Interview mit Lilo Beil
Mit Hoffnung und Mut gegen das Vergessen
Dielkirchen. Die überregional bekannte Krimiautorin Lilo Beil zieht es immer wieder in die Pfalz, wo sie Kindheit und Jugend verbrachte. Die Autorin will die Leser nicht belehren, sondern im Innersten berühren. Ihre facettenreichen Werke spiegeln Dörfer, Landschaften und die damit tief verbundenen Menschen in ihrer Zeit. Lilo Beil hat ein Faible für idyllische Szenen, schreibt aber auch ungeschminkt wider das Vergessen der Nazigräuel. What's done cannot be undone – um den von ihr geliebten Macbeth zu zitieren. Die Fragen stellte Peter Herzer.
Du bist in Klingenmünster geboren, hast aber die ersten Kindheitsjahre in Dielkirchen bei Rockenhausen verbracht. Was hat dich dort geprägt? Was sind deine schönsten Erinnerungen?
In Dielkirchen war mein Vater Rudolf Seiferling Pfarrer von 1948 bis 1953. Ich wurde noch in Dielkirchen eingeschult, kurz darauf nahm Papa eine neue Pfarrstelle in Winden/Südpfalz an, wo ich den restlichen Teil meiner Kindheit und Jugend verbrachte. Meine Schwester Marianne wurde in Dielkirchen 1950 geboren. Die Nordpfälzer Ära war also eine relativ kurze Zeit in meinem Leben, aber die Bilder von Dielkirchen, vom alten Pfarrhaus, dem riesigen Garten, auch von Nachbarn und Freundinnen und Freunden, von unserer Waldwiese und den Schäfchen, sie haben mich geprägt und geistern auch durch einige meiner Erzählungen und Krimis.
In meinem ersten Erzählband ("Maikäfersommer") gibt es einige Nordpfälzer Episoden in Anekdotenform, und Anna, die Frau meines Kommissars Friedrich Gontard, ist eine Pfarrerstochter aus "Thalkirchen" (ein Pseudonym für Dielkirchen). In meinem 2. Gontardkrimi "Das Licht unterm Scheffel" kommt Thalkirchen ganz vehement vor, gespeist aus meinen frühkindlichen Erinnerungen an Dielkirchen, die nur positiv sind. Im 10. Kapitel des Krimis werden das alte Dielkirchener Pfarrhaus ("Annas Burg"), die schöne Nordpfälzer Landschaft und das Alsenztal sehr wehmütig aus meiner eigenen Erinnerung heraus beschrieben.
Mein Vater, dessen Lust am Fabulieren mir in die Wiege gelegt wurde, hatte in der Südpfalz immer wieder Heimweh nach dem Dörfchen im Donnersbergkreis und schrieb ein goldiges Gedicht in Mundart ("De Parrer vun Dielkersch un sei Schoof"). Ich habe heute noch schriftlichen Kontakt mit einem der "3 Nachbarsbuben" aus dem Bauernhof Steuerwald.
In Wikipedia steht der Anfangssatz: „Lilo Beil wuchs als Tochter eines Pfarrers auf.“ Aber was ist mit der Mutter? Welche Erfahrungen vermittelte sie dir?
Meiner Mutter Elisabeth Seiferling geb. Knapp verdanke ich meine westpfälzischen Wurzeln. Die Gastwirtstochter aus Steinwenden und mein Vater lernten sich 1944 kennen, während mein Vater, der selbst nie Soldat war, seinen dortigen Amtsbruder vertrat.
Meine Familie mütterlicherseits wohnt/e ausschließlich in der Westpfalz, und meine Schwester und ich verbrachten unsere Ferien bei Oma und Opa in Steinwenden, wenn nicht in Heidelberg bei der anderen Oma. Einige meiner Geschichten und Krimis spielen in der Westpfalz (z. B. "Die Reise des Engels").
Meiner Mutter verdanke ich viele Informationen zum 3. Reich. Mama war Jahrgang 1924 und erlebte diese Zeit als Kind und Jugendliche. In "Schattenzeit"-Geschichten (leider vergriffen) gibt es viele Episoden, die auf Mamas Berichten basieren, zum Beispiel die Erinnerungen an den "Kriegsgefangenen" Hubert Lévêque, der in der Gastwirtschaft und Metzgerei ihrer Eltern in Steinwenden arbeitete und ein Freund war, keineswegs ein "Feind". Die Freundschaft besteht heute noch in der 2. Generation. Ich las aus diesem Buch noch diesen Februar in einer Bensheimer Schule zum Geschwister-Scholl-Gedenktag vor Fünftklässlern.
Mit Blick auf Jahrgang 1947, würdest Du Dich als Schattenkind bezeichnen?
Nein, ich war kein "Schattenkind". Auf Kinderfotos sieht man ein rundes, wohlgenährtes Mädchen, das als Pfarrerskind auf dem Land wie die Made im Speck aufwuchs, und in unserem Zaubergarten in Winden/Südpfalz durften meine Schwester und ich eine nahezu unbeschwerte Kindheit erleben, mit vielen Tieren vor allem.
Im "Maikäfersommer", einer Idylle mit vielen Anekdoten, verarbeitete ich diese schöne Zeit von Kindheit und Jugend.
Gibt es in Deinem Leben ein Schlüsselerlebnis, das Du literarisch verarbeitet hast?
