Bahnstation jetzt barrierefrei – der Zug aber nicht
Steinwenden. Feierlich wurde kürzlich die Bahnstation im Steinwendener Ortsteil Obermohr neu eingeweiht. Der Grund: Sie ist jetzt barrierefrei. Für Rollstuhlfahrer Carsten Ratka aus Steinwenden ist das nur bedingt eine gute Nachricht, denn nicht alle Züge, die dort halten sind behindertengerecht. Für eine Fahrt, die für ihn im Alltag sehr wichtig ist, muss er nach wie vor auf den Behindertenbus ausweichen. Und das wohl noch mehr als zwei Jahre.
Von Cynthia Schröer
Mit der Haltestation in Obermohr ist nun die letzte Station auf der Strecke zwischen Landstuhl und Kusel barrierefrei, informierte Michael Heilmann, Direktor beim Zweckverband ÖPNV Rheinland-Pfalz. Die Bahnstrecke wurde 1868 als erste Strecke ins Nordpfälzer Bergland eröffnet. "Damals ging es um die Steinbrüche in Altenglan, also um Güterverkehr. Daher ihr Spitzname Steinbahn", ergänzte Dr. Klaus Vonhusen, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für Rheinland-Pfalz und Saarland.
Mittlerweile halten in Obermohr werktags 38 Züge im Stundentakt, im Schüler- und Berufsverkehr sogar alle halbe Stunde. Im Schnitt steigen in Obermohr täglich 108 Passagiere ein oder aus.
Seit März waren an der Haltestelle Bauarbeiter am werkeln. Das Ergebnis: Der 120 Meter lange Bahnsteig verfügt jetzt über ein spürbares Leitsystem am Boden. Das macht Blinden und Sehbehinderten die Orientierung einfacher. Außerdem ist der Bahnsteig jetzt 55 Zentimeter höher als die Schienenoberkante, also auf gleicher Höhe wie der Einstieg der Züge. So können Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, leichter in die Züge einsteigen. "Das ist vor allem für ältere Menschen mit Rollator, aber auch für Fahrgäste mit Rollstuhl, viel Gepäck oder Kinderwagen wichtig", betonte Ministerin Katrin Eder vom Ministerium für Umwelt und Mobilität bei der Einweihung.
So weit die Theorie. Die Praxis sieht jedoch anders aus, wie Rollstuhlfahrer Carsten Ratka erzählt. Seit die erste der beiden Bahnstationen in Steinwenden 2019 barrierefrei umgebaut wurde, nutze den Zug oft. Doch nicht alle Züge sind behindertengerecht. Um den Spalt zwischen Bahnsteinkante und Zug zu überbrücken, sind einige Modelle mit einer ausfahrbaren Rampe ausgestattet. Beim Großteil müsse aber der Zugführer selbst noch bei Bedarf eine mobile Rampe hinlegen, erläutert Heilmann vom Zweckverband.
Doch nicht alle Probleme sind so leicht zu beheben: Um morgens zur Arbeit zu kommen, muss Ratka noch immer mit dem Behindertenbus fahren, denn: "Die Tür im Zug, der auch Schüler um kurz nach sieben von Kusel nach Landstuhl bringt ist viel zu eng für meinen Rollstuhl, da komme ich gar nicht rein", moniert Ratka. Das sei nicht das einzige Hindernis: Im Zug müsste er direkt nach der Tür noch drei Treppenstufen überwinden. "Das wäre selbst mit Rampe viel zu steil", ärgert sich der 46-Jährige.
Bei dem besagten Zug im Schülerverkehr handle es sich um das Modell 628, informiert Heilmann vom Zweckverband. "Das ist ein noch ein Relikt aus den 90er-Jahren." Eigentlich sei dieses Modell nur als Verstärker- oder Ersatzfahrzeug vorgesehen. Planmäßig soll auf dieser Strecke ein behindertengerechter Triebwagen der Baureihe 643 eingesetzt werden, "das Relikt" ist dort dennoch regelmäßig unterwegs. Eine schnelle Lösung für das Problem gebe es nicht, aber: "Bis Dezember 2026 sollen alle Dieselzüge gegen elektrisch betriebene Akku-Züge ausgetauscht werden. Diese Modelle sind dann alle barrierefrei", macht Heilmann Hoffnung für Rollstuhlfahrer Ratka. Doch das gehe nicht von heute auf morgen, denn: "Die Fahrzeuge können erst nach und nach ausgemustert werden."
Zug wegen Verspätung keine Zeit für Praxistest
Auch der Praxistest erwies sich als schwierig. Ein Zug Richtung Kaiserslautern war zehn Minuten zu spät. Als Ratka dem Lokführer mitteilte, dass er kein Fahrgast sei, sondern nur den neuen barrierefreien Einstieg testen wolle, schloss der Lokführer schnurstracks die Einstiegstür und fuhr weiter. Schließlich geht der reguläre Fahrbetrieb vor. Auch der nächste Zug aus der entgegengesetzten Richtung trudelte mit zehn Minuten Verspätung ein. Zumindest ließ dieser Lokführer Ratka kurz für ein Foto mit seinem Rollstuhl an die automatisch ausfahrende Überbrückungshilfe fahren, bevor er seinen Weg nach Kusel fortsetzte.
Rund 2,3 Millionen Euro hat der barrierefreie Umbau der Bahnstation in Obermohr gekostet. 2,3 Millionen Euro hat der Bund übernommen, 80.000 Euro hat die Deutsche Bahn gezahlt. 27.000 Euro stammen vom Zweckverband. 18 Haltestellen seien nun im Landkreis Kaiserslautern barrierefrei, freute sich Landrat Ralf Leßmeister. Auch Ortsbürgermeister Ralf Guckenbiehl begrüßte die neue Barrierefreiheit am zweiten Bahnhaltepunkt in Steinwenden.
Autor:Cynthia Schröer aus Landstuhl |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.