Pizza für Gäste der SAS und der Mahlzeit
"Speyer hat ein großes Herz"
Speyer. Steffi (Name von der Redaktion geändert) ist 2010 an Krebs erkrankt. Mit der Krankheit hat sich ihr ganzes Leben verändert. Bis dahin hatte sie einen Job, eine gemütliche Eigentumswohnung, ein Auto und genug zum Leben. Jetzt ist Steffi früh verrentet - und obwohl sie jahrzehntelang Vollzeit gearbeitet hat, reicht die Rente nicht zum Leben.
Ihre Eigentumswohnung musste sie verkaufen. Neun Jahre ist das jetzt her, aber man merkt ihr an, dass es sie heute noch schmerzt. Nebenbei geht Steffi bei einer Familie bügeln - damit sie, der eine gepflegte Erscheinung wichtig ist, sich den Friseurbesuch leisten kann. Viermal in der Woche kann sie bei der Mahlzeit für einen Euro essen. Dafür ist sie, die von nirgendwo sonst finanzielle Unterstützung erfährt, dankbar. Pizza allerdings, Pizza gibt es bei der Mahlzeit nicht. Umso mehr freut sie sich, dass sie an diesem Samstagmittag bei Papii's Pizza zu Gast sein und aus der Speisekarte auswählen darf.
"Armut kann jeden treffen." Stefan Wagner, Initiator und gute Seele der Sozialen Anlaufstelle Speyer (SAS), wird niemals müde, diesen Satz zu wiederholen. "Wenn das Leben mit einem Achterbahn fährt, dann verliert man leicht die Struktur." Diese Erfahrung hat Wagner am eigenen Leib gemacht. Mit der SAS will er Menschen in dieser Lebenssituation Hilfestellung anbieten. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.
In Speyer rennt er mit seinem Anliegen inzwischen offene Türen ein. "Speyer hat ein großes Herz", sagt Stefan Wagner. Obwohl die SAS im ehemaligen Kiosk am Festplatz erst im Herbst gestartet ist, ist er bereits völlig überwältigt von der Unterstützung und Hilfsbereitschaft der Speyerer. "Es gibt in Speyer viele gute Leute", sagt er. Einer von ihnen ist Viktor Strauss.
Der Inhaber von "Papii's Pizza" in der Wormser Landstraße lädt an diesem Samstagmittag Gäste der SAS und der Mahlzeit dazu ein, nach Herzenslust aus Pizza, Pasta und Salaten von der Karte auszuwählen. Die Menschen, die sich in ihrem Alltag keinen Besuch in einem Restaurant leisten können, sie sind ihm herzlich Willkommen. Und zwar jederzeit.
"Ich möchte etwas zurückgeben an die Stadt, an die Gemeinschaft", sagt er. Schon in seiner vorhergehenden Tätigkeit hat der Gastronom gemeinsam mit Stefan Wagner Sandwiches im Adenauerpark verteilt. Ebenso selbstverständlich beteiligt er sich an der neuen SAS-Cup, einer diskreten Thermotasse, die sich die Gäste der SAS bald im kompletten Stadtgebiet von "Wirten mit gutem Herz" füllen lassen können.
Mit Steffi lassen sich heute noch 33 weitere Gäste von Viktor Strauss und seinem Team kulinarisch verwöhnen. Stefan Wagner wünscht sich, dass seine Gäste nicht länger glauben, sich für ihre Armut schämen zu müssen. Dafür sei es aber wichtig, dass die Gesellschaft würdevoll mit ihnen umgeht. Vor allem der Friseurservice, den die SAS ihren Gästen anbietet, belege das eindrücklich.
Mit der neuen Frisur ändere sich die Körpersprache. "Wenn die Menschen mit einem anderen Gefühl rausgehen, sich nicht länger schämen, dann sind sie offener, auch einmal andere Wege zu gehen und Hilfe anzunehmen", so Wagners Erfahrung. Steffi zum Beispiel hat so gerade ein Paar dringend benötigter Winterschuhe erhalten. Eine kleine Erleichterung bei der täglichen Herausforderung, mit viel zu wenig Geld den Alltag im reichen Deutschland zu bestreiten.
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