Tagung zu Judentum in Neustadt
Wir wünschen uns Normalität
Jüdisches Leben und die aktuell rasant steigenden Zahlen antisemitischer Übergriffe in Deutschland waren die Themen der vom 4. bis 6. Mai 2022 in Neustadt an der Weinstraße und in Speyer tagenden Arbeitsgemeinschaft Pädagogischer Institute der Evangelischen Kirchen in Deutschland für die Sekundarstufe I. Eingeladen hatte der Sprecher der Gruppe, Michael Landgraf, der das Religionspädagogische Zentrum Neustadt der Pfälzischen Landeskirche und seit 20 Jahren den Bundesarbeitskreis leitet. „Als wir vor rund zwei Jahren das Thema festgelegt hatten, dachten wir eher an das Thema UNESCO-Weltkulturerbe der SCHUM-Städte Speyer, Worms und Mainz“, erläutert Landgraf. „Doch aktuelle Verschwörungstheorien, die durch die Pandemie einen großen Aufwind erhalten haben, transportieren auch antisemitische Aussagen. Dies hat eine Neuausrichtung der Tagung notwendig gemacht.“
Neben dem Besuch des Judenhofs in Speyer stand daher ein Austausch mit der jüdischen Kultusgemeinde Rheinpfalz und deren Geschäftsführerin Marina Nikiforova in der Speyerer Synagoge sowie mit dem ersten Landesbeauftragten für Jüdisches Leben und Antisemitismusfragen in Deutschland, Dieter Burgard, auf dem Programm. Dieser hatte auch in einer Statistik den dramatischen Anstieg von 30 % antisemitischer Straftaten innerhalb eines Jahres auf Bundesebene bestätigt. Diskutiert wurde dabei aber auch ein latenter Antisemitismus, der nicht nur im neonazistischen Lager vorhanden sei. Auch in der linken Szene, unter Muslimen sowie unter Querdenkern mache sich, wie die aktuelle Diskussion um Xavier Naidoo zeige, das Gedankengut breit. Die Pädagogen tauschten sich über Unterrichtsmaterial sowie über Methoden aus, wie man dem Antisemitismus entgegenwirken kann, aber auch, wie jüdisches Leben heute in Deutschland ohne Klischees zu bedienen, vermittelt wird. Impulse gaben auch Thomas Niederberger vom Amt für Religionsunterricht in Speyer, Stefan Meißner vom Arbeitskreis Juden-Christen Pfalz sowie Hochschulrabbiner Shaul Friberg aus Heidelberg. Dieser stellte das Problem von Juden, die heute in Deutschland leben, eindrucksvoll aus persönlicher Sicht dar. Sein Fazit: „Wir wollen nicht nur aus historischer Perspektive oder aus einem Schuldkomplex heraus wahrgenommen werden, und natürlich erst recht nicht ein Ziel von Verschwörungstheorien sein, wie es sie seit dem Mittelalter gibt. Wir wünschen uns einfach nur Normalität.“
Autor:Michael Landgraf aus Neustadt/Weinstraße |
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