Das Leben im Heim nach der Impfung
Kleine Schritte in ein "neues Normal"
Speyer/Harthausen. Seit heute gelten für vollständig gegen Corona Geimpfte in Rheinland-Pfalz bestimmte Lockerungen, allerdings nicht für Patienten und Bewohner von stationären Einrichtungen wie Krankenhäusern und Pflegeheimen. Dabei hatte etwa die Deutsche Stiftung Patientenschutz genau für die Personengruppe der Geimpften in Pflegeheimen Erleichterungen gefordert. Doch auch, wenn in den Einrichtungen die allermeisten Menschen bereits zwei Impfungen erhalten haben, bleiben Ausgangssperren, Kontakteinschränkungen und Quarantäne-Auflagen für sie unverändert bestehen. Bund und Länder hätten bis dato nicht festgelegt, unter welchen Bedingungen stationär versorgte und voll umfänglich geimpfte Pflegebedürftige ihre Grundrechte zurückbekämen, beklagt die Stiftung.
Doch wie geht es den Senioren in Heimen nach der Corona-Impfung? Sind sie jetzt wieder sorgloser? Wie sieht das Leben nach der Impfung im Seniorenheim aus? Gibt es wieder gewonnene Freiheiten, eine neue Lebensqualität? Oder ist das Zusammenleben nach wie vor von Vorsicht geprägt? Im Haus Theresa in Harthausen sind mittlerweile alle Bewohner zwei Mal geimpft sowie 98,5 Prozent der Mitarbeiter. "Der hohe Impfschutz gibt uns ein gutes Gefühl", sagt Residenzleiter Klaus Wittmann. Das wirke sich auch auf die Bewohner aus. Nach dem zweiten Impftermin hat man zunächst abgewartet, jetzt traut man sich wieder, Unternehmungen in der Gruppe zu starten - aber immer noch mit Maske und Abstand.
"Ein Ruck geht durch das Haus"
"Ein Ruck geht durchs Haus", sagt Wittmann. Und freut sich, wenn er die Bewohner wieder in Gruppen auf ein Schwätzchen beisammen stehen sieht. Auch die beiden Speisesäle wurden wieder geöffnet, so dass die Bewohner zwar mit viel Abstand, aber doch wieder gemeinsam essen können, wo vorher jeder alleine auf seinem Zimmer verpflegt wurde. Auch wenn die Hygienevorschriften nach wie vor groß geschrieben werden und die Schnellteststrategie eingehalten wird: "Das Haus ist wieder belebter", sagt Wittmann. Dennoch: Vom Normalbetrieb ist das Haus Theresa noch ganz weit weg. Dafür haben sich während der Pandemie neue Rituale entwickelt. So stellten die Senioren zum Beispiel ihre Stühle in den Türrahmen und kommunizierten via "Flurfunk".
Etwas beruhigt, aber keineswegs sicher fühlt sich Gudrun Wolter, die Leiterin des Caritas-Altenzentrums St. Martha in Speyer, durch die Impfung. Für sie sind einfach noch zu viele Fragen im Zusammenhang mit der Impfung offen: Schützt die Impfung auch wirklich vor den Mutanten? Können Geimpfte das Virus weitertragen? Und wie lange wirkt der Impfschutz überhaupt? Die Bewohner im St. Martha wurden mit Biontech geimpft, unter Umständen werde da bereits im September oder Oktober die nächste Auffrischung fällig. Dann kämen ständig neue noch nicht geimpfte Bewohner hinzu und auch von den Mitarbeitern haben sich nur etwa 70 Prozent impfen lassen. "Für uns ist die Situation nicht erheblich anders als vorher", sagt Gudrun Wolter - auch vor dem Hintergrund der seit Wochen hohen Infektionszahlen in Speyer.
Mehr Freiheit für Geimpfte in Pflegeheimen - das ergibt aus ihrer Sicht keinen Sinn, solange die Menschen außerhalb der Heime nicht ebenfalls durch die Impfung geschützt sind. An eine Rückkehr zu den Gepflogenheiten vor der Pandemie, als das St. Martha ein offenes Haus war, in dem jeder kommen und gehen konnte, wie er wollte, glaubt sie nicht. "Die Kontrollen werden bleiben müssen, und sei es, um zu kontrollieren, ob jemand geimpft ist, der das Haus betrifft", sagt sie. Den Alltag versuchen sie und ihr Team so normal wie möglich zu gestalten, die Stimmung unter den Bewohnern sei gut. Auch wenn alle Veranstaltungen wie etwa ein nachösterlicher Markt im Freien Corona-konform durchgeführt werden müssen. Auch Rehasport ist wieder möglich. "Es sind kleine Schritte in ein 'neues Normal'", so die Heimleiterin. Und: "Wir sind und bleiben wachsam, denn die Situation wird uns noch lange begleiten."
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