Flucht aus Ukraine nach PS
Hilferuf aus der Heimat: „Anna, wir haben Krieg“

Nach fünftägiger Flucht von Kiew nach Pirmasens sind Olga (links), ihre Tochter Violetta und Schäferhund „Terra“ bei ihrer Freundin Anna, die in Maßweiler wohnt, gelandet.  Foto: Kling-Kimmle
2Bilder
  • Nach fünftägiger Flucht von Kiew nach Pirmasens sind Olga (links), ihre Tochter Violetta und Schäferhund „Terra“ bei ihrer Freundin Anna, die in Maßweiler wohnt, gelandet. Foto: Kling-Kimmle
  • hochgeladen von Andrea Kling

von andrea katharina kling-kimmle

Pirmasens. „Anna, wir haben Krieg“. Mit diesen Worten hatte sich die 42-jährige Olga aus Kiew bei ihrer Freundin in Maßweiler gemeldet. Die gebürtige Ukrainerin, die seit 1999 im Raum Pirmasens lebt, reagierte sofort: „Komm mit deiner Tochter, dann sehen wir weiter“. Nach fünftägiger Flucht über Warschau, Berlin und Frankfurt sind Olga, Violetta (15) und Schäferhündin „Terra“ völlig erschöpft in der Südwestpfalz angekommen. Zurück blieben Mann und Sohn, die mit vielen anderen Männern ihr Heimatland gegen die Kampftruppen des russischen Aggressors verteidigen wollen.

