Interview mit Jürgen Lesmeister
Straßenfastnacht: Brauchtum in Gefahr

Die Ramsteiner Straßenfastnacht findet statt, trotz vieler neuer Auflagen, die es den Vereinen schwer machen  Foto: Frank Schäfer
  • Die Ramsteiner Straßenfastnacht findet statt, trotz vieler neuer Auflagen, die es den Vereinen schwer machen Foto: Frank Schäfer
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Von Stephanie Walter

Ramstein-Miesenbach. Können sich Vereine einen Faschingsumzug überhaupt noch leisten? Diese Frage steht derzeit im Raum. Das Wochenblatt hat mit Jürgen Lesmeister, dem Präsident der Ramsteiner Bruchkatzen und der Vereinigung Badisch-Pfälzischer Karnevalvereine, darüber gesprochen, wie die aktuellen Vorgaben den großen Westricher Fastnachtsumzug am 21. Februar beeinflusst haben.

???: Welche Verordnungen sind es genau, die die Organisation eines Faschingsumzugs derzeit so schwierig gestalten?

Lesmeister: Das Problem, das sich für uns und für viele Vereine derzeit ergibt, sind die Auflagen im Bereich des Sicherheitskonzeptes. 2021 wurde das Polizei- und Ordnungsbehördengesetz ergänzt, in diesem Jahr sind die Umzüge wegen Corona allerdings ausgefallen. Die erhöhten Sicherheitsauflagen und die damit einhergehenden Kosten kommen also erst jetzt so richtig bei den Vereinen an, und diese müssen die Kosten am Ende selbst tragen. Die gute Nachricht: der Westricher Fastnachtsumzug wird trotzdem stattfinden.

???: Können Sie näher ausführen, wie sich die Vorgaben im Bereich der Sicherheit geändert haben?

Lesmeister: Beispielsweise reicht es nicht länger aus, die Zufahrtsstraßen und -wege mit Pkws abzusperren, hier wird nun eine professionelle Lösung verlangt. Wir haben in Ramstein-Miesenbach das Glück, dass die Stadt kürzlich 50 Indutainer angeschafft hat, die uns für die Sicherung des Umzuges zur Verfügung gestellt werden. Diese haben insgesamt 16.000 Euro gekostet und sind so stabil, dass sie sogar einen LKW aufhalten können. Hätte unser Verein eine solche Investition tätigen müssen, hätten wir uns den Umzug definitiv nicht leisten können. Außerdem müssen nun auch professionelle Sicherheitskräfte den Umzug absichern, was nicht zu finanzieren ist. Hier hoffen wir noch immer, dass wir diese Vorgabe mit eigenen Leuten erfüllen können. Diese haben auch in den vergangenen Jahren für Sicherheit gesorgt.

???: Diese Planung klingt nach einer großen Herausforderung.

Lesmeister: Das stimmt. Das Sicherheitskonzept ist einfach unglaublich komplex und die Erstellung belastet den Verein sehr. So müssen wir unter anderem auch alle Eventualitäten berücksichtigen. Dabei müssen wir darlegen, welche Sicherheitsmaßnahmen in Ausnahmesituationen greifen, wenn zum Beispiel ein Fahrzeug in den Umzug fährt oder Schüsse fallen sollten. Drei Vereinsmitglieder sind hier seit Wochen damit beschäftigt, das Konzept auszuarbeiten und das ehrenamtlich neben ihrem Beruf.

???: Das Sicherheitskonzept ist also immer noch in der Planung?

Lesmeister: Ja, die Genehmigung ist noch nicht erfolgt, wir gehen aber davon aus, dass wir die Vorgaben umsetzen können. Die Sicherheit des Umzuges war für uns schon vorher essenziell wichtig und wir konnten sie auch stets gewährleisten, da uns die Polizei und das Ordnungsamt immer zur Seite stehen. Natürlich habe ich auch Verständnis dafür, dass sich die Auflagen verschärft haben, da es in den letzten Jahren in Deutschland immer wieder zu Zwischenfällen gekommen ist. Trotzdem kann es nicht sein, dass ein ehrenamtlicher Verein am Ende alleine für die Kosten verantwortlich sein soll.

???: Das klingt, als würde man die Vereine mit all den neuen Vorgaben und Kosten komplett alleine lassen.

