Interview der Woche
Stadtsheriff Jürgen Brenner

Jürgen Brenner.   | Foto: Markus Pacher

Von Markus Pacher

Neustadt.  Er verfügt in Neustadt über einen Kultstatus und gehört zur Stadt wie die Stiftskirche und der Elwedritschebrunnen. Jeder kennt und schätzt ihn. Seit 25 Jahren sorgt Stadtsheriff Jürgen Brenner für Ordnung in der Innenstadt. Mit seiner humorvollen, menschlich-herzlichen, dabei gleichzeitig respektgebietenden Ausstrahlung hat er sich große Achtung bei den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt erworben. Wir sprachen mit ihm über seinen Job, über Anfangshürden und über seine Leidenschaft für seinen Beruf und seine Heimatstadt.

??? Herr Brenner, wie sind Sie an Ihren Job geraten?
Jürgen Brenner: Damals, vor 27 Jahren, hatte ich meine Chance genutzt und nach dem goldenen Strohhalm gegriffen. Über meine Vergangenheit will ich jetzt nicht viel sagen, außer, dass ich eine schwierige Kindheit hatte und mich in meiner Jugend im sozialen Brennpunkt im Osten der Stadt als Streetfighter behaupten musste. Vor meiner Wandlung war ich als Rebell und wilder Bursche stadtbekannt. Mein Gesinnungswechsel habe ich Russlanddeutschen zu verdanken, die auf mich aufmerksam geworden sind und mich fragten, ob ich nicht mal Interesse hätte, in die Martin-Luther-Kirche zu kommen. Dort habe ich dann regelmäßig am Gottesdienst und den Bibelstunden teilgenommen. Das hat mir sehr gut getan, weil die Leute sehr herzlich waren und mich in ihre Familie aufnahmen. Mein Glaube gibt mir bis zum heutigen Tag viel Kraft. Später sind wir auf die Hambacher Höhe gezogen. Zu meinen Nachbarn zählte der frühere Lehrer und Landtagsabgeordnete Benno Zech. Er wusste, dass ich keinen Beruf gelernt hatte und sorgte dafür, dass ich im Hambacher Schwimmbad als Ordnungshüter eingesetzt wurde. Dort gab es unter anderem Probleme mit randalierenden Jugendlichen. Und schließlich geschah in meinem Leben etwas ganz Wunderbares, sozusagen wie Weihnachten und Ostern gleichzeitig: Der damalige Oberbürgermeister Dr. Jürgen Weiler fragte mich auf Empfehlung von Benno Zech, ob ich das Amt des Stadtsheriffs übernehmen wolle.

??? Stadtsheriff? Das kennt man ja eher aus Wild-West-Filmen.
Jürgen Brenner: Ja, das gab es meines Wissens damals im ganzen Land noch nicht. Ich glaube, ich war der erste Sheriff, der in Deutschland eingestellt wurde. Andere Gemeinden nahmen sich das Neustadter Modell zum Vorbild und zogen nach. Große Städte wie München stellten gleich 30 Beamte als Sheriff ein, ähnliches geschah in unseren umliegenden Großstädten wie Mannheim, Ludwigshafen und Kaiserslautern.

??? Warum hatte sich damals Herr Weiler, bekannt als strenger Amtsrichter, ausgerechnet für Sie entschieden?
Jürgen Brenner: Er suchte nach einem Mann, der sich im Showgeschäft und im speziellen Milieu gut auskannte. Nach Durchsicht meiner Akte war er davon überzeugt, dass ich der richtige Mann sei und sprach zu mir: „Ich setze mein ganzes Vertrauen in dich. Du kannst schalten und walten wie du willst, nur musst du ich an die Gesetze halten“. Unvergesslich bleibt für mich ein erster Artikel in der Rheinpfalz, der mich in Uniform auf dem Marktplatz zeigt und mit folgenden Worten überschrieben war: „Der Stadtsheriff sorgt für Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung. Seine Waffe ist das Wort!“

??? Gerieten Sie in den letzten 25 Jahren auch mal in gefährliche Situationen?
Jürgen Brenner: Besonders gut erinnere ich mich an einen Anruf zu Beginn meiner Amtszeit. Man bat mich, zum Marktplatz zu kommen. Da trieb eine mit Baseballschlägern bewaffnete alkoholisierte Gruppe ihr Unwesen. Ich wurde also sozusagen in die Höhle des Löwen geschickt. Irgendwie hatte die Bande Respekt vor mir und zog Leine. Oft kam mir der Zufall zu Hilfe. Wie zum Beispiel bei einem bewaffneten Raubüberfall in ein Blumengeschäft in der Hauptstraße. Ganz zufällig lief ich dort vorbei, sehe jemand mit der Waffe vor der Kasse fuchtelnd, in der anderen Hand eine Schachtel mit Drähten, die wie eine Bombenattrappe aussah. Als ich mit meiner Uniform vor ihm stand, war er so geschockt, dass er sofort flüchtete. Ich nahm die Verfolgung auf und alarmierte gleich die Polizei, bis er im Zuge einer Ringfahndung schließlich dingfest gemacht werden konnte.

??? Empfinden Sie in solchen Situationen keine Angst?
Jürgen Brenner: Das liegt nicht in meiner Natur. Muss wohl mit meiner schweren Kindheit zusammenhängen. Ich habe mich schon früh durchkämpfen müssen.

??? Gab es auch besonders schöne Ereignisse?
Jürgen Brenner: Aber ja, zum Beispiel eine Rettungsaktion, die ich in einer Milliarde Jahre nie vergessen werde. Ich war damals privat unterwegs, laufe über den Strohmarkt und sehe jemand am Gehwegrand auf dem Boden sitzen. Es war eine alte Frau, über 80 Jahre. Und es war saukalt. Sie zitterte am ganzen Leib. Keiner hat ihr geholfen, aufzustehen. Alle liefen achtlos an ihr vorbei. Ich habe ihr auf die Beine geholfen, sie gefragt, wo sie hingehöre und eine junge Frau gebeten, sie ins GDA-Wohnstift zu bringen. Ich bin dann noch mitgefahren und habe sie an der Pforte abgeliefert. Sie hat vor Dankbarkeit geweint.

??? Sie sind im Laufe der Jahre zu einer wichtigen Institution in Neustadt geworden und vermitteln vielen Leuten das Gefühl von Sicherheit. War das von Anfang an so?
Jürgen Brenner: Ich liebe diese Stadt. Neustadt ist meine Stadt und mein Job meine Berufung. Anfangs war ich mir unsicher, ob ich das packe, da ja viele meine problematische Vergangenheit und meine rebellische Jugend kannten. Und da gab es nicht wenige Leute, die gegen mich schossen und intrigierten. Es hat dann mindestens zwei Jahre gedauert, bis ich die letzten Zweifler vom Gegenteil überzeugen und mich durchsetzen konnte. Schnell habe ich gemerkt, dass ich mit meiner Hilfsbereitschaft und meinen lockeren Sprüchen gut bei der Bevölkerung ankomme. Das hat mich beflügelt.

??? Lieber Herr Brenner, ich danke Ihnen für das interessante Gespräch und ihre Offenheit!
Jürgen Brenner: Der Dank ist ganz auf meiner Seite. Und denken Sie immer daran: Wenn’s brennt, bitte den Brenner rufen! pac

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Autor:

Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße

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