Gedächtniskirche der Protestation Speyer
Der höchste Kirchturm der Pfalz

Die Gedächtniskirche in Speyer | Foto: Archiv Lutz
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Speyer. Sie steht im Schatten des Doms, dabei verdient die Speyerer Gedächtniskirche der Protestation volle Aufmerksamkeit: Das "Juwel der Neugotik" erinnert in seiner Architektur an französische Kathedralen und die Glasmalerei aus dem 19. Jahrhundert ist ein echter Schatz. Zum Glück blieb die Gedächtniskirche Speyer in beiden Weltkriegen unzerstört. Sie wurde aus Spendenmitteln und mit Unterstützung des Kaiserhauses nach Plänen von Julius Flügge und Carl Nordmann sehr aufwendig im gotischen Kathedralstil erbaut, gehört zu den hervorragenden künstlerischen Leistungen ihrer Zeit und ist daher eine bedeutende Sehenswürdigkeit in Rheinland-Pfalz.

Heute ist die Gedächtniskirche Speyer die einzige unversehrt erhaltene neugotische Großkirche Deutschlands. Ihr Turm ist mit knapp 100 Metern der höchste Kirchturm der Pfalz. Neben dem Glasfensterzyklus, der die Geschichte und Idee der Protestation dokumentiert, ist auch die Orgel beachtenswert. Die Gedächtniskirche ist die Hauptkirche der Evangelischen Kirche der Pfalz. Die Gottesdienste der Gedächtniskirchengemeinde Speyer werden derzeit aufgrund der Corona-Pandemie überwiegend als "Hybrid"-Gottesdienste gefeiert: Man kann vor Ort in der Gedächtniskirche mitfeiern oder den Gottesdienst via Livestream auf YouTube verfolgen. Nähere Informationen dazu auf www.gedaechtniskirchengemeinde.de

Jetzt werden die Pfeifen zum Klingen gebracht

Zum Team der Gedächtniskirchengemeinde gehören Dekan Markus Jäckle, Pfarrerin Lena Vach sowie Pfarrerin Constanze Lotz, Gemeindediakonin Anja Bein sowie Kirchenmusikdirektor Robert Sattelberger. Die Gedächtniskirche am Bartholomäus-Weltz-Platz hat gerade eine neue Chororgel erhalten. Diese sollte ursprünglich an Pfingstmontag eingeweiht werden. Wegen der Corona-Pandemie wurde der Einweihungstermin inzwischen auf den 3. Oktober verschoben.

Die "Retscherkärch" als Dankes-Denkmal

Als 1856 die Reparatur der barocken Dreifaltigkeitskirche Speyer anstand, wurde die Idee geboren, eine neue protestantische Kirche als „ein Denkmal des Reichstags von 1529" zu bauen, "den Ahnen gesetzt von den dankbaren Urenkeln“. Der große Reichstag im April 1529 stellte Speyer in den Mittelpunkt deutscher Geschichte. In Speyer sollte das Wormser Edikt von 1521 - die Verhängung der Reichsacht über Luther und seine Anhänger - durchgesetzt werden. Doch sechs mutige Fürsten und die Vertreter von 14 Reichsstädten trotzten einer Mehrheit und bezeugten in Speyer ihren Glauben. Sie protestieren. Dieser Akt gibt der Konfession und der späteren Kirche ihren Namen: Gedächtniskirche der Protestation.

Es war wohl die prachtvolle Innenausmalung des Speyerer Domes durch Johann Schraudolph und Josef Schwarzmann in den Jahren 1846 bis 1853 sowie der Neubau der neuromanischen Westfassade nach den Plänen von Heinrich Hübsch, die letzten Endes den Anlass für den Bau des evangelischen "Protestationsdoms" gaben. Die Gedächtniskirche der Protestation wurde in nur elf Jahren Bauzeit von 1893 bis 1904 errichtet. Allerdings ging dem Bau eine jahrzehntelange Planung voraus. Und endgültig vollendet war die Kirche erst im Jahr 1914 mit der Aufstellung der sechs Fürstenstandbilder in der Gedächtnishalle.

Der Bau war als gemeinschaftliche Angelegenheit aller Protestanten geplant und sollte ursprünglich auf dem Gebiet des ehemaligen Retscher-Gebäudes hinter der Dreifaltigkeitskirche errichtet werden, daher auch "Retscherkärch". Ein Bauverein der neu zu errichtenden "Retscher-Kirche" wurde gegründet, mit Genehmigung des bayerischen Königs Maximilian II. wandte der sich im Februar 1857 zum ersten Mal mit einem Spendenaufruf an "die Protestanten aller Länder". 1882 benannte sich der "Retscher-Verein" um in "Verein zur Erbauung der Gedächtniskirche der Protestation von 1529". Man hatte zwischenzeitlich herausgefunden, dass die Reichstagsversammlung in Speyer nicht im Retscher-Gebäude stattgefunden hatte.