Eigentlich sei der Angriff Wladimir Putins nicht überraschend gekommen, meinen Anna und Olga: „Als er die Krim annektiert hatte, ahnten wir schon damals, dass er weitermachen wird“. Das sei zwar in der westlichen Welt nicht ernst genommen worden. Doch der russische Machthaber sei ein furchtloser Stratege, der es verstehe, Menschen zu manipulieren. Er habe die Aktion akribisch geplant und mit den Truppen aus Tschetschenien willige Kämpfer im Einsatz: „Die kennen kein Pardon“, erklärt Anna.
Die Versicherungskauffrau, die ein Büro in der Winzler Straße betreibt, ist zunächst froh, dass Freundin, Tochter und Hund bei ihr in Sicherheit sind. Jetzt bangt sie, dass weitere Bekannte, die sich ebenfalls auf den Weg gemacht haben, heil bei ihr ankommen. Denn die Situation in der Ukraine spitzt sich immer mehr zu. Zerbombte Häuser, Menschen, die tagelang in feuchten Kellerräumen Unterschlupf suchen, leere Regale in Lebensmittelläden, weder Strom noch Wasser, geschlossene Tankstellen und ständige Bombardierung – den Frauen blutet das Herz, wenn sie an ihre zerstörte Heimat denken. Ständig leben sie in der Angst um die Männer, die ihr Land und die Menschen beschützen wollen: „Mein Bruder und mein Neffe sind an der Front und kämpfen. Doch niemand weiß, wie es ihnen geht“, sagt Anna im Gespräch mit Wochenblatt-Redakteurin Andrea Kling-Kimmle. Die Menschen in der Ukraine sind weitgehend von seriösen Nachrichtenkanälen abgeschnitten. Sie wagen es kaum, sich in sozialen Medien zu bewegen oder aktuelle Infos an ihre Angehörigen im Ausland zu schicken. „Es werden viele Lügen verbreitet“. Zudem wolle man verhindern, dass irgendwelche Details in falsche Hände geraten. Deshalb sei der Kontakt stark eingeschränkt. So muss Olga manchmal vier bis fünf Stunden warten, bis Mann und Sohn antworten: „Wir haben einfach Angst, dass unsere Kommunikation zurück verfolgt wird“. Trotzdem sei der Zusammenhalt im Verwandten- und Freundeskreis das Wichtigste. „Wir sind stolz, dass wir Ukrainer sind“, betonen beide Frauen.
Um ihrer Freundin und deren Tochter erstmal über die Runden zu helfen, hat Anna bei ihren Freunden und Bekannten eine Sammelaktion durchgeführt. Neben Bekleidung kamen auch Handtücher und Bettwäsche zusammen. Die 15-jährige Violetta, die gemeinsam mit der Mama Privatunterricht in Deutsch bei einem Bekannten nimmt, probiere derzeit voller Vergnügen die neuen Shirts und Hosen an. Mit dabei auch Annas Tochter Susanna: „Sie haben großen Spaß“. Olga meint, es sei ein Glück gewesen, dass sie schon am zweiten Kriegstag flüchten konnten: „Da hat sie von dem ganzen Elend noch nicht so viel mitbekommen, so dass ihr die Situation nicht wirklich bewusst ist“.
Die Flucht sei sehr beschwerlich und äußerst belastend gewesen, aber ihre einzige Rettung. Denn als die Bombeneinschläge immer näher kamen, die Angriffe immer größere Ausmaße annahmen, hätten Mann und Sohn als letzten Ausweg die drei „Damen“ über Umwege von Kiew an die Grenze zu Polen gebracht. Hier sei es zu diesem Zeitpunkt noch relativ ruhig gewesen, erzählt die gelernte Uhrmacherin. Im Nachbarland angekommen, habe man sich sehr um Olga, Violetta und insbesondere „Terra“ gekümmert, ihnen Essen und Trinken gebracht und den Hund mit „Leckerlis“ verwöhnt. Teams der freiwilligen Feuerwehr brachten die Flüchtlinge nach Warschau, wo sie mit dem Zug nach Berlin fuhren. Am Bahnhof wurden sie von Annas Bekannte in Empfang genommen, die sie mit kostenlosen Tickets für den ICE nach Frankfurt versorgten. Hier nahm Anna, die zuvor alle behördlichen Auflagen der Integrationsbeauftragten in Berlin geregelt hatte, die völlig erschöpften und erkälteten Flüchtlinge samt Vierbeiner in Empfang. „Erst nach 24 Stunden Schlaf fühlten sie sich etwas besser“, berichtet die 42-jährige, die sich sehr um die Freundin aus Kinderzeiten, Tochter und Hund sorgt.
Wie es weitergeht, wissen die Frauen noch nicht. Fakt ist, dass sie 90 Tage als Gäste bei Anna bleiben können. „Wir müssen Schritt für Schritt planen“. Olga, die in Kiew mit einer kleinen Boutique für Uhren und Dessous selbstständig war, will sich auf alle Fälle einen Job suchen. „Wir Ukrainer sind ein fleißiges Volk, wir wollen arbeiten“, betont Anna, die in ihrem Pirmasenser Büro stets ein offenes Ohr für ausländische Mitbürger hat, denen Behördengänge meist sehr schwer fallen. Die 42-jährige spricht russisch, ukrainisch und deutsch und kennt sich mit Behörden aus. Zwar hatte sie in ihrer Heimat ein BWL-Studium absolviert, doch das wurde in Deutschland nicht anerkannt, deshalb machte sie eine zweijährige Ausbildung zur Versicherungskauffrau. Seit sie als Au-pair-Mädchen 1999 nach Pirmasens kam, lebt sie hier. Zur Familie gehören Mann und zwei erwachsenen Kindern, eine Tochter und ein Sohn. Doch der Kontakt in die Heimat riss nie ab und Olga hat sie schon des Öfteren in der Südwestpfalz besucht. „Aber meine Wurzeln sind nach wie vor in der Ukraine“, beteuert Anna. ak

Ratgeber
Jahresrückblick 2024: Emotion pur bei den FCK-Fans, die das Pokalfinale in Berlin unvergesslich gemacht haben | Foto: Harald Brunn
5 Bilder

Jahresrückblick: So ereignisreich und turbulent war das Jahr 2024

Jahresrückblick. Wenn sich das laufende Jahr dem Ende nähert, dann blicken wir gerne zurück auf das, was war. Persönlich, politisch, regional, global: Was hat uns im Jahr 2024 Freude gemacht, bewegt, schockiert? Welche Fotos bleiben uns im Gedächtnis, welche Aktionen und Momente waren auch für die Menschen in der Region rund um die Pfalz, Mannheim und Karlsruhe in diesem Jahr prägend? Blicken Sie mit uns zurück auf die letzten Monate: Januar 2024: Rückblick Januar 2024: Bauernproteste, extremes...

