Schultagebuch Karl Meißner: West- und Ostschule Neustadt in den Fünzigern (Teil 11)

Klasse 4 Westschule Neustadt mit Lehrer Karl Meißner | Foto: Archiv Markus Pacher
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Schultagebuch Karl Meißner, Teil 10

Fortsetzung von Teil 10

Neustadt. In seinem Schultagebuch erinnert sich mein Großvater Karl Meißner an seine Zeit als Lehrer an der West- und Ostschule. Nach dem Kriegsende unterrichte er zunächst bis zum Sommer 1949 an der Schillerschule in Haßloch, bevor er an seinen Wohnort versetzt wurde. In loser Folge möchten wir die Aufzeichnungen von Karl Meißner unseren Leserinnen und Lesern zugänglich machen. Sie bilden ein interessantes Dokument zum Unterrichtssystem im Nachkriegsdeutschland.

Von Markus Pacher

Zur Erinnerung: Westschule Neustadt, Mitte der 50er Jahre, Thema des Unterrichts ist die Insel Helgoland. Mein Großvater erklärt seinen Schülern im Frage-Antwort-Spiel zunächst, warum der Zoll notwendig ist. Das Ganze dauert vier Stunden und findet im Rahmen einer Visitation im Beisein des Schulrats statt.

„Was wäre die Folge? [Anm. der Red.: Auf die Frage „Was geschähe, wenn es keinen Zoll gäbe?“] Ihr könnt es euch denken.“ „Die deutschen Waren würde niemand mehr kaufen.“ "Ja, so ist es. Die Helgoländer wollten sie die Deutschen gerne haben. Die Helgoländer leben außerhalb der deutschen Zollgrenze. Es ist ein Vorrecht der Inselbewohner." „Und nun dürft ihr fragen, was ihre sonst noch alles wissen möchtet über die Insel. Unser Gast, der Herr Schulrat, darf sich auch beteiligen.“ „Ich möchte gerne wissen, wieviel Menschen dort leben.“ „Was arbeiten sie? Womit verdienen sie ihr Geld?“ „Gibt es auch Bauern dort?“ „Und Fabriken?“ „Wird die Insel nicht überschwemmt, wenn eine Sturmflut kommt?“ „Wie lange dauert die Überfahrt?“ „Kann man auch mit einem Boot hinkommen?“ „Warum wird die Insel von so vielen Fremden besuchen?“ „Warum liegt die Insel außerhalb der deutschen Zollgrenze?“ Der Herr Schulrat meldet sich. „Vielleicht kann ich es euch sagen. Euer Lehrer weiß bestimmt auch davon. Die kleine Insel gehörte einmal den Engländern. Das ist schon lange her. Weil sie viel näher bei Deutschland liegt. Nach langen Verhandlungen waren die Engländer bereit, sie gegen eine größere Insel auszutauschen. Davon werdet ihr in der Geschichte noch hören. Die deutsche Regierung wolle den Bewohnern mit der Zollfreiheit vermutlich ein Geschenk machen.“
„Wir danken dem Herrn Schulrat für seine Erklärung. Ehe wir nun unsere Fahrt beginnen, wollen wir die Karte einmal anschauen. Sie kann uns sicher einige unserer Fragen beantworten.“ „Ja, sie sagt uns etwas über die Entfernung der Insel von der Küste. Wir sehen auch wie groß sie ist im Vergleich zu anderen. Wir finden die Hafenstädte, von denen wir ins Schiff steigen können: Die blaue Farbe rings um Helgoland zeigt uns, wie tief das Meer hier ist.“ […]
„So, und nun geht es los. Wir wollen wie meine Frau und ich damals in Bremen das Schiff besteigen. Es ist Juni. Am Abend begeben wir uns zum Hafen. Unser Schiff steht schon bereit. Um acht Uhr werden die Taue am Kai gelöst. […]"
Nach vier Stunden ist die Visitation beendet. In dem später folgendem Bericht werden mir lobenswerte Erziehungs- und Unterrichtserfolge bestätigt. Ich zweifle, ob es möglich ist, in verhältnismäßig kurzer Zeit, so tiefe Einblicke in den Leistungsstand einer Schule zu gewinnen.
Ich habe das Thema „Einfahrt zur Insel Helgoland“ darum so ausführlich dargestellt, um auf den Hintergrund dieser Unterrichtseinheit die neuen modernen Methoden besser verstehen zu können. Eines wird jetzt schon zu erkennen sein. Im Gegensatz zu dem Lehrbeispiel Wärmeleitung, das ich nach dem Schema der formalen Stufen vorgeführt habe, weicht der methodische Gang beim Thema "Helgoland" deutlich ab. Die Apperzeption, das heißt die Verknüpfung mit dem Gedankengut der Schüler, setzt überall dort ein, wo es für den Fortgang des Verständnissen notwendig ist. Die Kinder dürfen und sollen jederzeit durch eigne Mitteilungen das Gehörte ergänzen oder bei Unklarheiten Fragen stellen. Dazu muss ihnen der Lehrer Gelegenheiten geben, in dem er die Ursachen gewisser Erscheinungen nicht selbst bietet, sondern die Schüler darüber nachdenken lässt.

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Autor:

Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße

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