Interview der Woche
Im Gespräch mit Chorleiter Hartmut Hetterich

Hartmut Hetterich | Foto: Markus Pacher

Neustadt.Als musikalischer Tausendsassa hat Hartmut Hetterich die Chorlandschaft in Neustadt jahrzehntelang entscheidend mitgeprägt, schwang unter anderem 23 Jahre lang mit großem Erfolg den Taktstock beim Gesangverein 1867/1902 Neustadt. Am 15. März begeht er seinen 80. Geburtstag. Bis zum heutigen Tag erfreut sich der Vollblutmusiker bester Gesundheit und erinnert ich gerne an seine Dirigentenzeit und den damit verbundenen wunderbaren Erlebnissen. Wir sprachen mit ihm über seine bewegte Vergangenheit und sein unermüdliches, von großer Leidenschaft geprägtes ehrenamtliches Engagement.

Von Markus Pacher

??? Herr Hetterich, Sie haben erst im Alter von 38 Jahren begonnen, den Taktstock zu schwingen. Wie kam es dazu?
Hartmut Hetterich: 1980 wurde ich durch Zufall Chorleiter beim Gesangverein Diedesfeld, nachdem dessen Vorgänger nicht mehr zur Verfügung stand. Meine erste Probesingstunde stieß auf großen Zuspruch und man war sich einig, in mir einen neuen Chorleiter gefunden zu haben. Über das Chormitglied Albert „Bertl“ Seitz entstand der Kontakt zum Gesangverein 1867/1902 Neustadt. Bertl bat mich, den Chor, der damals um seine Existenz rang, für das bevorstehende Jubiläumskonzert singfähig zu machen. 1982 übernahm ich den Chor und leitete ihn 23 Jahre lang bis 2005 als Dirigent und von 1984 bis 2003 (19 Jahre) als 1. Vorsitzender. In den folgenden Jahren übernahm ich weitere Chöre wie den Volkschor Edenkoben, den Männerchor Neidenfels, den Winzergesangverein Rhodt und den Frauenkirchenchor Wattenheim. Zeitweise leitete ich bis zu drei Chöre und zwei Chöre als 1. Vorsitzender gleichzeitig.

??? Wie sind Sie überhaupt zur Musik gekommen?
Hartmut Hetterich: Musik wurde in meinem Elternhaus seit jeher gepflegt. So erhielt ich bereits im Alter von fünf Jahren Klavierunterricht bei der vor allem wegen ihre Beethoven-Interpretationen bekannten Pianistin Auguste Rinck, die in der Nachbarschaft wohnte. In unserem Elternhaus war Klavier Tradition, jedes weitere Instrument war willkommen - Ziehharmonika, Mundharmonika, Akkordeon, Geige. Ich wollte außerdem unbedingt Tenorhorn, mein absolutes Lieblingsinstrument, lernen, aber unsere Kinderärztin riet uns in den Hungerjahren der Nachkriegszeit mit Verweis auf möglicherweise auftretende Lungenprobleme davon ab.

??? Und wann begannen Sie, sich für den Chorgesang zu interessieren?
Hartmut Hetterich: Mein damaliger Musiklehrer am späteren Leibniz-Gymnasium, dem mein musikalisches Talent auffiel, fragte mich, ob ich nicht in seinem Chor singen und im Orchester mitspielen wolle. Der Chorgesang hat mir von Anfang an großen Spaß gemacht. Beim Nachholen des Abiturs in Speyer hatte ich wieder das Glück, einen Musiklehrer zu finden, welcher mich im Schulchor und im Kammerchor förderte. Außerdem lud er mich zum kostenlosen Orgelunterricht ein, ein Angebot, das ich gerne wahrnahm. Im Rahmen meiner Ausbildung am Kirchenmusikalischen Institut übte ich mich zur Vorbereitung auf die C-Prüfung im Orgelspiel, Dirigieren und Liedsatz. Zur C-Prüfung kam es dann allerdings nicht, da ich mich damit verpflichten sollte, regelmäßige Orgeldienste zu übernehmen. Mit Rücksicht auf meine Familiengründung verzichtete ich lieber darauf. Während meines Studiums an der Pädagogischen Hochschule Kaiserslautern sang ich im Studentenchor und Kammerchor und nahm an zahlreichen Konzerten in der Fruchthalle teil.

??? Erzählen Sie uns etwas über ihre Leidenschaft als Chordirigent.
Hartmut Hetterich: Neben meinem Lehrerberuf galt meine ganze Liebe dem Chorgesang. Dabei habe ich mich ganz auf den A-capella-Gesang konzentriert, das heißt, sowohl beim Einstudieren als auch bei den Konzerten hatte ich nur selten instrumentale Begleitung genutzt, außer wenn dies, wie zum Beispiel bei der Deutschen Messe von Schubert, unvermeidbar war. Das hatte den Vorteil, bei Auftritten, die manchmal ganz spontan zum Beispiel im Verlauf von Chorreisen erfolgten, eine größtmögliche Flexibilität zu gewährleisten. Da viele meiner Chormitglieder keine Noten lesen konnten, sang ich immer jede Stimme solange einzeln vor und mit, bis jeder sein Part beherrschte. Und wenn irgendwo Not „am Mann“ war, sprich Tenor oder Bass zu dünn besetzt war, sprang ich zur Verstärkung ein. Leider machten vor zehn Jahren meine Stimmbänder nicht mehr mit, weshalb ich meine Dirigententätigkeit aufgab.

