7,5 Millionen Deutsche haben nie richtig lesen und schreiben gelernt
Gratis-Lesefutter gegen Analphabetismus
Speyer. Am 8. September ist Weltalphabetisierungstag. An diesem Tag erinnert die UNESCO an die Bedeutung von Alphabetisierung und Erwachsenenbildung. Lesen und schreiben zu können, ist Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. In vielen Regionen der Welt ist dies jedoch immer noch ein Privileg. Weltweit können etwa 758 Millionen Menschen nicht lesen und schreiben, davon sind fast zwei Drittel Frauen und Mädchen. In Deutschland sind rund 7,5 Millionen Menschen sogenannte funktionale Analphabeten. Das bedeutet, sie können zwar einzelne Sätze lesen oder schreiben, jedoch keine zusammenhängenden, auch noch so kurzen Texte verstehen. Die Gutenachtgeschichte für das Kind, die Speisekarte im Restaurant, der Brief von der Bank oder der Beipackzettel eines Medikaments – solch alltägliche Dinge sind für funktionale Analphabeten eine große Hürde. Für etwa 14 Prozent der erwerbsfähigen Deutschen trifft das zu. Das hat die Studie „Level-One Survey (leo)“ der Universität Hamburg aus dem Jahr 2011 gezeigt. Der Studie zufolge sind in Deutschland 2,3 Millionen Menschen zwischen 18 und 64 Jahren vollständige Analphabeten. Es ist ihnen möglich ihren Namen und einzelne Worte zu schreiben, aber vollständige Sätze können sie weder lesen noch verstehen. Für sie ist es ganz besonders schwierig am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Sprachliche und schriftliche Grundfähigkeiten sind von elementarer Bedeutung für gesellschaftliche und berufliche Teilhabe. „Die Bedeutung schriftsprachlicher Kompetenzen wird in allen Lebensbereichen noch zunehmen, gerade auch mit Blick auf die Auswirkungen der weiter voranschreitenden Digitalisierung. Wir benötigen mehr wissenschaftliche fundierte Erkenntnisse, um mit passgenauen adressatengerechten Lernangeboten wirkungsvoller gegen Analphabetismus vorgehen zu können“, so die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Bremer Senatorin für Kinder und Bildung, Dr. Claudia Bogedan.
Lesen und Schreiben sind Kulturtechniken
Aus Angst und Scham trauen sich nur wenige Analphabeten aktiv Hilfe zu suchen. Dabei ist es nur ein kleiner Schritt, der so viel verändern kann. Damit mehr Menschen diesen Schritt wagen, unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung zahlreiche Programme, die es Analphabeten leichter machen, Lesen und Schreiben zu lernen. „Lesen und Schreiben sind Kulturtechniken. Sie helfen uns, am gesellschaftlichen Leben ohne Einschränkungen teilzuhaben und unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Die individuelle Selbstverwirklichung ist maßgeblich davon abhängig, dass die Kulturtechniken Lesen und Schreiben beherrscht werden. Wer sie nicht beherrscht, der hat nicht nur selbst Nachteile. In der Regel haben es auch die Kinder schwerer. Das Bundesbildungsministerium wird deshalb während der Dekade seine Förderung von Maßnahmen der Alphabetisierung auf 180 Millionen Euro in zehn Jahren ausbauen“, erläutert Bundesbildungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka die Fördermaßnahmen.
„Pflück Dir ein Buch-Gratis-Lesefutter gegen den Analphabetismus“
In Speyer bieten beispielsweise die Alpha-Kurse der Volkshochschule Abhilfe. Nähere Informationen erteilt Anke Mertens, Telefon 06232 141364. Eine weitere Möglichkeit, Analphabeten einen barrierefreien Zugang zum gesellschaftlichen, kulturellen und beruflichen Leben zu schaffen, bietet auch die einfache Sprache. Die Stadtbibliothek Speyer hat deshalb Bücher für alle Altersgruppen und viele Themenkreise in dieser Kategorie im Angebot. Um auf das Problem und den Weltalphabetisierungstag aufmerksam zu machen, bieten Volkshochschule und Stadtbibliothek Speyer von Montag, 10., bis Mittwoch, 12. September, ihre Aktion „Pflück Dir ein Buch-Gratis-Lesefutter gegen den Analphabetismus“ an. Hier sind alle Menschen dazu eingeladen, sich Bücher im Vorgarten der Villa Ecarius kostenlos „zu pflücken“, sie mit nach Hause zu nehmen und zu lesen. ako
Autor:Wochenblatt Speyer aus Speyer |
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