Über den Kirchturm hinaus: Ein Kommentar zur Diskussion um die Ausgestaltung und Terminierung von örtlichen Kirchweihveranstaltungen
Fällt eine jahrhundertealte Tradition dem Zeitgeist zum Opfer?

Foto: Foto: cke.

Dudenhofen. Wer die Berichterstattung in der Lokalpresse und in den sozialen Netzwerken verfolgt, der merkt recht schnell, dass die örtlichen Kerwe-Veranstaltungen in der Umgebung ganz offensichtlich von ihrem früheren Charakter einiges verloren haben oder zumindest einem gesellschaftlichen Wandel unterzogen sind. Da gehen mittlerweile an manchen Orten Anwohner wegen Lärmbelästigung auf die Barrikaden (hier: Römerberg-Berghausen) oder der Kinderkarussel-Schausteller sagt am Kerwetag kurzerhand wegen Schlechtwetter (oder wegen witterungsbedingter unbefriedigender Einnahmeprognose im Herbst) einfach ab (hier: Dudenhofen). Ein einst kirchlicher Festtag im Ort (die jährliche Wiederkehr des Tages der Weihe einer Kirche hatte früher den Rang eines Hochfestes) wird mittlerweile gar zum Gegenstand von Anträgen der in den Gemeinderäten vertretenen Parteien (hier zB. Dudenhofen am 21.11.2019), mit dem Ziel und der Hoffnung, dass eine datumsmäßige Vorverlegung der Kerwe künftig eine Verbesserung verspricht und die Menschenmassen wieder anlockt.
       
„Neuer Ort“ (weil zu laut oder unattraktiv) – „Neues Angebot“ (weil zu wenig Besucher oder für die beteiligten Vereine wirtschaftlich unrentabel) – „Neuer Termin“ (weil im Spätjahr zu kalt) sind insoweit die Gründe, die den Ruf nach einer generellen Neuausrichtung und Aufwertung der Kerwe zu rechtfertigen versuchen.
  
Dies ist freilich alles nachvollziehbar – ist es aber auch ein Grund einen seit 1878 historisch und traditionell verwurzelten Termin dem Zeitgeist zu opfern? Wer verlegt denn schon seinen Geburtstag (oder Namenstag) im Winter in den Sommer, nur weil die Randbedingungen für die Feier besser sind? Die Aufgabe besteht doch darin, dass man aus den terminlichen Fixpunkten das Beste draus macht! Am Beispiel der Dudenhofener Kerwe hat sich da in den letzten Jahren einiges zum positiven hin bewegt: Vereine engagieren sich, Künstler stellen im Bürgerhaus oder in der Festhalle Werke aus, der örtliche Einzelhandel und die Gastronomie sind aktiv und nicht zuletzt wurde seit einigen Jahren ein Kinderflohmarkt initiiert. Die Kindertagesstätte ist seit vielen Jahren bei der Eröffnung mit eingebunden und musikalische Darbietungen und Gutselstände runden das Programm unweit der früher westlich des heutigen Pfarrhauses gelegenen (ersten) mittelalterlichen Kirche (1392-1768 – endgültiger Abriss 1770) ab. Im Prinzip fehlt – aus Platzgründen - eigentlich nur der Autoscooter.
   
Historische Quellen (siehe Fritz Klotz – Ortsgeschichte der Gemeinde Dudenhofen/Pfalz) belegen, dass der Heilige Gangolph schon seit je her Pfarrpatron der Dudenhofener war. Kirchweih wurde über 400 Jahre hinweg am Tag des Hl. Gangolph (im Mai) gefeiert, da das Datum der eigentlichen Kirchweihe entweder nicht überliefert oder die Kirche / die Altäre nicht geweiht (konsekriert) waren.
Dies untermauert insbesondere auch ein Visitationsprotokoll aus 1683, aus dem hervorgeht, dass die Altäre der Kirche in Dudenhofen seither nicht geweiht waren (keine Reliquien, Tabernakel). Erst durch eine Visitation im Jahr 1701 wird festgestellt, dass drei Altäre (mittlerweile) geweiht seien (Hochaltar dem Hl. Gangolph, die Nebenaltäre der hl. Jungfrau Maria und dem hl. Antonius von Padua - später dann auch wieder Altar dem hl. Sebastian), wobei eine weitere durch Fritz Klotz erschlossene Quelle zugleich vermerkt, dass die drei Altäre erst am 27. Juni 1723 durch Weihbischof Cornelius von Beyweg (1701-1744) „endlich“ konsekriert wurden.
     
Für den Vorgängerbau am Standort der heute in der Neustadter-Straße gelegenen Kirche scheint indes der Weihetag der Kirche (unter Assistenz von Karmeliterpatres) am 16. September 1770 unstrittig zu sein. Diese Kirche wurde jedoch, da sie nicht mehr genug Raum für angewachsene Katholikenzahl bieten konnte – mit Ausnahme von Glockenturm und Teile der Westmauer – kaum einhundert Jahre alt im Jahre 1877 abgebrochen. Die Grundsteinlegung der heutigen Kirche fand schließlich am 02. April 1877 (Ostermontag) durch Pfarrer Josef Becker statt (der Bischofssitz war noch verwaist). Fritz Klotz legt in der Dudenhofener Ortschronik auf S. 76 u.a. dar, dass am 10. November 1877 „durch Pfarrer Becker die neue Kirche vorläufig benediziert und zugleich das Kirchweihfest zum erstenmale feierlich abgehalten“ wurde. Erst knapp ein Jahr später, am 20. Oktober 1878 hatte der neuernannte Bischof Joseph von Ehrler „die Freundlichkeit, seine erste bischöfliche Funktion in Dudenhofen durch die feyerliche Einweihung der neuen Kirche vorzunehmen“. Dieses Datum ist zugleich Ausgangspunkt für die Feier des Kirchweihfestes, wie es heute in Dudenhofen seit nunmehr 141 Jahren begangen wird.
 
Ich bin mir sicher: Halligalli, angesagte Bands, eine Ausweiterung kulinarischer Angebote oder eine Vorverlegung vom Herbst auf angenehmere - und gleichwohl auch historisch/kirchlich begründbarer - Termine (da mögen sich Ortsgemeinderat, Pfarrgemeinderat und Kirchenhistoriker wahrlich ernsthaft auseinandersetzen müssen) werden ein Kerwefest – so wie wir es aus unserer eigenen Kindheit kennen und wie es jede/r für unsere Kinder oder Enkel wünscht – nicht retten können. Eigentlich liegt es doch an den Menschen – also an jedem Einzelnen von uns – eine Tradition beizubehalten, fortzuführen, sie zu leben und nicht (immer) dem Zeitgeist zu folgen. Der Grad ein solches Fest in der heutigen Zeit dauerhaft attraktiv zu gestalten ist schmal: Gut gemeinte Ideen, neue Konzepte sollten hier eigentlich immer auch im Einklang mit dem Ursprungsgedanken einer Kerwe (das örtlich gefeierte Patrozinium eines Schutzheiligen) stehen.

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Autor:

Clemens Keller aus Römerberg-Dudenhofen

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