Aus dem Schultagebuch von Karl Meißner (Teil 7)
Erinnerungen an die Westschule Neustadt

Das Lehrerkollegium der Westschule im Jahre 1966.  Foto: Archiv Markus Pacher
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Von Markus Pacher

Neustadt.In seinem Schultagebuch erinnert sich mein Großvater Karl Meißner an seine Zeit als Lehrer an der West- und Ostschule. Nach dem Kriegsende unterrichte er zunächst bis zum Sommer 1949 an der Schillerschule in Haßloch, bevor er an seinen Wohnort versetzt wurde. In loser Folge möchten wir die Aufzeichnungen von Karl Meißner unseren Leserinnen und Lesern zugänglich machen. Sie bilden ein wichtiges Dokument zum Unterrichtssystem im Nachkriegsdeutschland.

Ich werde den Abschluss dieses Jahrgangs am Ende des Schuljahres nicht vergessen. Die Buben haben selbstständig eine Feier organisiert mit Vorträgen von Liedern, Gedichten und kleinen Szenen. Einer, es ist wieder Frank, hält eine gelungene Ansprache, die mich mit ihren kindlichen Worten mehr rührt als manche Rede von Erwachsenen.
In den nächsten Jahren plage ich mich mit fünften und sechsten Klassen ab. Leider sind diese Jahrgänge zum Teil schon begabungsmäßig ausgelaugt. Die Stadt mit ihren bessern Bildungsmöglichkeiten verleitet die Eltern dazu, ihre Kinder auf eine höhere Schule zu schicken. bis sich in den Restklassen neue Spitzen herausbilden, bedarf es längerer Zeit.
Nicht nur das Begabungsproblem erschwert die Arbeit. In diesen Jahrgängen sitzen Kinder aus allen Bevölkerungsschichten. Besonders die aus asozialen Familien stammenden machen uns zu schaffen. Zum Glück sind sie nur schwach vertreten. Aber einmal habe ich in einer Klasse gleich drei von ihnen. Ich muss sie ständig im Auge behalten; sonst bringen sie mir durch ihre Unruhe und den Unfug, den sie anstellen, die ganze Klasse durcheinander.
Von einem Gaunerstückchen sei hier erzählt. Die Schule plant mit ihren Oberklassen eine Reise an den Rhein bei Bingen. Die Fahrtkosten betragen einschließlich Schifffahrt nach Koblenz 6 DM. Jeder Klassenlehrer sammelt in den vorausgehenden Tagen das Geld ein. An einem Morgen ruft ein Junge weinend: „Mein Geld ist weg!“ Man darf solchen Aussagen nicht ohne weiteres trauen. Oft spielt den Kindern die Phantasie einen Streich. Darum stelle ich zunächst einige Fragen: Wo er das Geld aufbewahrt, ober er es vielleicht in dem Ranzen oder in die Tasche gesteckt und wer es gesehen habe. Wir durchsuchen gemeinsam die Sachen und die Kleidungsstücke. Es scheint wirklich gestohlen zu sein. Die Untersuchung muss sofort erfolgen, ehe die Kinder den Schulsaal verlassen. Alle müssen sich von ihren Plätzen erheben und jeder erhält den Auftrag, die Kleidung und Bücher seines Nebenmannes zu durchsuchen. Ich selbst stelle mich in der Nähe der Tatverdächtigen auf, um sie zu beobachten. Einer von ihnen sitzt nur eine Bank weit hinter dem Bestohlenen. Als sein Nachbar gerade die Kleider abtasten will, zieht er ein Brustbeutelchen hervor und sagt: „Das ist mein Geld. Ich habe es vergessen, vorhin abzugeben.“ „Nun, legen wir es einmal da auf den Tisch“, erkläre ich. „Ich werde nachprüfen, ob es stimmt, was du sagst. Wer weiß, wo er wohnt?“ Es melden sich mehrere Jungen. Zwei von ihnen schicke ich fort in das Elternhaus. Sie kommen nach einiger Zeit und berichten, dass ihm die Mutter kein Geld gegeben hat. Zum Glück, muss ich leider sagen, begehen die drei Bürschlein bald darauf einen Ladendiebstahl. Damit sind die Gründe gegeben, sie in ein Erziehungsheim unterzubringen. Für mich bedeutet es ein Entlastung, als habe ich nur noch die halbe Klasse zu unterrichten.

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Autor:

Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße

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