Interview: Organist Gero Kaleschke und die Steinmeyer-Orgel in Neustadt
Säuberung der Steinmeyer-Orgel
Neustadt. Seit fast siebzig Jahren verrichtet der in Speyer wohnhafte Organist und ehemalige Mathematik- und Physiklehrer Gero Kaleschke seinen Dienst an der Orgel, die meiste Zeit davon in Neustadt an der Martin-Luther-Kirche. Nebenbei ist bis zum heutigen Tag sein Rat als Orgelsachverständiger der Evangelischen Landeskirche gefragt. Anlässlich der großen Säuberungsaktion der Steinmeyer-Orgel trafen wir ihn im Zuge einer Fotosafari zufällig an seinem Wirkungsort an und plauderten mit ihm über seine langjährige Beziehung zur Königin der Instrumente.
??? Lieber Herr Kaleschke, wie lange wirken Sie nun schon als Organist an der Martin-Luther-Kirche?
Gero Kaleschke: Seit 1966, also im Jahr der Einweihung der Steinmeyer-Orgel, verrichte ich meinen Dienst an diesem wundervollen Instrument, der mit 3281 Pfeifen, 44 Registern und drei Manualen drittgrößten Orgel der evangelischen Landeskirche.
??? Hauptberuflich unterrichteten sie als Gymnasiallehrer die Fächer Mathematik und Physik in Speyer. Wie sind sie an die Orgel geraten?
Gero Kaleschke: Im Alter von sechs Jahren erhielt ich meinen ersten Klavierunterricht. Meine Feuertaufe als Organist erfolgte 1954 als 14-Jähriger bei einem Erntedankgottesdienst. Mittlerweile verrichte ich also seit fast siebzig Jahren meinen Dienst an der Orgel. Als direkter Nachfolger von Walter Strauch, dem ehemaligen Organisten an der Martin-Luther-Kirche, der die Früchte seiner Bemühungen um den Bau einer neuen Orgel leider nicht mehr ernten konnte, wurde ich von Anfang an als Hauptorganist eingesetzt. Daneben engagiere ich mich seit 1975 als Orgelsachverständiger der Pfälzischen Landeskirche.
??? Was schätzen Sie besonders an der Steinmeyer-Orgel?
Gero Kaleschke: Bei der Steinmeyer-Orgel handelt es sich um eine opulente Orgel, die nicht laut ist, aber über sehr viele Klangfarben verfügt. Ich kann damit vollständige Klanggemälde anfertigen. Der damalige Landeskirchenmusikdirektor Heinz Markus Göttsche bezeichnete unsere Orgel als ein vorbildliches Beispiel gegenwärtiger Orgelbaukunst, als ein Instrument, das den wichtigsten Anforderungen des liturgischen und konzertanten Orgelspiels voll gewachsen ist und zu den besten Instrumenten des pfälzischen Raumes gerechnet werden muss.
??? Und dennoch stellten sich in den Folgejahren Unzufriedenheiten ein.
Gero Kaleschke: Ja, richtig. Meiner anfänglichen Begeisterung über die Möglichkeiten der Steinmeyer-Orgel folgte eine gewisse Ernüchterung. Zunächst ließ sie mein Herz höherschlagen, aber schließlich stellten sich gewisse Eigenheiten wie die fehlende Kopplung der Nebenmanuale, das Fehlen einer melodieführenden Pedalzunge und kaum sinnvoll nutzbare Mixturen heraus, die trotz der Größe und Reichhaltigkeit des Instruments den ansonsten positiven Gesamteindruck trübten.
??? Wie gingen sie bis zur Restaurierung und Erweiterung im Jahre 1997 mit diesem Problem um?
Gero Kaleschke: Mit der Zeit lernt man, mit mancherlei Tricks gewisse Klippen zu umschiffen. Und so gelang es immerhin, Werke der Romantik, etwa von Felix Mendelssohn oder César Franck, klanglich einigermaßen zufriedenstellend zu spielen, obgleich der Aufwand für Klangfarbenwechsel zur Schwerstarbeit für den Registranten wurde.
??? Mit ihrem unermüdlichen Engagement konnten die Schwachstellen dann schließlich behoben werden.
Gero Kaleschke: Ja, nachdem 1993 die ersten größeren Schäden an der Orgel unüberhörbar wurden, informierten wir das Presbyterium über die Sanierungsbedürftigkeit der Orgel. Mit der Sanierung ging dann eine Erweiterung einher. Unter anderem wurden die bis dato nutzlos im Pfarrkeller gelagerten erhaltenswerten Pfeifen der Orgel der Alten Winzinger Kirche, die ich eigenhändig abgebaut hatte, mit meiner Unterstützung in das neue Werk integriert. Summa summarum konnte so die Klangfarbenpalette mit einem vertretbaren Aufwand flexibler gestaltet werden.
??? Eine abschließende Frage: Welche Auswirkungen hat die aktuelle Reinigungsaktion auf den Klang der Steinmeyer-Orgel?
Gero Kaleschke: Wenn der Staub erst einmal weg ist, klingt die Orgel ganz anders. Je kleiner die Pfeifen, desto größer ist der Dämpfungseffekt. Und auch das Material verändert ich im Laufe der Jahre mikroskopisch und man muss dann die Pfeifen nachintonieren.
Lieber Herr Kaleschke, ich bin überaus glücklich, Sie ganz zufällig bei meiner Fotoreportage in der Martin-Luther-Kirche getroffen und kennengelernt zu haben und bedanke mich für das außerordentlich interessante Gespräch mit Ihnen. mp
Autor:Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße |
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