Gasmangellage
"Es gibt ein paar Dinge, über die müssen wir jetzt reden"
Speyer. Das ist keine leichte Zeit für die Kommunalpolitik. Auf der einen Seite wolle sie den Ernst der Lage verdeutlichen, auf der anderen aber keine Panik verbreiten, erklärte Speyers Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler heute bei einer Pressekonferenz zu einer möglichen Gasmangellage im Herbst. Fakt ist, dass derzeit niemand weiß, was mit Beginn der kalten Jahreszeit auf uns zukommt. Nur eines kommt mit hundertprozentiger Sicherheit: höhere Energiekosten.
Ab Oktober nämlich werden die Mehrkosten für Gasbeschaffung, -speicherung und -finanzierung auf die Kunden umgelegt. Noch weiß niemand, in welcher Höhe, aber Wolfgang Bühring, Geschäftsführer der Stadtwerke Speyer, schätzt, dass der Gaspreis um etwa achteinhalb Cent pro Kilowattstunde steigt. In der Beschaffung ist Gas heute zehn Mal so teuer wie noch vor anderthalb Jahren. Und auch der Strompreis zieht nach.
"Entlastungspaket reicht so nicht aus"
Ein Vier-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 18.000 Kilowattstunden im Jahr käme so auf monatliche Mehrkosten in Höhe von 127,50 Euro - alleine fürs Heizen mit Gas. "Das vom Wirtschaftsminister angekündigte Entlastungspaket wird nicht ausreichen", so die Überzeugung Seilers. Die OB appelliert an den Bund, Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen weitergehende Hilfestellungen zu geben, damit diese nicht in den Leistungsbezug rutschen.
Wenn - und von diesem Szenario geht man derzeit nicht nur in Speyer aus - mit Beginn der kalten Jahreszeit eine Gaslieferung über Nord Stream 1 komplett ausbleibt, dann wird es zur solidarischen Gesamtaufgabe zu verhindern, dass es kalt wird in den Wohn- und Amtsstuben der Domstadt. Gemeinsam mit der Bevölkerung und der Industrie wolle man mindestens 15 Prozent Einsparungen bei der Energie schaffen - und hofft, dass es dann nicht zu Abschaltungen kommen muss. Jeder können seinen Beitrag leisten, wenn er sich über Einsparpotenziale informiere und diese umgehend umsetze - zu Hause ebenso wie bei der Arbeit.
Doch im Laufe des Septembers muss auch noch über viele Dinge gesprochen werden: Die Stadt Speyer plant derzeit den Weihnachtsmarkt, aber wie soll das mit der Weihnachtsbeleuchtung laufen? Was passiert mit dem Schwimmbad? Können Schwimmkurse eventuell als interkommunales Angebot aufrecht erhalten werden? OB Seiler kritisiert, dass es derzeit weder vom Bund noch vom Land einen Handlungsleitfaden gibt, wie das Einsparziel erreicht werden soll.
"Wir können uns jetzt vorbereiten"
Davon, dass die Notfallstufe ausgerufen wird, ist auch Katastrophenschutzinspekteur Peter Eymann überzeugt. Auch er wolle keine Panik verbreiten, sagt jedoch: "Es gibt ein paar Dinge, über die müssen wir jetzt reden." Beim Katastrophenschutz bereite man sich auf einen Gasmangel und die möglichen Auswirkungen vor - mit dem Ziel, dass die Stadtverwaltung handlungsfähig bleibt und Bürgerdienste aufrecht erhalten werden.
Weil sich weder vorhersehen lässt, wie kalt der Winter wird, noch ob sich wirklich durch die Bank 15 bis 20 Prozent Energie einsparen lassen, sind das derzeit rein hypothetische "Was wäre wenn"-Überlegungen. Aber: "Wir können uns jetzt vorbereiten", mahnt Eymann. Er verweist auf den Ratgeber Notfallvorsorge, der in seinen Checklisten zum Beispiel Lebensmittel für den Vorrat aufführt, und ruft dazu auf, den Sommer dafür zu nutzen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Wer zum Beispiel eine ältere Feuerstätte wieder in Betrieb nehmen wolle, der sollte sich jetzt mit seinem Schornsteinfeger besprechen, den Kamin säubern lassen und trockenes Holz bevorraten. Feuerwehr-Chef Eymann warnt vor der ad hoc-Inbetriebnahme von Kaminen oder Öfen, der Rauchabzug könne eventuell nicht richtig funktionieren, das sei gefährlich. Auch auf Stromausfälle sollten sich die Speyerer vorbereiten, etwa eine Möglichkeit schaffen, auch ohne Strom Nachrichten zu empfangen. Der Run auf elektrisch betriebene Heizgeräte lasse befürchten, dass es zu Spitzen im Stromverbrauch kommen könnte, auf die das Stromnetz nicht ausgelegt sei.
Wenn Notrufe, Gas oder Strom über längere Zeit ausfallen, planen die Katastrophenschützer über das komplette Stadtgebiet Anlaufstellen in Betrieb zu nehmen, an die man sich mit seinen Anliegen wenden kann und die bei Bedarf auch über Entscheidungen des Verwaltungsstabes informieren. Auch Wärmeinseln - ans Fernwärmenetz angebundene Gebäude, in denen man sich im Falle eines totalen Heizungsausfalls ein paar Stunden aufwärmen kann - sieht der Sechs-Stufen-Plan vor.
Der Tag der Feuerwehr am Sonntag, 4. September, nimmt den Katastrophenschutz verstärkt in den Blick und will weitere Aufklärungsarbeit leisten. Noch härter als der kommende könnte der Winter 2023/24 werden. Wird der vor uns liegende Winter kalt, dann werden die Speicher im Frühjahr leer sein, bis die Alternativen zum russischen Gas greifen, dauert es allerdings mindestens noch bis zum Jahr 2024. "Das wird kein Sprint, das wird ein Marathon", sagt dazu Wolfgang Bühring.
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