Infos zur Geothermie
"Die Bürger müssen hinter dem Projekt stehen"
Speyer. „Rhein-Pfalz“ heißt das Tiefengeothermie-Projekt, dessen Umsetzung die Stadtwerke Speyer und die Stadtwerke Schifferstadt planen. Am Montag hatten Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler und Bürgermeisterin Ilona Volk gemeinsam zur ersten von zwei geplanten Informationsveranstaltungen geladen. Erklärtes Ziel: Die Bürgerinnen und Bürger bereits in einer frühen Projektphase mitzunehmen bei einem vielerorts nicht unumstrittenen Thema.
"Die Bürger müssen hinter dem Projekt stehen", betont Speyers Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler. Wenn es nach ihr geht, dann bleibt die interkommunale Zusammenarbeit nicht auf Schifferstadt begrenzt. Aus der Geothermie könnte ein Projekt für die ganze Region werden, wenn sich weitere Kommunen aus dem Umland anschließen. Als natürliche, nicht-fossile, erneuerbare Energiequelle gehe es mit der Geothermie in Sachen Energiewende in die richtige Richtung, betont Schifferstadts Bürgermeisterin Ilona Volk. Neben der Nachhaltigkeit ist aber auch die Unabhängigkeit bei der Energieversorgung ein gutes Argument für die Nutzung der Erdwärme.
Der Krieg in Europa lässt die Sorge wachsen, ob die Versorgung mit Gas gesichert ist. Und zu welchem Preis. "Es geht um Versorgungssicherheit für Speyer und Schifferstadt", betont Wolfgang Bühring, Geschäftsführer der Stadtwerke Speyer, am Montagabend. 40 bis 45 Prozent der Wärmeversorgung in der Region ließe sich durch Geothermie sicher stellen, so die Schätzung - Grundlast-fähig und zu bezahlbaren Preisen. Auch die Erzeugung von Strom wäre möglich. "Die Zeit ist reif für dieses Projekt", ergänzt Gerd Baumann, Projektingenieur und stellvertretender Leiter der Stadtwerke Schifferstadt.
Fest steht: Die Geologie im Oberrheingraben birgt ein erhebliches Wärmepotenzial. An vielen Stellen hier ist das Wasser in drei Kilometern Tiefe 160 Grad heiß. Erdwärme also als Bodenschatz, den es zu heben gilt? Dass es auch kritische Stimmen und mögliche Risiken gibt, zeigt auch die Infoveranstaltung am Montag: induzierte Erdbeben zum Beispiel. Landau wurde als Negativbeispiel genannt. "Seismische Aktivitäten können, müssen aber nicht vorkommen", sagt dazu Dr. Hagen Deckert, Leiter des Instituts für geothermisches Ressourcenmanagement an der Technischen Hochschule Bingen - und verweist auf Überwachungs- und Aufzeichnungspflichten, die das zuständige Bergamt in Mainz den Kraftwerkbetreibern auferlegt, und die dann zu ergreifenden Maßnahmen. Bereits vor fünf Wochen habe man damit begonnen, die seismischen Aktivitäten im "Aufsuchungsfeld" aufzuzeichnen. Das ist der Bereich, für den die Stadtwerke Speyer und Schifferstadt die Genehmigung haben, nach Möglichkeiten zu suchen, Tiefengeothermie zu nutzen.
Aus den frühen Geothermie-Projekten habe man viel gelernt. Auch die Technik habe sich weiter entwickelt. Weitere kritische Fragen aus den Reihen der Zuhörer, die unter anderem auch aus Böhl-Iggelheim und Otterstadt nach Speyer gekommen waren, betrafen eine mögliche Kontamination des Grundwassers, die Belastung mit Schwermetallen, den Standort eines oder mehrerer Kraftwerke sowie die Dauer der Umsetzung.
Die Geothermie ist in Speyer kein neues Thema: Schon einmal hatten die Stadtwerke mit einem Unternehmen, das sich die geothermische Energie zunutze machen wollte, einen Abnahmevertrag geschlossen. Das Konsortium war in der Nähe des Heizkraftwerks in Sachen Thermalwasser fündig geworden, stieß bei den damaligen Bohrungen allerdings auch auf Erdöl und gab der Förderung des fossilen Energieträgers den Vorzug. Für die Stadtwerke ergab sich rechtlich erst jetzt wieder die Möglichkeit, tätig zu werden. Auch auf der Basis der damaligen Daten sind die Stadtwerke zuversichtlich, bis Mitte 2023 zu wissen, wo man im Aufsuchungsfeld erfolgreich bohren und Thermalwasser fördern kann. Weitere Untersuchungen des Untergrundes - auch mithilfe von Ultraschall - sind erforderlich, um ein geeignetes Bohrziel festzulegen. 2024 wäre dann mit ersten Förderbohrungen zu rechnen. Größtes finanzielles Risiko des derzeit auf 50 Millionen Euro geschätzten Projekts: zu bohren und dabei nicht auf ein Thermalwasser-Reservoir zu stoßen.
In einer Beispielrechnung geht Deckert von 160 Grad heißem Wasser aus 3.000 Metern Tiefe und einer Fördermenge von 80 Litern pro Sekunde aus. Läuft das Kraftwerke an 8.000 Stunden im Jahr, ließen sich damit etwa 8.000 Haushalte mit Strom versorgen oder - bei ausschließlicher Nutzung der Wärme - etwa 1.300 Altbau-Einfamilienhäuser heizen. Der Eigenverbrauch des Kraftwerks ist mit zirka 25 Prozent relativ hoch, die Energieerzeugung aber CO2-freundlich, die Wärmegestehungskosten liegen bei 35 Euro pro Megawattstunde. Was Deckert ebenfalls aufzeigt: Wie begehrt der Oberrheingraben derzeit bei Unternehmen ist, die sich mit Geothermie beschäftigen. "Wir wollen das Projekt in kommunalen Händen behalten", sagt dazu OB Seiler. Und: "Wenn wir es nicht machen, macht es jemand anderer." Das allerdings wäre erst wieder in drei Jahren möglich; so lange haben die beiden Stadtwerke das alleinige Recht für dieses Aufsuchungsfeld.
Eine zweite Informationsveranstaltung findet am Dienstag, 24. Mai, im Schifferstadter Paul-von-Denis-Schulzentrum statt. Los geht es um 19 Uhr in der Aula der Realschule plus; Einlass ist ab 18.30 Uhr.
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