Interview der Woche in Königsbach
Die Künstlerin Gertrud Rittmann-Fischer
Von Markus Pacher
Königsbach.Kennenlernen durfte ich die Künstlerin Gertrud Rittmann-Fischer, als sie mich mit ihrem damals noch lebenden Ehemann August vor drei Jahren in meiner Redaktion in Neustadt besuchte. Das Charisma dieser zierlichen, liebenswerten und unglaublich bescheiden auftretenden Frau hatte mich damals tief bewegt. Mittlerweile ist sie fast völlig erblindet, lebt aber noch weitgehend selbstständig, liebevoll umsorgt von ihrer Tochter Gabriele Fischer-Kilian, in ihrem Haus in Königsbach. Bei allen Gebrechen, die das stolze Lebensalter von 99 Jahren so mit sich bringt, blitzt immer wieder das Temperament der „Feuerfrau“, wie sie gerne genannt wurde, vor allem aber ihre herzliche Zugewandtheit durch. Im Gespräch erinnert sie sich an herausragende Momente ihres bewegten Lebens.
??? Frau Rittmann-Fischer, wann haben Sie Ihre Liebe zur Email-Kunst entdeckt?
Gertrud Rittmann-Fischer: Die Leidenschaft für die Kunst wurde schon in meiner Kindheit geweckt. Meinem Vater, der eine Uhr-, Gold- und Silberwerkstätte betrieb, durfte ich bei seiner Arbeit über die Schulter schauen, ebenso den Lehrbuben und Gesellen. Mein weiterer Lebensweg führte mich über die Goldschmiedeschule in Pforzheim und die Zeichenakademie Hanau in das Email-Atelier „Efco-Fornell“, wo ich zwanzig Jahre als Lernende und Lehrende verbrachte.
??? Als Gründerin des Creativ-Kreis-International (CKI) in Deidesheim sind sie später in der ganzen Welt herumgekommen, haben internationale Ausstellungen organisiert und viele Kontakte zu namhaften Künstlern und Persönlichkeiten aus Kultur, Wirtschaft und Politik geknüpft. An welches Ereignis erinnern Sie sich besonders gerne?
Gertrud Rittmann-Fischer: Unvergessen bleibt für mich, als ich Nelson Mandela gegenüberstand. Mit seiner überwältigenden Bescheidenheit war es die größte zwischenmenschliche Begegnung, die ich je machen durfte.
??? Mal ganz abgesehen von Ihrem Mann.
Gertrud Rittmann-Fischer: Ja, ich hatte den besten und schönsten Mann. Wir waren 73 Jahre verheiratet. Er stand mir bei meiner Arbeit immer als Stütze und Hilfe zur Seite. August war mein bester Assistent.
??? Wo und wie haben Sie sich kennengelernt?
Gertrud Rittmann-Fischer: Vis-à-vis von uns lebte eine Tante von August. Bei einem Besuch von ihm flüsterte sie ihm ins Ohr: „Das Mädchen kannste heirate, die kann schaffe!“ Anfangs durften wir uns nur unter Aufsicht treffen. In seinem Heimatort Dirmstein haben wir dann trotz der standesgemäßen Bedenken meiner Eltern kurz nach dem Krieg in der halb zerstörten Kirche unter kaputten Fenstern geheiratet.
??? Oftmals verbanden Sie ihr künstlerisches Wirken mit caritativen Zwecken. Stichwort „Ghana“. Was verband Sie mit diesem Land?
Gertrud Rittmann-Fischer: Eine besondere Freundschaft verbindet mich mit Céphas Bansah, dem König von Ghana, der seinen festen Wohnsitz in Ludwigshafen-Mundenheim hat. Mit ihm und sieben Ärzte reiste ich nach Ghana, um Geld für die medizinische Versorgung der Menschen zu sammeln. In Afrika habe ich mit den Einwohnern auf dem Boden geschlafen, mit den Händen gegessen und Patenschaften für Kinder von der Straße übernommen. König Bansah sagt aus Dankbarkeit für mein Engagement immer nur „mein Schatz“ zu mir.
