Schuldnerberatung Speyer
"Nicht alle werden es schaffen, Nachzahlungen aus eigener Kraft zu stemmen"
Speyer. Im März 2022 ist die jährliche Inflationsrate in Deutschland auf 7,3 gestiegen. In der früheren Bundesrepublik gab es einen solch hohen Wert zuletzt 1981. Extrem steigende Verbraucherpreise stellen immer mehr Haushalte vor eine finanzielle Herausforderung. Diese Rückmeldungen erhalten auch Bernhard Guttenbacher und Sandra Balbach von ihren Klienten, doch das dicke Ende kommt wohl erst noch. Bei der Schuldnerberatung der Diakonie Speyer rechnet man fest mit einem Anstieg der Nachfrage in ihrem Zuständigkeitsbereich, der Stadt Speyer und dem südlichen Rhein-Pfalz-Kreis. Spätestens wenn die Nachzahlungen bei den Energieversorgern fällig werden.
Rund ein Drittel der Menschen, die zur Speyerer Schuldnerberatung kommen, leben von Grundsicherung. "Da kann man keine Rücklagen bilden", weiß Bernhard Guttenbacher. Finanzielle Polster, auf die man in Krisenzeiten zugreifen kann: Fehlanzeige. Im schlimmsten Fall drohe die Energiesperre. "Das Thema wird im Laufe des Jahres vehement aufschlagen", sind sich die beiden Schuldnerberater einig. Ihr Tipp: sich vorher Hilfe holen und nicht erst warten, bis der Strom abgestellt ist. Es gehört zum Konzept der Schuldnerberatung in Speyer, dass in akuten Krisen zeitnah ein erster Beratungstermin angeboten wird, um Perspektiven und Hilfe anzubieten. Eine bis drei Wochen dauert es bis zum Ersttermin. Die Beratungsstelle hat ihren Sitz im Haus der Diakonie - und ist damit auch bestens mit der Sozialberatung im Haus vernetzt.
Häufig haben die Ratsuchenden schon länger finanzielle Probleme, glauben aber, dass sie ihre Finanzen alleine gestemmt kriegen. Dann passiert etwas Unvorhergesehenes - und die Lage kippt. Gut wenn man dann mit jemandem sprechen kann, der einem hilft, nicht in die Zahlungsunfähigkeit abzurutschen, der in Sachen Haushaltsführung, Einkommenssteigerung, Sozialleistungen und Einsparmöglichkeiten berät. Die Auslöser für Überschuldung sind schwer planbar: Oft ist es Arbeitslosigkeit, Krankheit, aber auch Trennung oder Scheidung führen zu finanziellen Schieflagen. Das Gros der überschuldeten Menschen ist dann auch zwischen 30 und Mitte 40 - die Zeit, in der Familien gegründet und entsprechende Anschaffungen getätigt werden. Doch seit einigen Jahren sehen Sandra Balbach und Bernhard Guttenbacher verstärkt auch ältere Menschen in der Schuldnerberatung. Menschen, die ihre finanziellen Belastungen mit in die Rente genommen haben, die Rückzahlungen aber mit der Hälfte ihres bisherigen Erwerbseinkommens nicht mehr leisten können. Auch die steigenden Mieten haben sich zu einem neuen Überschuldungs-Risiko entwickelt.
"Die Augen nicht vor der Realität verschließen!"
"Ein hoher Anteil des Einkommens fließt inzwischen in Mietzahlungen und Energiekosten, so dass es Menschen gibt, die ihren anderen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können", sagt Bernhard Guttenbacher. Dass Speyer eine der Städte mit den höchsten Mieten in Rheinland-Pfalz ist, sei ein großes Problem. Generell raten die Schuldnerberater dazu, die Augen nicht vor der Realität zu verschließen und sich lieber früher mit finanziellen Problemen auseinanderzusetzen, Kontakt zu suchen zur Sozialberatung, zur Schuldnerberatung oder zur Verbraucherzentrale. Es gehe darum, sich rechtzeitig Rat zu holen und konkret Dinge zu ändern, um Kosten einzusparen. So sei es zum Beispiel leichter, eine Energiesperre zu vermeiden, als hinterher zu erwirken, dass der Strom wieder angeschaltet wird.
"Es ist hilfreich, bei Zahlungsproblemen rechtzeitig mit dem Versorgungsunternehmen zu sprechen und gemeinsam eine Lösung zu finden", sagt Bernhard Guttenbacher. "Nicht alle Haushalte werden es schaffen, die offenen Forderungen der Energieversorger aus eigener Kraft aufzufangen", befürchtet er. Das Sozialleistungsrecht sieht Hilfen vor, um Sperren zu vermeiden. Aber auch hier sollte man lieber früher als später vorsprechen und ausloten, welche Optionen es gibt.
Was man außerdem schon mal tun kann, um für die nächste Strom- oder Heizungsabrechnung gewappnet zu sein? Prüfen, ob Abschlagszahlungen noch aktuell sind. Eventuell sei es sinnvoll, die Zahlungen freiwillig zu erhöhen, um nicht oder nicht so viel nachzahlen zu müssen. Und wer den Überblick über seine Finanzen behalten will, sollte nicht nur die monatlichen Kosten im Blick haben, sondern auch prüfen, welche Zahlungen zusätzlich jährlich geleistet werden: an Versicherungen oder Vereine zum Beispiel.
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Weitere Informationen
https://verbraucherzentrale-energieberatung.de/energie-sparen/
https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/geld-versicherungen/kredit-schulden-insolvenz/stromsperre-was-nun-11674
https://www.diakonie-pfalz.de/ich-suche-hilfe/hilfe-bei-schulden/schuldner-und-insolvenzberatung
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