Kneipensingen in Leimersheim feiert seinen siebten Geburtstag
"Wildfremde Menschen singen und lachen zusammen"
Sondernheim/Leimersheim. „Hell die Gläser klingen, ein frohes Lied wir singen!“ Aber wer singt heute noch aus Spaß an der Freud, einfach so, im Kreis von Freunden und Bekannten? Niemand mehr! Oder? Doch! Das sogenannte Kneipensingen findet seit sieben Jahren immer am ersten Freitag im Monat in der Rheinschänke in Leimersheim statt. Jürgen Lengle aus Sondernheim begleitet die Sänger mit der Gitarre. Seit einigen Jahren ist auch Kurt Feth mit dem Bass mit von der Partie. Jürgen Lengle besuchte das Wochenblatt in der Redaktion zu einem Gespräch über die Musik und das Kneipensingen. Das Rezept ist dabei einfach: Zusammenkommen, die Stimmbänder ölen und dann gehts quer durchs Liederbuch.
?? Herr Lengle, wie läuft so ein Abend eigentlich ab?
Jürgen Lengle: Die Gäste kommen, manche essen zuerst noch eine Kleinigkeit und dann geht es musikalisch mit dem Warming Up los. Ich fange immer an mit dem Wild Rover, einem irischen Kneipenlied, gefolgt von einem Pfälzer Text über die Rheinschänke und das Kneipensingen zur Melodie von Wild Rover. Danach werden gemeinsam noch so 10 bis 15 Lieder gesungen. In dieser Zeit können die Gäste ihre Wunschzettel ausfüllen, welche Lieder sie später gemeinsam singen wollen.
Früher haben wir die Liederwünsche aus dem Topf gezogen. Heute machen wir es wie bei einer Hitparade. Die Gäste können sich Lieder aus unseren Songbüchern wünschen. Das jetzige hat 450 Lieder. Jeder Gast schreibt sein Lieblingslied auf, welches gesungen werden soll. Meine Frau geht mit dem Hut herum, sammelt die Wunschzettel ein und wertet diese dann aus.
Die meistgewünschten Lieder werden dann gemeinsam gesungen. Da steckt schon eine Logistik dahinter. Die Wünsche ändern sich mit jeder Veranstaltung, denn außer den Stammgästen kommen immer wieder neue Gäste in die Rheinschänke.
?? Gibt es einen Grund, warum es immer in der Rheinschänke ist?
Lengle: Ja, ich kenne die Wirtsleute Bärbel und Peter schon seit vielen Jahren und trat mit verschiedenen Bands in der Rheinschänke auf. Mit Dingsbums haben wir dort beispielsweise 1999 eine Live-CD aufgenommen. Außerdem musste ich Wirtsleute finden, die sich mit dieser Art von Veranstaltung anfreunden konnten. Bärbel und Peter gaben mir diese Chance. Der Einstieg war nicht einfach. Erst ab dem zweiten Jahr waren die Veranstaltungen gut besucht. Die Gäste fühlen sich wohl in der Rheinschänke. Da sitzen wildfremde Leute an einem Tisch, lachen und singen zusammen. Und am Ende der Veranstaltung zahlen die Gäste ihre Zeche mit einem Lächeln.
?? Der Erfolg ist also das Persönliche?
Lengle: Auf jeden Fall. Es sind zum einen die aufmerksamen Wirtsleute und ihr Team in der urigen Kneipe, und zum anderen meine Art, die Gäste zum Singen zu motivieren. Außerdem beinhalten die Textbücher viele Lieder, die mir Gäste vorgeschlagen haben. Das Kneipensingen ist eben keine Konzertveranstaltung zum Zuhören, sondern ein aktives Miteinander: Ich stimme die Lieder an und alle singen. Ich achte auch extra darauf, dass es eine gute Mischung ist zwischen deutschen und englischen Texten.
?? Singen denn die Besucher alle mit?
Lengle: Bis vor einem halben Jahr waren alle dabei, weil sie gerne gemeinsam singen wollen. Aber mittlerweile hat sich das ein bisschen geändert. Es kommen auch Gäste, weil es sich rumgesprochen hat „Da ist was los, da ist Stimmung, da ist Unterhaltung.“. Diese sind aber nicht bereit mitzusingen und wollen eigentlich nur unterhalten werden. Da könnten sie aber auch genauso gut zuhause vor dem Fernseher sitzen.
?? Wie erklären Sie sich das?
Lengle: Die Leute wollen gern dabei sein, wo was los ist, sie wollen dabei sein und sich einige Stunden wohl fühlen. Am besten kostenlos und ohne Beteiligung. Die Erwartungshaltung dieser Menschen ist hoch. Sie verstehen aber nicht, dass es ein Unterschied ist, ob man sich nur berieseln lässt, oder aktiv mitsingt. Ich würde mir wünschen, dass alle Mitsingen, auch wenn es gelegentlich nur der Refrain ist. Es ist schon sehr beeindruckend, wenn gemeinsam mit viel Hingabe eine Ballade gesungen wird.
?? Macht das Singen glücklich oder kann Singen sogar heilen?
Lengle: Ja, davon bin ich überzeugt. Für mich ist Musik Therapie. Ich mache seit vielen Jahren Musik und die Musik hat mir über einen gesundheitlichen Rückschlag vor zehn Jahren sehr geholfen. Singen macht auf jeden Fall glücklich und bringt Menschen zusammen. Das kann man am besten beobachten, wenn man sich während der Veranstaltung umschaut und überall lächelnde Gesichter sieht.
Info
Das nächste „Kneipensingen“ ist am Freitag, 4. Januar, um 20 Uhr in der Rheinschänke in Leimersheim. Neulinge sind gerne gesehen.
Autor:Wochenblatt Archiv aus Germersheim |
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