??? An welche musikalischen Ereignisse erinnern Sie sich besonders gerne?
Hartmut Hetterich: Das sind zum einen meine 17 Sängerfahrten in Deutschland von der Nordsee bis zu den Alpen, nach Österreich, Südtirol und vor allem nach England mit täglichem Singen in einer Kathedrale. Und natürlich herausragende Konzerte wie die große Schubertiade zu unserem 130-jährigen Bestehen auf dem Hambacher Schloss unter Mitwirkung zahlreicher Gastchöre im Jahre 1997. Gerne erinnere mich auch an das große Open-Air-Konzert auf dem freien Platz in der Wallgasse zugunsten der Schubert-Schule. Ach ja, und noch an ein besonders schönes Erlebnis vor dem Dom zu Gurk/Österreich, als wir das gerade heraustretende Hochzeitspaar mit einem spontanen Ständchen überraschten und mit unserem Stück „Oh Herr, welch ein Morgen“ nicht nur der Braut Tränen der Rührung entlockten. Das Singen in der See-Grotte bei Wien, der Marienglashütte in Thüringen, sowie auf dem Pasterze-Gletscher auf dem Großglockner, auf den Booten im Spreewald, in Kapellen und Domen, Schlössern und Burgen sind unvergesslich.

??? Welches Repertoire stand bei ihren Chorauftritten im Mittelpunkt?
Hartmut Hetterich: Vor allem natürlich Volks-, Wein- und Seemannslieder, Melodien aus Operette, Musical, Schlager und natürlich Kirchenlieder. In England waren dortige Titel selbstverständlich, in Kärnten natürlich im dortigen Dialekt. Teilweise habe ich die Sätze neu arrangiert und zum Beispiel die Kunstlied-Fassung zu „Das Wandern ist des Müllers Lust“ von Schubert für vierstimmigen Chor gesetzt, ein Arrangement, das es bis dato noch nicht gab und das hinterher verlegt wurde. Ansonsten habe ich viel transponiert, das heißt vor allem die Stimmen tiefer gesetzt, damit kritische Register wie Tenor und Sopran sauber und schön klangen.

??? Konnten Sie bei Ihrem zeitaufwändigen ehrenamtlichen Engagement auf ihre Familie zählen oder führte das nicht manchmal zu Konflikten?
Hartmut Hetterich: Meine Frau Elisabeth zeigte immer viel Verständnis für meine Leidenschaft. Da sie sich selbst sehr stark in der Kirche engagierte und zahlreiche Kirchenämter bekleidete, war das Singen in meinen Chören nicht auch noch möglich. Meine musikalischen Aktivitäten hat sie sehr unterstützt, aber zu keiner Zeit in meinen Chören mitgesungen. Meine beiden Töchter Anke und Christel sind musikalisch sehr interessiert, aber vertraten immer den Standpunkt: „Nein, Papa, was du da machst, geht für unseren Geschmack weit über das Ziel hinaus!“

??? Lieber Herr Hetterich, der Stadtanzeiger wünscht ihnen alles Gute zum Geburtstag, eine wunderschöne Feier im Kreise ihrer Lieben und weiterhin gute Gesundheit und Freude an der Musik.

Vita

Hartmut Hetterich erblickte am 15. März 1942 im Krankenhaus Hetzelstift Neustadt das Licht der Welt. Nach seiner Verpflichtung als Zeitsoldat bei der Bundeswehr im Panzergrenadierbataillon 53 in Fritzlar, dem Abitur in Speyer und den Studienjahren an der Pädagogischen Hochschule Kaiserslautern wirkte der Grund- und Hauptschullehrer kurz an der Ernst-Reuter-Hauptschule in Haßloch und danach, bis zu seinem Ruhestand, an der Förderschule Schubert-Schule Neustadt. Anfang der 80er-Jahre begann seine Dirigentenkarriere als Chorleiter in Neustadt und der Region. So leitete er 23 Jahre lang den Gesangverein 1857/1902 Neustadt, der unter seiner Ära eine Blütezeit erlebte. Zahlreiche Auszeichnungen begleiteten seinen beruflichen und ehrenamtlichen Werdegang, darunter 1985 das Ehrenkreuz der Bundeswehr, 1992 die Ehrennadel des Landes Rheinland-Pfalz, und die Medaille für erwiesenen Bürgersinn, 2003 die Goldene Ehrennadel der Stadt Neustadt, 1992 die Goldene Ehrennadel des Gesangverein Neustadt und 2005 die Ehrennadel für 25 Jahre Chorleitung des Deutschen Sängerbundes. Hartmut Hetterich ist auch als Poet hervorgetreten. Seine sehr persönlich gereimte Begrüßung anlässlich des Festaktes zum 125-jährigen Jubiläum des Gesangverein Neustadt auf dem Hambacher Schloss gefiel vor allem der Schirmherrin Dr. Hanna-Renate Laurin, Präsidentin des Abgeordnetenhauses zu Berlin, wie sich Hartmut Hetterich schmunzelnd erinnert.

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Autor:

Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße

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