Aus dem Schultagebuch von Karl Meißner (Teil 10)
Erinnerungen an die West- und Ostschule

Schuljahrgang 1951/52, 6. Klasse, Ostschule mit Klassenlehrer Herr Scharfenberger Fotoarchiv: Horst Schmidt
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Von Markus Pacher

Neustadt.In seinem Schultagebuch erinnert sich mein Großvater Karl Meißner an seine Zeit als Lehrer an der West- und Ostschule. Nach dem Kriegsende unterrichte er zunächst bis zum Sommer 1949 an der Schillerschule in Haßloch, bevor er an seinen Wohnort versetzt wurde. In loser Folge möchten wir die Aufzeichnungen von Karl Meißner unseren Leserinnen und Lesern zugänglich machen. Sie bilden ein interessantes Dokument zum Unterrichtssystem im Nachkriegsdeutschland.

Ich erinnere mich noch gut eines Schulbesuchs, den mir Schulrat Sauerheber eines Nachmittags in der Ostschule abstattet. Irgendwie habe ich schon Tage und Wochen vorher das Gefühl, dass ich wieder an der Reihe bin. Warum sollte ich mich für den Fall nicht ein wenig vorsehen? Wo gibt es im Lehrplan einen Stoff und ein Thema, aus dem sich etwas machen lässt? Nach einigen Überlegungen entschließe ich mich für Erdkunde mit der Einheit: Eine Fahrt nach Helgoland. Meine Erwägungen: Es ist eine leicht zu überschauende Landschaft, sie ist den Kindern schon vom Hörensagen bekannt, ich besitze Karten- und Bildmaterial dazu und schließlich habe ich vor Jahren mit meiner Frau eine Fahrt dahin unternommen. Ich spare mir das Thema für den bewussten Tag auf. Er darf sich nur nicht zu lange hinausschieben, damit ich nicht mit meinem Erdkundestoff in eine entferntere Gegend gerate.
Es ist auch zu überlegen, wie ich den übrigen Unterricht damit verbinden kann. Den einer der methodischen Leitsätze gebietet, dass sich der Unterricht in konzentrischen Kreisen zu bewegen hat, das heißt in unserem Fall, das behandelte Rechnen und die Kunsterziehung vertieft werden.
Meine Ahnung hat nicht getrogen. Eines Nachmittags, ich habe den Saal kaum betreten, erscheint Herr Sauerheber. Auf seine Frage, was ich mir für heute vorgenommen habe, erkläre ich: „Wir behandeln gerade das Norddeutsche Tiefland und da ist jetzt die Insel Helgoland an der Reihe.“ Ob Erdkunde oder sonst ein Fach auf dem Stundenplan steht, kümmert ihn nicht. Ein starres Festhalten daran, weil es früher üblich war, ist aus psychologischen Gründen längst überholt. Ich kündige die Stunde mit den Worten an: „Wir wollen heute eine Fahrt auf die Insel Helgoland machen.“ Und fahre fort: „Ich sehe, ihr freut euch darauf.“ Einer lächelt etwas ungläubig. Schüler: „Der meint vielleicht, wir würden richtig fahren“. „Ja, das wäre natürlich schön, aber dazu müssten wir schon etwas mehr vorbereiten. Ich war vor Jahren mit meiner Frau einmal dort. Heute wollen wir die Fahrt wieder machen und ihr dürft alle mitfahren.“ Übermütig füge ich hinzu: „Na, wollen wir den Herrn Schulrat auch mitnehmen?“
Also gut! Der Bann ist gebrochen, das Interesse erregt. „Wer hat denn schon etwas von der Insel gehört oder gelesen?“ Einiges ist bekannt: Es ist eine kleine Insel. Sie liegt in der Nordsee. Man kann mit dem Schiff hinkommen, aber zuerst müssen wir mit dem Zug oder dem Auto fahren. Mein Onkel war einmal dort. Er erzählte, die Zigaretten und die Schokolade seien da so billig. Haken wir hier einmal ein: „Warum so billig? Weiß jemand den Grund? Ich will es euch sagen: An der Grenze von jedem Land wird Zoll erhoben. Das ist eine Art Steuer für Waren, die aus dem Ausland kommen. Es muss sein, damit zum Beispiel die Schokolade aus deutschen Fabriken nicht teurer wird als die ausländische.“

Fortsetzung folgt

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Autor:

Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße

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