Literarischer Verein der Pfalz
Poetenfest in Schifferstadt

Haus v. Atteln in Schifferstadt | Foto: Peter Herzer
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  • Haus v. Atteln in Schifferstadt
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Schifferstadt. Zum inzwischen 11. Poetenfest des Lit. Vereins der Pfalz am 21. Sept. gab es Bilderbuchwetter im Hof des historisch bedeutsamen Haus der Familie Atteln, die mit ihrem Club Ebene Eins jahrzehntelang für kulturelle Glanzlichter sorgen.
Für das Thema "Verantwortung" machten sich 14 Autorinnen und Autoren vielfältige Gedanken. Verantwortung kann sowohl sozialer als auch gesellschaftspolitischer Natur sein. Verbunden ist damit eine definierte Aufgabe und die Sorge, dass innerhalb eines bestimmten Rahmens alles einen möglichst guten Verlauf nimmt.
Für die musikalische Umrahmung am Flügel sorgte Klaus Demuth. Die erste Vorsitzende Birgit Heid fehlte leider krankheitsbedingt. Renate Demuth aus Kaiserslautern übernahm die Moderation. Der Eintritt war frei, der Veranstalter sorgte für eine hochwertige Verköstigung auf Spendenbasis. In der Scheune konnte man Bilder des Künstlers Bernd Koblischeck betrachten.
Das 1. Poetenfest wurde 2013 von der Landauer Sektionsleiterin Birgit Heid in Kooperation mit dem Verleger und Volkskundler Helmut Seebach ins Leben gerufen. Diese fanden viele Jahre in der Kulturscheune Bachstelznest in Annweiler-Queichhambach statt. Seit 2019 wandert man durch Städte der ganzen Pfalz wie Kirchheimbolanden, Landau und Kaiserslautern.

Knut Busch aus Kriegsfeld schilderte zu Beginn seine Schreibblockade, 8 Tage vor dem Termin war der Bildschirm noch weiß, machte sich Gedanken über das alles verbindende Wort "und", was eine Initialzündung darstellte, und führte weiter aus, warum der Poet die Verantwortung trägt, dass die Sprache nicht verloren geht. 

Ursula Dörler aus Stelzenberg beleuchtete mit ihrer Geschichte "Der Schub" die bürokratisch und menschlich grobe Behandlung einen gehandicapten Manns, welcher schon seit langer Zeit in einem Klinikum als Gehilfe wohnt und arbeitet, er säubert die Gehwege und füttert die Vögel, soll dann aber abgeschoben werden. Die Autorin stellt am Schluss die Frage: "Kann Mitleid grausam sein?"

Annette Rieser alias Amalies Tochter aus Flemlingen sorgte mit ihrer stimmungsvollen, ernsthaften Lyrik im Wechselspiel mit Klaus Demuth am Flügel für einen Höhepunkt. In ihrem Gedicht "Ich habe keine Kinder" wird die Verantwortung im Zeichen des Klimawandels betont, aber auch die Vergiftung der Umwelt sowie soziale Verrohung. Sie schildert an einer Stelle, wie ihr lyrisches Ich einen Igel von der Fahrbahn kratzt, darin äußern sich Angst, Wut, Frust, facettenreiche Emotionen. Ein Appell zum Gegensteuern:
//Ich habe keine Kinder / Da stehen die Chancen gut / dass mich nie einer fragt / ob ich denn nichts gewusst habe / Von den schmelzenden Polkappen / und den verhungernden Eisbären /Den verschwindenden Feldhamstern und Spatzen / und den kranken Bienen//
Im Kontext der letzten Landtagswahlen erhält ihr Hinterfragen und Zweifeln am Ende eine zusätzliche Dimension:
//Und ich will gefragt werden / endlich gefragt werden / und dann kann ich sagen / dass ich mich entrüstet habe ... Und mein Kreuz gemacht habe / Alle vier Jahre / Mein Kreuz .... Nach so vielen Jahren / Bürgerpflicht frage ich mich / warum die Wahlurnen Urnen heißen / und wen ich gekreuzigt habe / mit meinem Kreuz//

Lothar Seidler aus Heidelberg las aus seinem Text über eine Katze namens Tabby, die der Mensch nicht so recht betreuen kann. Das Fehlen von tieferen Verständnis wird deutlich. Der Mensch, immer in der dritten Person, will die Katze letztlich vermessen, scheitert jedoch kläglich. Die Geschichte ist anteilig mehr schwarz als humoristisch gezeichnet.

Einen Kurzkrimi stellte Sarah Klein aus Landau vor. Ein Mann ertrinkt im See. War es ein Unfall oder doch die dunklen Geschäftspartner? Letztendlich ein Fall über die Misshandlung einer Frau. Die Autorin hat bisher vier Bücher veröffentlicht.