Es gibt/gab mehrere Schlüsselerlebnisse, aber das hervorstechendste verarbeitete ich in der Story "Dämmerstündchen" (siehe Jahresgabe des Literarischen Vereins der Pfalz, "Kindheitsträume"). Ich bekam damals zufällig mit, wie meine Eltern sich im Flüsterton über die Nazigräuel unterhielten. Dieses Erlebnis beeinflusste wohl mein späteres Schreiben thematisch.
Existiert bei Dir ein häufig verwendetes Wort oder ein besonderes Thema?
Ein Thema, das mich seit früher Jugend nicht loslässt, ist die "Schattenzeit" des sog. Dritten Reiches, aber auch gesellschaftlich-soziale-psychologische Themen wie Mobbing/Missbrauch/Stalking/Depression habe ich verarbeitet. Als Lehrerin an einem Gymnasium hatte ich 36 Jahre lang als (leider oft hilflose) Beobachterin viel Anschauungsmaterial.
Besuchst Du Schulen, um Dein Wissen zu teilen?
Ja, seit mehr als 10 Jahren lese/las ich bisher jedes Jahr zum Geschwister-Scholl-Gedenktag (22. Februar) an der gleichnamigen Gesamtschule in Bensheim an der Bergstrasse. Immer ein beglückendes Erlebnis, 5.und 6.Klässlern behutsam meine Geschichten aus "Schattenzeit" nahezubringen.
Die Malerei ist eine Passion von dir. Sind deine Bilder schon mal ausgestellt worden?
Ja, ich habe schon als Kind sehr viel gezeichnet und gemalt und bekam als Abiturientin den Otto-Dill-Preis in Kunst. Während des Studiums (Anglistik/Romanistik) war ich völlig unkreativ. Das änderte sich, als meine erste Tochter und danach die beiden anderen Töchter geboren wurden. Sie inspirierten mich zum Bemalen von Spanschachteln und zu Acrylbildern mit Bilderbuchmotiven. Ich hatte in den 80er und 90er Jahren etliche Ausstellungen in meiner Wahlheimat (Birkenau im Weschnitztal/Vorderer Odenwald): meist in Banken und Apotheken. Damals schrieb ich nur sporadisch kleine Texte (meist für die Schublade). Ich habe meine Malerei nie "vermarktet". In den letzten Jahren malte und textete ich Kinderbücher und ließ sie drucken für meine Enkelkinder "und andere kleine Strolche".
Aus dem Nachlass von Kafka stammt das Zitat: „Die Kunst fliegt um die Wahrheit, aber mit der entschiedenen Absicht, sich nicht zu verbrennen.“ – Was bedeutet dir Wahrheit … ein Kampf um das Vergessen?
Das Zitat verstehe ich so, dass die Wahrheit weh tut, dass man sich als Autor an gewissen Themen "verbrennen" kann. Ja, das habe ich erlebt, z. B. in Form eines bitterbösen Briefes eines Zeitgenossen aus der "rechten Ecke", dem die sehr gute Rezension meines Krimis "Das gläserne Glück" (Thema Gurs und Holocaust) nicht gefiel. Schreiben als Kampf gegen das Vergessen, ja, aber bei mir ohne erhobenen Zeigefinger. Ich möchte meine Leserschaft emotional berühren, nicht belehren. Wenn das mal übrigbleibt als Fazit meines Schreibens, dann soll es gut sein. In meinen Geschichten, Büchern und Gedichten werdet Ihr mich finden, auch wenn Ihr vergeblich nach dem Namen LILO sucht.
Dafür gibt es Charlotte, Elisabeth, Ruth und wie sie alle heißen.
Ich schreibe nicht autobiografisch, sondern autofiktional, also vermischen sich bei mir Fact and Fiction, Wirklichkeit und Imagination.
Vita
Lilo Beil (* 1947 in Klingenmünster) wuchs nach einem kurzen Abstecher in die Nordpfalz (Dielkirchen) hauptsächlich in einem südpfälzischen Pfarrhaus auf (Winden bei Kandel). Abitur 1966 in Landau, heutiges Max-Slevogt-Gymnasium. Nach dem Studium der Anglistik und Romanistik in Heidelberg unterrichtete sie 36 Jahre lang an einem Odenwälder Gymnasium (Martin-Luther-Schule Rimbach). Die Mutter von drei Töchtern und Oma von vier Enkelkindern lebt mit ihrem Mann in Birkenau bei Weinheim.
Veröffentlichungen: Vierzehn Kriminalromane, davon elf um Kommissar Friedrich Gontard und drei um Charlotte Rapp. Fünf Erzählbände, davon zwei mit Kurzkrimis. Beteiligung an zahlreichen Kurzkrimi-Anthologien. Vereinzelte Gedicht-Veröffentlichungen.
Die Romane und Erzählungen der Autorin setzen sich inhaltlich meist mit Geschichte und Gesellschaft auseinander, kreisen aber auch um Kunst, Literatur und Musik.
Mitglied des Syndikats und des Literarischen Vereins der Pfalz.
Mehr Infos zur Autorin siehe bitte: Homepage von Lilo Beil sowie auf Wikipedia.
Buchtipp: Lilo Beil: Lebende Schatten. Conte Verlag, 2023, ISBN 978-3-95602-261-6.
Anmerkung: Dieser Artikel ist eine Revision des Beitrags vom 17.7.24 im Wochenblatt Bad Bergzabern.
Autor:Peter Herzer aus Kaiserslautern |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.