Meistersinger im Saalbau Neustadt: Wettbewerbskonzert
Neustadt. Die 37. Auflage des Internationalen Meistersinger-Wettbewerbskonzerts am Freitagabend im Saalbau Neustadt hat ihren Superstar: Mit ihrer grandiosen Stimme ging die Südkoreanerin Hanna Kim Koo aus dem spannenden mehrstündigen musikalischen Rennen als klare Siegerin hervor. Neben ihr eroberte der gleichfalls aus Südkorea stammende stimmgewaltige Bariton Jungsung Jeon die Herzen des Publikums - und das sechsköpfige Expertengremium zur Vergabe des zweiten Preises.
Von Markus Pacher
Diesmal sah sich die langjährige Kursleiterin Prof. Claudia Eder erstmals mit ihr überwiegend unbekannten Stimmen konfrontiert. Zwischenzeitlich emeritiert, hat sie sich aus ihrer Dozententätigkeit zurückgezogen und keine eigenen Schülerinnen und Schüler mehr. Um es bei dieser Gelegenheit einmal ganz deutlich zu sagen: Prof. Claudia Eder ist seit vielen Jahren eine Riesenbereicherung für das hiesigen Musikleben und die Stadt Neustadt und der Förderkreis "Neustadter Meistersingerkurse e. V." dürfen hoffen, noch viele weitere Jahre mit ihr kooperieren zu dürfen.
Zehn harte Probentage liegen zurück. Unter den Fittichen von Claudia Eder und den Korrepetitoren Seung-Jo Cha und Hedayet Djeddikar wurde von morgens bis abends im Herrenhof Mußbach an der Stimmtechnik und Artikulation gefeilt, die Interpretation aufs richtige Gleis gesetzt und die Bühnenpräsenz optimiert. Und die Früchte der Arbeit konnten sich sehen bzw. hören lassen, obgleich bedauerlicherweise nicht alle Stimmlagen vertreten waren und man Tenöre und Bässe vergeblich suchte.
Zeit für einen Rückblick: Was vor vierzig Jahren mit der Gründung des Förderkreises „Neustadter Meistersingerkurse e. V.“ begann, ist heute kaum mehr aus dem Kulturleben der Stadt hinwegzudenken. Grund genug für den 1. Vorsitzenden Hans-Georg Hoffmann und Oberbürgermeister Marc Weigel vor dem Auftritt der Meistersinger an den runden Geburtstag zu erinnern. Letztere geriet, wie es die Tradition seit den Anfangsjahren unter der Leitung der unvergesslichen Erika Köth, der zu ihrer Zeit bekanntesten deutschen „Königin der Nacht“, so will, zu einem Aufmarsch der Koloratursoprane, angefangen mit der Ukrainerin Daria Tymoshenko, die im letzten Jahr ganz oben auf dem Siegertreppchen landete und in diesem Jahr außer Konkurrenz, das heißt ohne Option auf einen Preis, sang.
Nach einem, um es vorsichtig zu formulieren, stimmlich eher verhaltenen ersten Teil gerieten die Auftritte nach der Pause zu einem Triumphzug der großen Stimmen. Einen Vorgeschmack auf ihr überragendes, die Konkurrenz weit hinter sich lassendes Können gaben Hanna Kim Koo und die Chinesin Yuexi Wu an der Seite des Baritons Amit Bek bereits zum Abschluss des ersten Blocks mit dem Terzett „Soave sia il vento“ aus der Mozart-Oper „Cosi fan tutte“. Mehr als verdient hatte sich am Ende die erst 23-jährige Mezzosopranistin Yuexi Wu den 3. Preis der Jury. Einfach mitreißend ihre Darstellung der Arie der Isabella aus Rossinis Oper „L’italiana in Algeri“, die sie mit einem beachtlichen Stimmvolumen und einer erstaunlich abwechslungsreichen Palette an Klangfarben zu Gehör brachte.
Aber die große Gänsehautnummer des Abends lieferte Hanna Kim Koo, die im letzten Jahr Platz 2 belegte, mit der lupenreinen Wiedergabe der berühmten „Traviata“-Arie der Violetta „È strano … Sempre libera“ von Verdi: Absolut wackelfrei und brillant in den Spitzentönen, wunderbar beweglich in den Koloraturen, dazu eine bezwingende Bühnenpräsenz und stimmliche Strahlkraft. In wenigen Jahren werden wir vielleicht sagen können: Die große Hanna Kim Koo hat auch in Neustadt gesungen.
Ähnliche Mutmaßungen die weitere Karriere betreffend, könnte man über den südkoreanischen Bariton Junsung Jeon anstellen. Für weitere Beifallsstürme sorgte seine spannende und mitreißend klangstarke Interpretation einer selten gehörten Arie des Italieners Andrea Chénier. Aufhorchen ließ außerdem die außergewöhnliche Stimme von Klara Estela Weber. Trotz ihrer jungen Jahre hat sie bereits ein Bachelor im Fach Psychologie in der Tasche. Im Saalbau profilierte sie sich optisch wie stimmlich als rassige Carmen. Ihr zwar nicht bruchlos geführter aber auffallend tief gefärbter markanter Mezzosopran erstaunte das Publikum und animierte die Jury zur Vergabe des 1. Förderpreises. Der 2. Förderpreis ging an Amit Bek. Der junge Bariton aus Israel verfügt zwar noch nicht über das nötige Stimmvolumen für die Opernbühne, darf aber kraft seiner sympathischen Ausstrahlung und seiner offenkundigen Musikalität gleichfalls auf eine Sängerkarriere hoffen.
Die weiteren Höhepunkte des Abends im Telegramm-Stil: Shira Shamir aus Israel hat ihr Gesangsstudium noch nicht begonnen und präsentierte sich als zarter Rohdiamant, der noch geschliffen werden muss - eine noch junge, aber wunderbar natürliche Stimme, die gute Anlagen erkennen lässt und Prof. Claudia Eder beim Vorsingen auf Anhieb für die Aufnahme in die Meisterklasse überzeugte. Nicht fehlen durfte das Blumenduett aus der Oper „Lakmé“ von Leo Delibes, quasi die Erkennungsmelodie des Meisterkurses, die mittlerweile fast zur Neustadter Hymne geworden ist und bisher in keiner Auflage fehlte. Noch nie haben wir sie so wunderbar gehört wie an diesem Abend mit den herrlich miteinander verschmelzenden Stimmen unserer beiden Protagonistinnen Daria Tymoshenko und Hanna Kim Koo. Hut ab auch vor Moderator Markus Hoffmann, der in gewohnt eloquenter Weise mit unterhaltsamen Anekdoten und interessanten Infos zum Programm aufwartete.
Damit sich das Publikum während der Beratung der Jury nicht langweilen musste, sorgte ein Zwischenprogramm mit bekannten Ohrwürmern aus der „Leichten Muse“ in wechselnden Besetzungen für gute Unterhaltung, allen voran der von Daria Tymoshenko und Hanna Kim Koo zum Dahinschmelzen schön präsentierte Ohrwurm „Ich hätt getanzt heut Nacht“ aus dem Musical „My fair Lady“.
Autor:Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.