Ehemaliges Konzentrationslager in der Neustadter Turenne-Kaserne

Der ehemalige MInisterpräsident Kurt Beck (Mitte) auf Besuch in der Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt. Eberhard Dittus (rechts) erläutert die Bedeutung der Turenne-Kaserne als ein Bespiel früher Konzentrationslager im Dritten Reich.   | Foto: Gedenkstätte für NS-Opfer
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  • Der ehemalige MInisterpräsident Kurt Beck (Mitte) auf Besuch in der Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt. Eberhard Dittus (rechts) erläutert die Bedeutung der Turenne-Kaserne als ein Bespiel früher Konzentrationslager im Dritten Reich.
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Neustadt. Eine Namensliste war der Auslöser zur Einrichtung der „Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt an der Weinstraße“ in der ehemaligen Turenne-Kaserne. Der Religionspädagoge und Diakon Eberhard Dittus erhielt das mit „Insassen des Konzentrationslagers Neustadt an der Haardt im März 1933“ überschriebene mehrseitige Dokument vor über zwanzig Jahren von der Tochter einer der ehemaligen Häftlinge.

Von Markus Pacher

„Zu diesem Zeitpunkt wussten wir bereits von der Existenz des Lagers, das lediglich wenige Wochen, vom 10. März bis 12. April 1933, existierte und in dem politische Gegner von der SPD und KPD sowie Juden, Naturfreunde, Gewerkschaftler oder Separatisten im Sinne des Geistes des Nationalsozialismus umerzogen und mundtot gemacht werden sollten, nachdem die Amtsgerichtsgefängnisse nach der Machtübernahme der NSDAP in Neustadt aus allen Nähten platzte“, erläutert Dittus. Die Nazis sahen sich notgedrungen nach einer neuen Räumlichkeit um und fanden sie in der leerstehenden, vormals von den Franzosen genutzten Turenne-Kaserne.

Wichtiges Dokument zur Erinnerungskultur

„Mit der Gefangenenliste, die ich umgehend beim Denkmalamt vorlegte, wurde uns bewusst, dass wir mit dem Thema nicht mehr unter dem Tisch halten durften“, erinnert sich Dittus an die Frühgeschichte der Gedenkstätte und an sein Engagement in Sachen „Erinnerungskultur“.

Das Geheimnis der Versöhnung ist die Erinnerung

Der ganzen Geschichte ging ein von ihm geführtes Konfirmanden-Projekt der Martin-Luther-Kirche voraus, als sich 1995 Neustadter Jugendliche unter dem Motto „Das Geheimnis der Versöhnung ist die Erinnerung“ auf Spurensuche begaben, um Licht ins dunkelste Kapitel der Stadt Neustadt zu bringen. Anknüpfungspunkte waren Täter- und Opfer-Orte, Gebäude, Plätze und Straßen, die zu Orten des Leidens, der Verfolgung, des Terrors und des Widerstands wurden.

Frühe Konzentrationslager in der Pfalz

Frühe Konzentrationslager gab es nicht nur in Neustadt, sondern, bezogen auf die Pfalz, auch in Landau und Enkenbach. Letztere beiden existieren nicht mehr, wohl aber das zwar nicht zur Pfalz gehörige, aber nicht weit von uns entfernte und gleichfalls als Gedenkstätte genutzte Lager in Osthofen. Grundsätzlich unterscheidet die neuere Forschung zwischen drei Typen von Konzentrationslagern: Während in den frühen Lagern wie in Neustadt noch niemand umgebracht wurde, lautet das Motto der Lager der zweiten Entwicklungsstufe (z. B. „Arbeitslager“ Buchenwald) „Vernichtung durch Arbeit“. Systematische Vernichtungslager wie jenes in Ausschwitz gab es erst ab dem Jahr 1940.

Der Fenstersprung von Hermann Zahn

In der Turenne-Kaserne wurden zwar keine Menschen getötet, wohl aber starkem psychischen Druck ausgesetzt, dem einige Häftlinge nicht standhalten konnten. Dokumentiert ist die Geschichte von Hermann Zahm, der nach erfolgter Misshandlung durch die Nazis in seiner Verzweiflung aus dem Fenster sprang und schwerstbehindert überlebte. Der Grund für seine Inhaftierung hängt vermutlich indirekt mit dem Besuch Adolf Hitlers in Neustadt im Jahr 1932 zusammen, als der künftige „Führer“ vor 50.000 Bürgern im Stadion sprach. Bei der Abschlussveranstaltung im Saalbau soll Zahm als politisch Verdächtiger angeblich in einem Tumult zwischen Nazis und der KPD verwickelt gewesen sein.

Joseph Bürckel, der "rote" Nazi

Gauhauptstadt Neustadt: Wie kein anderer Nazi hat der in der Villa Böhm, dem heutigen Stadtmuseum residierende Gauleiter Joseph Bürckel Neustadt zur pfälzischen Zentrale nationalsozialistischer Macht und Willkürherrschaft gemacht, in dem er nach und nach alle wichtigen Ämter nach Neustadt geholt hat. Bürckel zählte zu den sogenannten „roten“ Nazis, die das Image pflegten, vor allem soziale Interessen zum Wohle der Bevölkerung zu vertreten. Man könnte ihn als eine Art Dr. Jekyll und Mr. Hyde in einer Person bezeichnen. „Sein sorgsam gepflegter Habitus als treusorgender Familienvater und bürgernaher, jovialer Politiker täuschte darüber hinweg, dass sich dahinter ein fanatischer Antisemit versteckte, einer, der kein Erbarmen kannte und das Gau Saar-Pfalz als ersten Gau in Deutschland als judenfrei vermeldete“, so Dittus.

Folterung politischer Gefangener

Bezüglich der Behandlung von Gefangenen ging es in den Kellerräumen der Gestapo-Zentrale in der heutigen Konrad-Adenauer-Straße (früher Joseph-Bürckel-Straße) brutaler als in der Turenne-Kaserne zu, die bei der Bevölkerung den Eindruck eines menschenwürdig geführten „Arbeitsdienstlagers“ erwecken sollte. Politische Gefangene aus der ganzen Pfalz waren dort erbarmungslosen Verhören und Folterungen ausgesetzt. Augenzeugen berichten von lauten Schreien, die bis auf die Straße zu hören waren. „Das Geheimnis der Versöhnung ist die Erinnerung“: Auch dieser Ort einstiger Grausamkeit soll wie das ehemalige Konzentrationslager in der Turenne-Kaserne zum außerschulischen Lernort werden, hofft Dittus.

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Autor:

Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße

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