??? Weit über Deidesheim hinaus sind sie als Wegbereiterin der Email-Technik weltweit bekannt und in der Kunstszene hochgeschätzt? Worin liegt die Besonderheit in Ihrem Schaffen?
Gertrud Rittmann-Fischer: Ich bin ein starker Gefühlsmensch und habe immer danach getrachtet, meinem Leben und meiner Kunst inhaltliche Tiefe zu geben. Wenn Sie etwas über sich erzählen, würde ich es in Email bringen. Emotionalität ist mir wichtig. So bestehen meine Bilder nicht einfach nur aus Motiven, sondern es geht vor allem um die Geschichte, die dahinter steht. Diese verarbeite ich in Gestalt großer, kreisförmiger, Mandala artiger Wandbilder.
??? Vor wenigen Tagen sind Sie 99 Jahre alt geworden. Wie fühlen Sie sich?
Gertrud Rittmann-Fischer: Jeden Morgen wache ich auf und wundere, ja ärgere ich mich, dass mich der Herrgott noch nicht zu sich gerufen hat. Im Keller steht schon mein Sarg bereit. Ich möchte, dass man mich darin aus meinem Haus herausträgt. Wir gehen jetzt in den Keller und ich zeige Ihnen den Sarg.
Nein, das lassen wir besser. Lieber möchte ich mich von Ihnen mit einem Foto mit einem Ihrer wunderbaren Bilder im Hintergrund verabschieden. Liebe Frau Rittmann-Fischer, ich danke Ihnen für dieses unvergessliche Gespräch und hoffe darauf, ihnen nächstes Jahram zum 100. Geburtstag gratulieren zu dürfen.
Vita
Gertrud Rittmann-Fischer, geboren 1922, in Irslingen bei Rottweil, entstammt einer alten Goldschmiede-Dynastie aus Pforzheim. Ihre Lehr- und Wanderjahre verbrachte sie in der Werkstatt ihres Vaters, in der Goldschmiedeschule in Pforzheim, der Zeichenakademie Hanau und dem Email-Atelier „Efco- Fornell“ in Pforzheim. 1960 eröffnete sie in Deidesheim ein Atelier, 1979 gründete sie das weltweit aktive Künstlernetz Creativ-Kreis-International (CKI). Neben ihrem künstlerischen Wirken engagierte sie sich zeitlebens für die Begegnung von Künstlern aus allen Kontinenten und organisierte für sie Ausstellungen in aller Welt, u. a. in Russland, Ungarn, Israel, Italien, Spanien, Brasilien, Australien und Ghana.
Ausgangspunkt für ihre Bildgestalten sind meist seelische Erlebnisse, die sie in kreisförmigen, sich zu oftmals aus Symbolen bestehende großformatigen Werke umsetzt. Ihre Werke findet man im Regierungssitz von Nelson Mandela ebenso wie im Goethe-Institut in Buenos Aires oder der Abtei der Prämonstratenser in San Salvador in Brasilien. Nicht zuletzt aufgrund ihres selbstlosen Einsatzes für die Armen der Welt, ihre Hilfs- und Sammelaktionen für Waisenhäuser und Schulen in Russland und Afrika, wurde sie 1995 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Seit 14 Jahren lebt sie in Königsbach.
Ausstellungstipp
Vor sechs Jahren hat Gertrud Rittmann-Fischer ihre große Email-Sammlung von Werken des Künstlernetzes Creativ-Kreis-International (CKI) an die Stiftung „Ritter von Böhl“ übergeben. Die Sammlung kann im gleichnamigen Hotel und Bürgerhaus in Deidesheim, Weinstraße 35-93, in Deidesheim als Dauerausstellung besichtigt werden.
Autor:Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.