Dritte Willkomm-Kundgebung zur Situation von Wirtschaft und Kultur
Kritik und Hoffnung in der Corona-Pandemie

„Wo bleibt unsere Perspektive?“, fragt Katja Eifler die Vertreter von Politik und Verwaltung. Auf der inzwischen dritten Kundgebung der Willkomm Gemeinschaft zur Situation von Handel, Gastronomie und Kultur berichtete die Inhaberin eines Neustadter Reisebüros am Montag von den existenzbedrohenden Folgen der lock-downs in der Corona-Pandemie. Etwa sechzig Zuhörer waren der Einladung der Willkomm gefolgt, sich auf dem Neustadter Marktplatz zu informieren. Vertreter von Einzelhandel, Dienstleistung, Gastronomie und Kultur berichteten von ihren Erfahrungen mit der Krise und forderten von den anwesenden Politikern rasche Unterstützung und Perspektiven zur Wiedereröffnung.

„Ich bezweifle sehr stark, dass insbesondere der Facheinzelhandel ein Treiber der Pandemie gewesen ist“, sagt Markus Schmitt, Modeunternehmer in Neustadt. Man habe es in diesen Geschäften nicht mit Menschenansammlungen zu tun, sondern mit gezielten einzelnen Beratungsgesprächen unter Einhaltung von Hygiene- und Abstandsmaßnahmen, so Schmitt. Man habe nach der ersten Welle versäumt, zu untersuchen „woher denn die Infektionen kamen und warum sich in manchen Gegenden das Virus so schnell verbreitete, während in anderen Gegenden dies überschaubar war“, kritisierte Schmitt. Gleichzeitig habe man es nicht für nötig erachtet, bei den Lebensmittelketten durch eine Sortimentsbeschränkung für weniger Andrang zu sorgen und stattdessen eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten des Fachhandels in Kauf genommen.
Auch Gereon Haumann, Präsident der DEHOGA Rheinland-Pfalz, kritisierte die Folgen der Schließungen. „Die Gastronomie ist nicht Treiber der Pandemie, das hat man an den Zahlen gesehen“, sagte Haumann. Mit dem Frühling wollten die Menschen wieder vor die Tür, da sei es besser, die Cafes zu öffnen, in denen eine Kontaktverfolgung möglich sei, anstatt wildes Picknicken zu provozieren. „Die Insidenzwerte sind unter 50, Rheinland-Pfalz ist beim Impfen ganz vorne. Alle Werte stehen auf grün“, so der Vertreter der Gastronomie und Hotelerie. Er fordert eine schrittweise Lockerung. Unverzüglich solle die Außengastronomie unter Auflagen möglich sein, die Hotels sollten dann zu Ostern öffnen dürfen.

Für die Kulturschaffenden sprachen sich Pascal Bender und Wolfgang Glass vom Stadtverband für Kultur aus. „Die Künstler und die ehrenamtlichen Vereine sind in finanziellen Nöten und die Unterstützung ist ein Tropfen auf den heißen Stein“, berichtete Bender. Es gehe aber nicht alleine um die Existenz von Künstlern, Kultur sei auch „ein wichtiger sozialer Kit“. „Kultur ist gut für die Seele und darf nicht vergessen werden“, betonte auch Glass. Mit den Konzerten und Ausstellungen sind in der Pandemie auch nahezu alle kulturellen Veranstaltungen abgesagt worden. Kulturveranstalter Rainer Klundt machte deutlich, welche Ausmaße die Einschränkungen der Kultur bedeuteten: „In der Eventbranche arbeiten 1,2 Millionen Menschen, da ist es nicht zu verstehen, dass die Branche nicht systemrelevant ist“, so Klundt. Starke Kritik übte er an der mangelnden Entschädigung für die Kulturschaffenden. Während es in anderen Bundesländern einen Unternehmerlohn gebe, fehle es in Rheinland-Pfalz an einer fairen Unterstützung. Klundt rief dazu auf, nun die Wiederbelebung der Kultur nach der Krise zu unterstützen. Hier sei auch die Stadt Neustadt gefordert.

Die Stadtverwaltung Neustadt erarbeite Maßnahmen zur Unterstützung der Innenstadt, antwortete Oberbürgermeister Marc Weigel auf de Forderungen. Hierzu gehörten der Erlass von Abgaben in diesem Jahr, kostenloses Samstagsparken im Klemmhof und Fahrradabstellmöglichkeiten im Rathausinnenhof. Außerdem wünsche er sich von der Landesregierung mehr Flexibilität bei der Umsetzung von verkaufsoffenen Sonntagen. Auch bei der Frage der Regelungen zu möglichen erneuten Schließungen des Einzelhandels müsse flexibel reagiert werden. Es könne nicht sein, dass alles wieder schließen müsse, nur weil sich zwei Großfamilien angesteckt hätten, so Weigel. Unverständnis äußerte Weigel über eine Initiative des Landes, den Oberzentren im Land finanzielle Unterstützung für die Innenstädte zukommen zu lassen und die Mittelzentren wie Neustadt hierbei noch nicht zu berücksichtigen.

Über die Maßnahmen des Landes und ihre Vorschläge zu diesen Maßnahmen informierten die Landtagsabgeordneten Dirk Herber (CDU) und Giorgina Kazungu-Haß (SPD). Bundestagsabgeordneter Johannes Steiniger betonte, mit einer zunehmenden Zahl von Impfungen in Risikogruppen, könnte eine vorsichtige Öffnungsstrategie und damit eine zunehmende Zukunftsperspektive für die lokale Wirtschaft nachhaltig erreicht werden.
Die Wiedereröffnung und Wiederbelebung sprach auch der Vorsitzende der Willkomm, Winfried Walther, an. Er rief alle Betroffenen, die Politik und die Verwaltung dazu auf, mit der Willkomm zu einem „Runden Tisch“ zusammen zu kommen, um rasch geeignete Maßnahmen und Aktionen für eine Wiederbelebung der Stadt zu planen.

Bild: Gereon Haumann, DEHOGA, bei seiner Ansprache

Autor:

Andreas Böhringer aus Neustadt/Weinstraße

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