Preisverleihung "Das unerschrockene Wort"
Eine Frau mit besonderem Mut
Schmalkalden | Speyer. Die afghanische Frauenrechtlerin Zarifa Ghafari erhält den Preis „Das unerschrockene Wort“. Diese Entscheidung traf der Bund der 16 Lutherstädte, zu denen auch Speyer gehört, in seiner Jurysitzung in Schmalkalden. Schmalkalden wird am 15. April 2023 auch die Preisverleihung ausrichten.
Schmalkaldens Bürgermeister Thomas Kaminski und der Wormser Oberbürgermeister Adolf Kessel teilten nach zweistündiger Beratung mit, dass die Preisträgerin Zarifa Ghafari einstimmig gewählt wurde. Alle fünf Nominierten hätten den Preis verdient gehabt, betonte Kaminski. Ausschlaggebend für die Entscheidung für Ghafari sei gewesen, das die 30-Jährige „als eine von uns“ ganz besondere Sympathie und Solidarität genieße.
Zarifa Ghafari amtierte von 2018 bis 2021 als erste weibliche Bürgermeisterin in der Provinz Maidan Wardak. „Wir haben hart dafür gekämpft und gearbeitet, unsere eigene Welt aufzubauen. Doch wir konnten das Erreichte nicht genießen. Das ist wirklich sehr schmerzhaft", sagt Zarifa Ghafari.
Mit dem Preis ehren die Lutherstädte das furchtlose und engagierte Wirken der jungen Frau. Unter für Deutschland unvorstellbaren Bedingungen. Am ersten Arbeitstag im Juli 2018 beispielsweise verbarrikadierten Männer ihren Amtssitz. Ein Mob, bewaffnet mit Steinen und Stöcken, bedrohte sie. Erst im Frühjahr 2019 konnte Ghafari als Bürgermeisterin vereidigt werden; aus Sicherheitsgründen lebte sie nicht in der von ihr regierten Stadt, sondern in Kabul.
Ihre Geschichte hatte die Tochter eines Soldaten und einer Physikerin daraufhin in den sozialen Netzwerken bekannt gemacht. Zarifa Ghafari setzte sich vor allem für den Schutz und die Rechte afghanischer Frauen ein, teilte öffentliche Informationen und Wissen zwischen dem Staat und dem Volk. Sie investierte in den Mediensektor und gründete mit Peghal FM-Radio in Maidan Wardak einen Radiosender.
Als Bürgermeisterin eröffnete sie einen Markt nur für Frauen in Maidan Shahr, schuf so Arbeitsplätze für Frauen. Nicht einmal drei Jahre blieben ihr für diese Aufbauarbeit vergönnt. Nach der Machtergreifung der Taliban im Sommer 2021 konnte Ghafari in letzte Minute mit ihrer Familie nach Deutschland fliehen. Von hier aus erhebt die intellektuelle, aufgeklärte junge Frau weiterhin ihre Stimme für die Menschenrechte in Afghanistan und in der Welt.
Mit der Wahl der Preisträgerin wollen die Lutherstädte auch den Blick auf das Afghanistan der Taliban schärfen. Die Zustände in diesem Land, in dem so viele Menschen wie Zarifa Ghafari für ein freiheitliches demokratisches Gemeinwesen gekämpft haben, müssen mehr Beachtung finden, formulierte Thomas Kaminski. „In einem freiheitlich demokratischen Gemeinwesen gehört das freie Wort zu den wichtigsten konstruktiven Elementen“, zitierte Worms Oberbürgermeister aus der Präambel des Statuts für den Preis „Das unerschrockene Wort“. Zarifa Ghafari nimmt den Preis mit großer Freude und Dankbarkeit entgegen, wie sie der Stadtverwaltung Schmalkalden per E-Mail mitteilte.
Zum Weiterlesen
Hannah Lucinda Smith, Zarifa Ghafari, Christiane Bernhardt, Henriette Zeltner-Shane, Sylvia Bieker: „Zarifa - Afghanistan. Meine Heimat. Meine Geschichte“, 328 Seiten; dtv; ISBN: 978-3-423-29040-1
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