Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus am Rathaus in Rockenhausen
„Eine Mahnung, wozu Menschen fähig sind“
Rockenhausen. Am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz und dem offiziellen Gedenktag für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, fand am Rathaus in Rockenhausen eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus in der Nordpfalz statt. Die Stadt Rockenhausen, die Protestantische Kirchengemeinde, die Integrierte Gesamtschule sowie der Arbeitskreis „Aktiv gegen Rechts“ im Donnersbergkreis hatten hierzu eingeladen. Selina Bauer, Lena Schäffler, Viviane Reiser und Kristina Müller von der IGS Rockenhausen erinnerten in berührenden Lesebeiträgen an das Leiden und Sterben von Millionen Deutschen jüdischen Glaubens während der NS-Zeit. Frau und Herr Christiansen umrahmten die Gedenkfeier an der Gedenktafel im Hof des Rathauses musikalisch.
Etwa 70 Besucherinnen und Besucher aus Rockenhausen und Umgebung ließen es sich nicht nehmen, trotz des kalten Regenwetters an der Veranstaltung teilzunehmen und der zahlreichen Opfer zu gedenken, wie es auch Stadtbürgermeister Karl-Heinz Seebald in seiner Rede tat. Er warnte vor dem Vergessen und einer Wiederholung dieses düsteren Kapitels der deutschen Geschichte. „Heute muten die Ereignisse in jener Zeit der Naziherrschaft geradezu surrealistisch und unwirklich an, aber es gibt sie wieder in Deutschland, die Nationalisten und Rassisten, die antisemitische Parolen verkünden und eine Partei, die damit auf Stimmenfang geht. Bei meinem Besuch in Gurs stand ich auch am Grab von Heinrich Dreyfuß aus Rockenhausen, der bereits kurz nach seiner Deportation im Jahre 1940 gestorben ist und der die fürchterlichen Verhältnisse im Lager Gurs nicht lange überlebt hat, so wie 1000 andere auch, die dort auf diesem Friedhof begraben wurden. Nur wenige konnten aus dieser „Vorhölle“ flüchten und auch nur dann, wenn sie Hilfe von außen bekamen. Die meisten wurden schließlich nach Auschwitz in Polen verfrachtet und dort umgebracht. Mehr als sechs Millionen jüdische Menschen wurden in der Zeit der Naziherrschaft ermordet und dann spricht der Fraktionsvorsitzende der AFD im Deutschen Bundestag von dieser Zeit als einem Vogelschiss der Geschichte. Aber die Tatsache, dass solche Leute gewählt werden muss uns deutlich machen, dass die Gefahr jederzeit besteht, dass derartiges wieder geschieht. Uns dagegen sollte diese Zeit eine Mahnung sein und uns immer wieder daran erinnern, wozu Menschen fähig sind,“ sagte der Stadtbürgermeister und bedankte sich anschließend noch besonders bei den Veranstaltern der Gedenkfeier sowie den Besucherinnen und Besuchern, die auch in diesem Jahr wieder zahlreich zu der bewegenden Gedenkveranstaltung gekommen waren und aufmerksam den von den Schülerinnen vorgetragenen Texten zuhörten.
„Als die Rote Armee am 27. Januar 1945 Auschwitz erreichte, bot sich den Soldaten ein grauenhaftes Bild: Nur etwa 7 000 Häftlinge in den drei Komplexen des größten deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers waren noch am Leben, die meisten von ihnen Elendsgestalten, die zu krank oder zu schwach für den Marsch in die Lager im Westen waren- fort von der näherrückenden Front.
Ein Augenzeuge notierte: Einige sitzen stur auf der Erde, nur auf Nahrungsmittel reagieren sie. Vor Schmutz und Verwahrlosung kann man ihre Züge nicht erkennen. Es ist grauenhaft. Man kann das nicht beschreiben. Und man kann nicht helfen.“ So in einem der Texte, die von den Schülerinnen vorgelesen wurden. Für viele der wenigen, die damals in Auschwitz befreit wurden, kam allerdings jede Hilfe zu spät. Sie starben an den Folgen von Erschöpfung, Hunger oder Krankheit. Viele der Überlebenden blieben bis an ihr Lebensende gebrochene Menschen. Sie fühlten sich in der aufstrebenden Nachkriegsgesellschaft fremd.
Auch die West-Alliierten stießen bei ihrem Vormarsch immer wieder auf Konzentrationslager. Mit den Soldaten kamen die Fotografen. Sie machten ihre Bilder und Filme, durch die die Existenz und der Schrecken der Lager weltweit bekannt wurden. Diese Aufnahmen bekamen auch die Deutschen zu sehen. Viele waren persönlich betroffen, doch blieb eine Aufarbeitung der Verbrechen zunächst einmal aus.
„Und auch wir stehen heute wieder hier, um der Menschen zu gedenken, die durch Inhumanität, Verblendung, Hass und Mordlust getötet wurden. Gerade in Zeiten, in denen Thesen, Phrasen und Wertigkeiten von der damaligen Zeit immer mehr salonfähig werden, ist es erstens unsere Aufgabe, das Geschehene immer wieder als Warnung und gleichzeitig als Mahnung zu verstehen und zweitens aus diesen Gegebenheiten humane Werte für die Zukunft weiter zu gestalten.“ Mit diesem Appell schloss die Lesung der jungen Leute bei der Gedenkfeier. eb
Autor:Claudia Bardon aus Wochenblatt Kirchheimbolanden |
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