Karl Helfferich in „Vom Untergang“
Roman beleuchtet Weimarer Republik

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Es war eine Zeit, in der man nicht gerne leben möchte. Vor 100 Jahren driftete die Gesellschaft auseinander, eine aufgeheizte Atmosphäre, die von verschiedenen Seiten angeheizt wurde. Der erfolgreiche Münchener Autor Oswald Spengler, dessen Werk „Der Untergang des Abendlandes“ damals Furore machte, schmiedete Pläne, die Presse für rechtskonservative Positionen zu vereinnahmen. Militante Gruppen der rechten Szene beeinflussten mit Gewalt die Geschicke der jungen und instabilen Weimarer Republik und verübten Mordanschläge. Schließlich finanzierten Industrielle Bewegungen, die ihnen weniger gefährlich erschienen als die der Arbeiterklasse. Dies alles beleuchtet der Roman „Vom Untergang“ von Leonhard F. Seidl. Was zunächst wie eine bayerische Heimatfilm-Idylle wirkt, kippt schnell in eine brisante Stimmung. Der Roman spielt vor allem in Fürth, wo ein übler Plan von einer Sekretärin aufgedeckt wird. Sie ist Tochter des Anarchosyndikalisten Fritz Oerter und steht in Beziehung zum Sozialdemokraten Max Schmidtill. Der Plan fliegt auf und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Die Protagonisten sind teils historische Personen, die in die damaligen Wirren geraten und zwischen den Lagern hin- und hergerissen sind. Sie bleiben nicht schadlos, denn es gab nicht nur die bekannten Mordopfer der rechtsnationalen Kreise wie Walther Rathenau, Matthias Erzberger und Philipp Scheidemann. Dass auch die ermittelnden Behörden sowie die Gewerkschaften damals ein Teil des Problems waren, wird in der vielschichtigen Story deutlich.
Dem Fürther Kulturpreisträger von 2022 Leonhard F. Seidl gelingt es, die Stimmung der Weimarer Republik gut einzufangen. Dass er mit einem Zitat von Oswald Spengler einsteigt, das vom „Pressefeldzug“ als „Krieg mit anderen Mitteln“ spricht, erinnert unweigerlich an heutige manipulative Beeinflussungsversuche der Medien. Gleichzeitig wird deutlich, wie dem Nationalsozialismus, der damals in den Kinderschuhen stand, der Weg bereitet wurde, denn der Roman endet kurz vor dem Hitlerputsch im November 1923. Das Buch enthält viele Originaldokumente: Briefe, Reichstagsprotokolle oder Zeitungsmeldungen. Kriminalromanlesern kann dadurch der Lesefluss gestört werden, jedoch für das Erfassen der damaligen Milieus sind sie wichtig. So erhalten wir ein Sittenbild der Welt der Arbeiter und des rechtskonservativen Bürgertums jener Tage. Eine Rolle spielt dabei auch ein Pfälzer, nämlich der Neustadter Karl Helfferich, nach dem heute noch eine Straße benannt ist. Eine seiner Reichstagsreden ist im Buch abgedruckt, die ihn als Hetzredner und Protagonisten gegen das demokratische Deutschland entlarvt. Kein Wunder also, dass die Nationalsozialisten den 1924 verstorbenen Helfferich 1933 als Wegbereiter ihrer Sache mit dem Neustadter Straßennamen ehrten.

Lesezeichen: Leonhard F. Seidl: Vom Untergang, Edition Nautilus, Hamburg 2022, 243 Seiten, 18,00 Euro ISBN/EAN: 978-3- 960542841

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Autor:

Michael Landgraf aus Neustadt/Weinstraße

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