Lokales
Was weißt du noch von 2024? Teste dein Wissen im Quiz mit zwölf Fragen über die Ereignisse des Jahres in der Pfalz – von den größten Highlights bis zu den kleinen, aber spannenden Überraschungen. | Foto: Erstellt von OpenAI’s DALL·E/Katharina Wirth

Weißt du noch, was 2024 alles passiert ist? Mach das Wochenblatt-Quiz!

Quiz.  Das Jahr 2024 hatte es in sich – auch in unserer Region. Große Ereignisse, kleine Kuriositäten und so manche Überraschung: Aber wie viel davon ist wirklich in deinem Gedächtnis hängen geblieben? Mit unserem Quiz kannst du dein Wissen testen – oder zumindest mit einem Augenzwinkern herausfinden, ob du das Jahr vielleicht komplett verschlafen hast. Von den spannendsten Faschingsumzügen über politische Schlagzeilen bis hin zu sportlichen Highlights: In 12 Fragen nehmen wir dich mit auf eine...

Lokales
so kurios, lustig und bizarr war 2024  | Foto: Heike Schwitalla

Lachen, Staunen, Kopfschütteln: der kuriose Jahresrückblick auf 2024

Jahresrückblick 2024. Manchmal ist das Leben absurder, als es jede Satire sein könnte, lustiger als jede Komödie. Während große Schlagzeilen oft die ernsten Momente des Jahres einfangen, gibt es dazwischen immer wieder die kuriosen, witzigen und völlig unerwarteten, skurrilen und überdrehten Geschichten, die uns zum Lachen oder Staunen bringen. Ob rebellische Tiere, skurrile Zwischenfälle oder geniale Missgeschicke – 2024 hatte alles zu bieten. In diesem Rückblick werfen wir einen humorvollen...

Nach fünftägiger Flucht von Kiew nach Pirmasens sind Olga (links), ihre Tochter Violetta und Schäferhund „Terra“ bei ihrer Freundin Anna, die in Maßweiler wohnt, gelandet.  Foto: Kling-Kimmle
„Nicht ohne meinen Hund“: Bei ihrer Flucht von Kiew nach Pirmasens wollte Olga (links) ihre „Terra“ nicht zurücklassen. Bei ihrer Freundin Anna (rechts) hat sie mit Tochter und Hund eine vorübergehende Heimat gefunden.  Foto: Kling-Kimmle
Autor:

Andrea Kling aus Pirmasens

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

10 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Wirtschaft & HandelAnzeige
Ihre IT-Security ist bei OrgaMAXX in besten Händen. Um ein Höchstmaß an IT-Sicherheit zu gewährleisten und vor Cyberangriffen zu schützen, wird sichergestellt, dass die Systeme und Prozesse bei den Kunden einem permanenten Monitoring unterliegen | Foto: Orgamaxx/gratis
4 Bilder

IT-Security: Sicherheit durch OrgaMAXX - Partner für maßgeschneiderte IT-Lösungen

IT-Security im Raum Kaiserslautern / Mannheim / Ludwigshafen. In jedem Unternehmen werden täglich riesige Mengen sensibler Daten erfasst und verarbeitet, darunter Kundeninformationen, Umsatzzahlen, Mitarbeiterdaten und Betriebsgeheimnisse. Eine der unmittelbarsten Auswirkungen durch Cyberangriffe ist der Verlust oder Diebstahl von Daten. Persönliche Daten, finanzielle Informationen oder Geschäftsgeheimnisse können in den Händen von Cyberkriminellen verheerende Auswirkungen haben. Sie können ein...

RatgeberAnzeige
Palliativstation Landstuhl: Die Palliativmedizin stellt den individuellen Menschen mit all seinen Bedürfnissen ins Zentrum. Dabei geht es in der Einrichtung nicht nur um die medizinische Versorgung, sondern auch um die seelische Begleitung der Patientinnen und Patienten.  | Foto: ake1150/stock.adobe.com
3 Bilder

Palliativstation Landstuhl: Einfühlsame Begleitung von Anfang an

Palliativstation Landstuhl. Im Palliativzentrum des Nardini Klinikums St- Johannis in Landstuhl steht der Mensch mit seinen individuellen Bedürfnissen und Ängsten im Mittelpunkt. Vor 20 Jahren begann die Arbeit des Teams, das damit eine Vorreiterrolle für die Palliativversorgung in der Region übernommen hat. Ziel ist es, mit einem ganzheitlichen Ansatz so viel Lebensqualität wie möglich zu erhalten und bis zuletzt ein würdevolles, erfülltes und selbstbestimmtes Leben zu gewährleisten....