Roman Schafnitzel
las aus seinem Buch "Marias Tränen" über zwei Kinder in Mariupol, die drei Monate im Krieg ohne Wasser, Strom und Heizung auskommen mussten. Der Autor meinte, auch Diktaturen sind endlich.

Aus Waldsee brachte Margit Kraus einen Text von einem Soldaten mit, welcher schlimme Erfahrungen in Afghanistan machte. Zuhause die junge Frau mit Baby und mit Depressionen. Man versucht, Erinnerungen abzulegen. In seinem Heimaturlaub widerfährt ihm tragisches.

Matthias Zech, letztjähriger Gewinner des renommierten Bockenheimer Dichterwettstreits, gelang es mit großartiger Performance die Gäste mitzureißen. Seine Mundarttexte drehen sich um ein "Durcheinanner", Stolperstää – soll man sie, wie ungemütliche Menschen meinen, rausreißen, weil man drüberstolpert(!) oder einfach nur stören?
Ein weiterer Text handelt von einem wachhabenden Schützen, der in Konflikt mit Dorfbewohnern gerät und eine Jauche-Sturzflut überleben muss. Doch auch hier stellt sich die Frage nach der Verantwortung, denn es trifft ebenso Unschuldige.

Die bekannte Dichterin Renate Demuth war mit einer Prosa in Hochdeutsch und zwei Mundartgedichten vertreten. Themen waren Widerstand und Gesinnungswandel, so beleuchtet sie Menschen in ihren erstarrten Moralvorstellungen – "das oberste Gebot ist Gefolgsam!" – FOLCHSAM SIN / nix wie gespurt / gemacht was uffgetraa / kää Widderredd / kää Dischbedeerches / besser die Klapp gehall / anstatt viel Frooerei / net noh links rechts geguckt / sich dabber weggeduckt /Fäng kriet ma glei //
Demuth fordert auf, achtsam zu sein, der Rassenwahn und die Einschränkung der Meinungsfreiheit führte einst zum Untergang der Demokratie. –  ACHTSAM SIN / kää Schangs demm Rassewahn / der Iwwerheblichkäät / die Aue uff met wachem Geischt / gut informeert unn unscheneert / uff Määnungsfreihäät poche / unn uffbasse e Läwe lang / vemeide de gefährlich Gang /  wie sellemols zum Unnergang / aus Fehler lerne bringt Gewinn / unn deswää wolln mer //

Philosophische Überlegungen machte sich Ulrich Bunjes aus Speyer beim Besuch einer "zeitlosen" Zeche im Ruhrgebiet, jetzt UNESCO-Weltkulturerbe. Der Führer, ein schmächtiger Mann, weist auf die Bodenabsenkungen hin, auch müsse Wasser bis in die ferne Zukunft abgepumpt werden. Bunjes erläuterte, dass viele Wörter und Sprüche aus dem Bergbau stammen, z.B.: "Er sei weg vom Fenster", was auf die Staublungen der Arbeiter zurückführt, die sich Sauerstoff vom offenen Fenster ziehen mußten, sonst drohten sie umzukippen. Ulrich Bunjes leitet die Autorengruppe Spira in Speyer.

Katrin Kirchner
aus Mutterstadt amüsierte die Hörer mit einer Geschichte über einen Goldhamster, der das Liebesleben seiner Betreuerin zu steuern versucht. Nachdem er sich sogar tot stellt, gelingt es ihm, seinen Lieblingskandidaten, einen Tierarzt zu gewinnen.

Guido Lill
leuchtete in seiner oft makabren oder expressiven Lyrik Abgründe der Absolution von Verbrechen durch die Kirche aus, dazu gehört allerlei. Das Böse gibt in Umkehrung eines geläufigen Spruchs bekannt: "Was ich nicht will, das ich dir tu, das füge ich anderen zu!"

Manfred Dechert
, vielbepreister Mundartdichter aus Ludwigshafen, performte zum Schluß, sitzend im Publikum, über Zeitschriftendrückerkolonnen mit ihren erbärmlichen Umständen, dann folgend in Verwandlung Armeekolonnen und Gefängniskolonnen und am Fließband. Bis der Protagonist sich in einer Schleife zurück wieder bei den Zeitschriftendrückerkolonnen einfindet. Ohrfeigen werden viele verteilt! Da lässt Kafka grüßen!

Insgesamt sah man viele zufriedene Gesichter auf dem Poetenfest, welches den Austausch förderte, auch wurden flugs schon wieder neue literarische Projekte geschmiedet.

Aktualisiert am 27.9.24 | PH

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Autor:

Peter Herzer aus Kaiserslautern

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