Unfallchirurg gibt Tipps für das nächste Glatteis auf dem Gehweg
Speyer. Das letzte Glatteis in Speyer Mitte Januar ist vielen Mitarbeiter*innen im Sankt Vincentius Krankenhaus Speyer noch in Erinnerung. Es bescherte in kürzester Zeit eine übervolle Zentrale Notaufnahme und zahlreiche unfallchirurgische Operationen.
„Es war schon tückisch“ berichtet Thomas Goldmann, Leitender Arzt der Zentralen Notaufnahme. „Die Straßen waren frei, aber die Gehwege an einigen, aber nicht an allen Stellen spiegelglatt“, erinnert sich der Mediziner, der selbst vor Dienstbeginn sein Fahrrad stehen ließ.
In kürzester Zeit sei dann auch die Zentrale Notaufnahme voll gewesen, so Goldmann. Der spontane Anstieg an Knochen- und Gelenkverletzungen war sofort spürbar. So mussten neben zahlreichen Unterarmbrüchen, unter anderem fünf Patienten mit einer gebrochenen Hüfte/Becken, insgesamt fünf Oberarm- und vier Sprunggelenkbrüche versorgt worden.
Das Ärzte- und Pflegeteam der Zentralen Notfallaufnahme hatte an diesem Tag alle Hände voll zu tun. Schnell fanden sich auch Pflegefachkräfte und Ärzte aus anderen Kliniken des Krankenhauses zur Unterstützung. Mit großem Aufwand wurde das OP-Programm angepasst, damit der erhöhte Anfall von akuten Verletzungen versorgt werden konnte. Nur einige wenige Patienten mussten aufgrund der Schwere ihrer Verletzung nach einer Erstversorgung in die BG-Unfallklinik nach Ludwigshafen verlegt werden.
„An Glatteis-Tagen operieren wir rund um die Uhr. Bei Brüchen an Armen, Beinen oder Hüfte können wir schnell und gut helfen“, so Dr. Werner Schrammel, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie. „Bei Stürzen auf den Kopf oder die Hüfte können Verletzungen aber auch schnell lebensbedrohlich werden“, ergänzt der Mediziner. Einer seiner Tipps heißt daher: Bei Glatteis: Hände aus den Taschen.
Gerade für ältere Menschen oder bei Einnahme von Blutverdünnern können Stürze sehr gefährlich werden – es drohen schwere Verletzungen wie Blutungen im Gehirn bei Schädel-Hirn-Trauma oder ein Blutverlust bei Oberschenkel-/Beckenbruch. Daten aus dem TraumaRegister DGU (Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie) zeigen, dass die Zahl der Schwerverletzten durch Stürze bei den über 70-Jährigen in den Wintermonaten stark steigt. Experten sehen hierbei einen unmittelbaren Zusammenhang zu den jährlichen Glatteisunfällen. Dr. Werner Schrammel erklärt: „Ältere Menschen sind aufgrund ihrer geschwächten Knochensubstanz viel gefährdeter. Bei einem Sturz kommt es daher schnell zu einem Bruch von großen und sonst stabilen Knochen wie der Hüfte. Eine Hüftprothese ist dann nötig, um die Mobilität zu erhalten. Durch die Operation werden die älteren Menschen jedoch in erheblichem Umfang belastet.“
Damit Fußgänger auf spiegelglattem Untergrund sicherer unterwegs sind, gibt der Mediziner weitere Tipps:
Vorbeugend langsam zu gehen: Der Pinguin macht es vor. Beim Pinguin-Gang wird der Körperschwerpunkt über dem vorderen, also dem auftretenden Bein ausgerichtet. Man bewegt sich äußerst langsam und schiebt sich mit kleinen Schritten auf ganzer Sohle über den Boden. Die leicht nach vorn geneigte Körperhaltung sorgt so für mehr Stabilität. Damit sinkt die Gefahr, auf spiegelglattem Untergrund das Gleichgewicht zu verlieren und zu stürzen. Sollte es doch zu einem Sturz kommen, kann durch die leicht nach vorn gebeugte Haltung reflexartiger nach vorne gefallen und abgerollt werden.
Halt suchen: Mit einer Person eingehakt gehen oder sich an der Häuserwand oder einem Geländer entlang tasten.
Im Winter nur Schuhe mit Profil tragen: Wer im Arbeitsleben elegante Schuhe tragen muss, sollte auf diese erst im Büro wechseln.
Für gangunsichere ältere Menschen: Keine unnötigen Gefahren eingehen und bei Glätte nicht vor die Haustür gehen. „Eine Patientin mit einem Oberschenkelhalsbruch berichtete, dass sie nur die Zeitung aus dem Briefkasten holen wollte“, so Schrammel. „Diese musste sie dann leider in einem Zimmer unseres neuen Bettenhauses lesen.“
„Ich bin froh und auch stolz auf mein Team“, so Goldmann, „dass die medizinische Versorgung in der Interims-Notaufnahme so gut geklappt hat!“ Trotz den aktuell beengten Raumverhältnissen in der Modulstation, haben alle Notfallpatienten versorgt werden können. Ein großes Lob ginge auch an die Kollegen aus der Küche. Sie versorgten das Team, das keine Pause machen konnte sowie Patienten und Angehörige während ihrer Wartezeit mit Essen und Getränken.
Seit Mai 2023 wird die Zentrale Notaufnahme im Sankt Vincentius Krankenhaus umfänglich renoviert und modernisiert. Eine Neueröffnung ist für Mitte des Jahres geplant. Für die Neugestaltung wird die Krankenhaus-Stiftung der Niederbronner Schwestern, Träger des Sankt Vincentius Krankenhauses insgesamt circa 5,3 Millionen Euro investieren, das Land unterstützt mit insgesamt 3,47 Millionen Euro. Die neue Zentrale Notaufnahme bietet dann auf insgesamt fast 900 Quadratmetern 20 Behandlungsplätze für ZNA und EBZ (Elektives Behandlungszentrum), einen separater Bereich für infektiöse Patienten, getrennte Lüftungsanlage und zwei neue zentrale Anmeldungen mit zwei großen Wartebereichen. red/bas
Autor:Charlotte Basaric-Steinhübl aus Ludwigshafen |
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