Keine "Concurrenz" zum Dom

Man war somit nicht mehr an die enge Baulage in der Altstadt gebunden - und achtete bei der Suche nach einem geeigneten Bauplatz darauf, dass die neue Kirche nicht in unmittelbarer Nähe zum Dom zu stehen kam. Von vier angebotenen Bauplätzen wählte man zu Beginn des Jahres 1883 denjenigen am Bartholomäusplatz aus, da hier eine "von allen Seiten freiliegende" Errichtung der Kirche möglich war. In der Ausschreibung zum Bau der Gedächtniskirche vom 26. Juli 1883 heißt es, die Kirche solle "nicht im romanischen Stil entworfen sein", denn der sei "in Speyer durch den Dom bereits in so hervorragender Weise vertreten, daß ein anderes Bauwerk damit nicht in Concurrenz treten kann".

Die Essener Architektengemeinschaft Julius Flügge und Carl Nordmann ging als Sieger aus der Ausschreibung hervor. Unterdessen wurden in Speyer weiterhin Spendengelder gesammelt. Obwohl1890 das nötige Baukapital noch nicht beisammen war entschloss man sich zum Baubeginn. Der Grund: Kaiser Wilhelm II. hatte versprochen, für die Vollendung des Werkes zu sorgen. Am 19. September 1890 dann der erste Spatenstich in Anwesenheit des großen Speyerer Förderers Heinrich Hilgard. Der Rohbau der Kirche und des Turmes bis in Dachfirsthöhe war um 1900 abgeschlossen. Am 31. August 1904 wurde die Gedächtniskirche der Protestation geweiht. Es fehlten damals noch der Altaraufbau und die Fürstenstandbilder in der Gedächtnishalle.

Die Gedächtniskirche ist eine dreischiffige, gewölbte Halle über einem Grundriss in Form eines Kreuzes. Im Erdgeschoss des Kirchturms ist die Gedächtnishalle untergebracht. Turm und Gedächtnishalle haben einen sechseckigen Grundriss. In der Mitte der Gedächtnishalle steht das Bronze-Standbild Martin Luthers.

Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen!

Der Reformator hält in der linken Hand die aufgeschlagene Bibel, die rechte ballt er zur Faust, während er mit dem Fuß die päpstliche Bannbulle zertritt. Die in den Boden eingelassene Inschrift (Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen!) verdeutlicht, dass hier an Luthers Auftreten in der Stadt Worms im Jahr 1521 gedacht ist. Auf sechs Postamenten stehen die von Max Baumbach geschaffenen Statuen der Fürsten, die auf dem Reichstag in Speyer protestiert hatten. Die Gedächtniskirche besitzt 36 Fenster mit Glasgemälden: 20 Großfenster, zwei große Rosenfenster in den beiden Querhausflügeln und 14 kleine Fenster unter den Emporen im Erdgeschoß. Was die Glasmalereien selbst betrifft, so repräsentieren diese eine "Hochphase" der Glasmalereikunst am Ende des 19. Jahrhunderts. Die Glasmaler und Künstler waren durchweg kunstakademisch geschult und orientierten sich am Vorbild der nazarenischen Kunst.

Wer die Gedächtniskirche näher kennen lernen möchte, für den empfiehlt sich eine Führung - in Zeiten von Corona gerne auch ohne Gruppe anhand von QR-Codes. Eine Arbeitsgruppe aus dem Presbyterium hat eine QR-Codes-gesteuerte Führung durch die Kirche erarbeitet. Den dazugehörigen Flyer gibt es am Eingang der Kirche oder hier als Download. Alternativ kann man auch "www.gdk1904.de" ins Smartphone oder Tablet eingeben und damit die Fensterbesprechungen aufrufen und anhören. Dem Betrachter erschließt sich das Bildprogramm von der Gedächtnishalle, vom Eingang über Lang- und Querhaus zum Chor, im Uhrzeigersinn voranschreitend und von den Erdgeschoßfenstern zu den Großfenstern der Emporen. Das Christusfenster (Nr. 27) im Chorscheitel bildet den Zielpunkt.

Die Gedächtniskirche der Protestation ist Dienstag bis Freitag von 11 bis 17 Uhr, Samstag von 10 bis 17 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 14 bis 17 Uhr geöffnet; montags bleibt sie geschlossen. Regelmäßig finden in der Kirche Orgelkonzerte und -matineen statt - zumindest in Nicht-Corona-Zeiten. Während der Pandemie gab es außerdem kleinere Konzerte als musikalische Abendandachten, die aber derzeit wie die meisten anderen Veranstaltungen auch wegen der hohen Inzidenzwerte in Speyer nicht stattfinden können. [cobc]

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Autor:

Cornelia Bauer aus Speyer

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