Ausgehen & GenießenAnzeige
Mit einem Sinfoniekonzert, dirigiert von Michael Francis, startet das Konzertprogramm 2025 | Foto: Monika Klein
11 Bilder

Konzertprogramm der Stadt Kaiserslautern: Highlights im Januar 2025

Konzertprogramm Kaiserslautern Januar 2025. Ein breit gefächertes Programm von Klassik über Jazz bis hin zu Contemporary Folk Pop hat das Kulturamt der Stadt Kaiserslautern zum Jahresbeginn aufgelegt. Und auch für die Kleinsten ist in diesem Monat wieder einiges dabei. Sinfoniekonzert „Imagination“ in der Fruchthalle Am Freitag, 10. Januar 2025, lädt die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter der Leitung von Michael Francis zu einem besonderen Sinfoniekonzert ein. Solist des Abends...

Wirtschaft & HandelAnzeige
Photovoltaikanlage Ramstein-Miesenbach: Mit der Anschaffung von PV-Modulen auf dem Dach lassen sich Stromkosten stark reduzieren. So kann man sich durch Solarstrom unabhängig vom Strommarkt machen. | Foto: Daniel Neumüller
7 Bilder

Photovoltaik: Nachhaltig Strom sparen durch Solaranlage und Speicher

Photovoltaikanlage Ramstein-Miesenbach. Steigende Energiepreise und der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit: Erneuerbare Energie gewinnt immer mehr an Bedeutung. Eine Photovoltaikanlage auf dem eigenen Dach bietet Hausbesitzern die Möglichkeit, selbst Strom zu erzeugen. So lassen sich bis zu 80 Prozent der Stromkosten senken und man leistet gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Wer einen zuverlässigen Partner für Solarstrom im Raum Ramstein-Miesenbach sucht, findet mit dem Team von...

Wirtschaft & HandelAnzeige
Wohnmobil Kaiserslautern: Die Fachwerkstatt Kfz Graf übernimmt auch den Einbau eine Solaranlage oder einer Standheizung. | Foto: Kfz Graf
2 Bilder

Wohnmobil Kaiserslautern: Für die Reparatur zu Kfz Graf

Wohnmobil Kaiserslautern: Die Werkstatt Kfz Graf erledigt Reparatur und Wartung von Reisemobilen und Wohnwagen. Die Werkstatt Kfz- und Reisemobiltechnik Graf in Otterbach im Landkreis Kaiserslautern ist Profi fürs Reparieren und Warten von Autos, Nutzfahrzeugen bis 6 Tonnen, Wohnmobilen und Wohnanhängern. Inhaber Sascha Graf hat eine besondere Leidenschaft für Wohnmobile und Nutzfahrzeuge.  Wohnmobil Kaiserslautern: Reparatur und Wartung in der Werkstatt Kfz Graf Wohnmobil Reparatur: Besitzer...

Wirtschaft & HandelAnzeige
Projektleiterin Corina Kohlmann (Mitte) mit einigen der Teilnehmerinnen des Projektes „Starthilfe für Gründerinnen in Rheinland-Pfalz“: Oxana Merida (von links), Referentin Silke Steinbach, Katarzyna Gorzedowski, Michelle Schulte und Jessica Hill  | Foto: bic

Bic: Den Gründungs-Booster „Starthilfe für Frauen“ effektiv genutzt

Kaiserlautern. Mit der Abschlussveranstaltung am Samstag, 23. November 2024, ging das Projekt „Starthilfe kompakt & kompetent für Gründerinnen in Rheinland-Pfalz“ in der aktuellen Runde zu Ende. Das Projektteam um Corina Kohlmann und Maria Beck lud die Teilnehmerinnen zu einem entspannten Projektabschluss ins Business + Innovation Center Kaiserslautern (bic) ein. Seit dem Kick-off Ende August konnten die Projekteilnehmerinnen von vielen Workshops, Seminaren und Coachings profitieren, die für...

Online-Prospekte aus Pirmasens und Umgebung



add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.