Lesmeister: Ich muss hier betonen, dass wir das ganz große Glück haben, dass wir von Seiten der Verbandsgemeinde und der Stadt so großartig unterstützt werden, bei der Veranstaltung selbst, aber auch bei der Finanzierung. Dieses Glück haben aber nicht alle Vereine.
Die Kosten für den Umzug belaufen sich auf Beträge zwischen 10.000 und 20.000 Euro. Mit den Musikgruppen, den Einsatzkräften, der Auswurfware und dem Sicherheitskonzept kommt hier eine Summe auf, die nicht jeder Verein stemmen kann. Zwar können wir einen Teil der Kosten durch Sponsoren und den Verkauf unserer Umzugsplaketten decken, die in diesem Jahr für 2,50 Euro verkauft werden, das reicht aber nicht aus.

???: Ganz ehrlich: Stand der Westricher Fastnachtsumzug dieses Jahr auf der Kippe?

Lesmeister: Ja, im vergangenen Herbst haben wir eine Absage definitiv in Erwägung gezogen. Der Umzug ist aber einfach ein Aushängeschild für die Region und so haben wir gemeinsam mit Bürgermeister Ralf Hechler und dem VG-Beigeordneten Marcus Klein entschieden, dass wir die Veranstaltung durchziehen wollen. Alleine hätten wir das aber als Veranstalter nicht realisieren können.

???: Wird sich die Gestaltung des Umzuges durch die neuen Vorgaben verändern?

Lesmeister: Die Umzugsstrecke wird gleich bleiben, aber es kann gut sein, dass wir nicht so viele Motivwagen dabei haben. Die Absicherung der Wagen ist so aufwendig, dass man sehr viel Personal dafür vorhalten muss. Das schafft der Verein kaum, auch aufgrund von Engpässen, die durch die Corona-Pandemie entstanden sind. Daher wird es wahrscheinlich in diesem Jahr auch keinen Wagen der Elferräte geben, da diese an anderer Stelle für die Begleitung von Fahrzeugen gebraucht werden. Noch läuft die Anmeldephase und es ist immer so, dass viele Teilnehmer recht spät zusagen, daher kann ich aktuell noch nicht abschätzen, ob wir weniger Anmeldungen haben, als in den vergangenen Jahren.

???: Welche Unterstützung würden Sie sich für die Vereine wünschen?

Lesmeister: Hilfe wurde zwar in Aussicht gestellt, aber eben keine finanzielle. Uns wäre schon geholfen, wenn das Land oder die Kommunen einen Teil der zusätzlichen Kosten übernehmen würde. Es darf nicht sein, dass alles am Verein hängen bleibt, wenn etwas bei der Organisation nicht zu 100 Prozent erfüllt werden kann. Die Vereinsmitglieder sind alle ehrenamtlich für unser Brauchtum im Einsatz, es wäre gut, wenn die Kommunen und die Ordnungsbehörde diesen Umstand sehen würden. Es ist wichtig, dass man sich immer wieder zusammensetzt, mit allen Behörden Kompromisse schließt und an einem Strang zieht. Das ist die große Hoffnung, denn es sieht nicht überall so gut aus, wie bei uns.

???: Sehen Sie das Brauchtum der Straßenfastnacht künftig in Gefahr?

Lesmeister: Leider ja. Die Straßenfastnacht ist Tradition und in unserer Region stark ausgeprägt. Die Vorgaben könnten aber dafür sorgen, dass sich das Gesicht der Fastnacht in Zukunft ändert. Die Straßenfastnacht und damit ein Teil des ganzen Brauchtums ist in Gefahr und wir brauchen dringend Hilfe von kommunaler und staatlicher Seite, damit dieser Entwicklung entgegengewirkt werden kann.

???: Wie kann die Bevölkerung Ihren Verein jetzt unterstützen?

Lesmeister: Ganz einfach: Kommt alle zum Umzug nach Ramstein, nicht nur als Besucher, sondern auch als Teilnehmer. Wir freuen uns nicht nur über Teilnehmer aus den Faschingsvereinen, sondern auch über alle Gruppen, die Teil der Veranstaltung sein wollen. Auch, wenn weniger Motivwagen dabei sind, kann der Umzug mit vielen bunten Fußgruppen richtig schön werden.

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Autor:

Stephanie Walter aus Wochenblatt Kaiserslautern

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