und gelange nach einer erholsamen Nacht im Bergbauernhof Patleid in sonnigere Gefilde. Diesmal sind die Wolken nicht unter, sondern über mir. Auch die verschwinden schließlich völlig und ein sonniger Tag steht bevor. Von Naturns aus muss nur noch ein 5 Kilometer langer Talhatscher zum Schloss Juval bewältigt werden. Den berühmten Hausherrn Reinhold Messner treffe ich heute nicht an. Sein Mountain-Museum schenke ich mir. Mehr interessieren mich die Waalwege, die sich teils parallel über mehrere Stufen ziehen und seit Urzeiten der Bewässerung der Obstplantagen dienen. Zunächst folge ich dem Tscharser Waalweg. Er mündet später in den Vintschgauer Höhenweg. Jetzt hat das gemütliche Promenieren entlang des munter plätschernden, zuweilen als Wasserfall in die Tiefe stürzenden, kunstvoll in Mauerwerk eingefassten Bachlaufs ein Ende. Steil zieht der Weg hinauf in Richtung Trumsberg und St. Martin im Kofel. Die Suche nach einer Unterkunft in einem der beiden extrem hoch gelegenen Bergdörfchen erweist sich als erfolglos und so stürze ich mich wieder herab ins Tal und lande in Kastelbell, wo ich im seit Jahrhunderte im Familienbesitz befindlichen Gasthof Gstirner Hof wieder alle Freuden gepflegter Südtiroler Gastlichkeit genießen darf.
Anderntags entscheide ich mich nicht für den Berg, sondern für das Tal. Immer an der Etsch lang, lautet meine Devise. Ungeplagt von Orientierungsproblemen gelange ich auf dem brettflachen Etschradweg nach Schanders, bevor ich die Etsch verlasse und entlang der vielbefahrenen Bundesstraße auf Prad am Stilfserjoch zusteuere. Nun wird es richtig ungemütlich. Keine aufregenden Schlangen und bunte Schmetterlinge mehr am Wegesrand, stattdessen Autogestank und Motorradgetöse. Ein hilfsbereiterApfelbauer zeigt Mitleid, nimmt mich in seinem kleinen Transporter mit und erzählt mir sein ganzes Leben. Das Lieblingsthema des gottesfürchtigen Mannes: Wundersame Marienerscheinungen und blutende Kruzifixe in Südtirol.
In Prad herrscht indes Volksfesstimmung. Bunt geschmückte Kühe ziehen mit ihren laut tönenden Glocken durchs Dorf. Am Festplatz werden sie von Menschenmassen umjubelnd in Empfang genommen - der Almabtrieb ist für die Bevölkerung und die Gäste immer ein Riesenerlebnis. Entsprechend sind die Hotels ausgebucht und die Suche nach einer Unterkunft für mich und meinen Bruder, der mich die kommenden Tage begleiten wird, als schwierig. Im sechs Kilometer entfernten, Richtung Stilfser Joch gegelegen Gomagoi, werden wir schließlich fündig. Und wieder genießen wir in einem urigen Landgasthof echte Südtiroler Gastfreundschaft, bekommen ein wunderbares 5- Gänge-Menü serviert und schlafen wie die Götter.
Entdecken Sie hier die weiteren Etappen der Transalp-Tour:
Autor:Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße |
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