Soziale Anlaufstelle Speyer
"Wir dürfen diese Menschen nicht vergessen"
Speyer. "In diesem Jahr haben wir alles durch, das Positive wie das Negative", bilanziert Stefan Wagner von der Sozialen Anlaufstelle Speyer (SAS). Seit gut einem Jahr fungiert das alte Kiosk am Messplatz als Anlaufstelle für Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen derzeit nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. 780 Anfragen sind in dieser Zeit auf die ehrenamtlichen Helfer der SAS eingeprasselt: Von suizidalen Gedanken, weil jemand in der Coronazeit einfach nicht mehr weiter wusste, bis hin zu einem zwölfjährigen Jungen, der einem Obdachlosen ein verspätetes Weihnachtspaket packen wollte, war alles dabei.
Für Menschen, die obdachlos oder von Obdachlosigkeit bedroht sind, hat die Pandemie eine eh schon schwierige Situation noch schwieriger gemacht. Für sie seien die Coronaregeln nur schwer einzuhalten - und auf der Maxi derzeit einen Euro zu schnorren, sei nahezu unmöglich. Um so größer ist die Dankbarkeit dafür, dass die SAS - bis auf den Friseurservice - ihren Gästen das gewohnte Angebot macht: eine warme Dusche, Lebensmittel, Hygieneartikel, saubere Kleidung, ein heißer Kaffee und Informationen. Zwar muss das Café noch geschlossen bleiben, aber Stefan Wagner sieht die Speyerer Einrichtung in Sachen Hygienekonzept ganz weit vorne.
Speyerer Einrichtung in Sachen Hygiene ganz weit vorne
An der Eingangstür ist ein Spuckschutz angebracht. Hier kann jeder Gast dem ehrenamtlichen Helfer sein Anliegen schildern. Kontaktlos und mit genügend Abstand. Durch die selbe Tür gibt es auch einen Kaffee to go. Wetterfeste Schirme sorgen dafür, dass die Gäste der SAS auf Abstand, aber dennoch im Trockenen stehen. Drei Monate hatte die Begegnungsstätte im Frühjahr 2020 geschlossen - "Das war für unsere Gäste eine schlimme Zeit", sagt Wagner, dann damals seien alle Hilfsangebote auf einmal weg gebrochen.
Außerhalb der Öffnungszeiten (dienstags und freitags von 9 bis 11Uhr) kann man telefonisch unter 0178 1429191 Kontakt aufnehmen oder die während der Schließung installierte Kontaktbox nutzen. Gemeinsam mit der Wohnraumsicherung der Stadt und ehrenamtlichen Helfern wurde ein mobiler Lieferservice mit Notfallpaketen für Bedürftige ins Leben gerufen – ein Angebot, das auch über die Pandemie hinaus bestehen bleiben soll.
Wer duschen will, der muss sich anmelden und auf dem Weg zur Dusche eine FFP2-Maske tragen. Anschließend wird der Bereich komplett desinfiziert und gelüftet. Kleidung kann zum Waschen abgegeben und am nächsten Öffnungstag sauber wieder abgeholt werden. Die neueste Errungenschaft macht die SAS noch ein bisschen sicherer: Stefan Wagner hat bei einem Gewinnspiel einen mobilen Luftreiniger gewonnen, den er gerne der SAS spendet. Das Hightech-Gerät kann immer da aufgestellt werden, wo es gerade Bedarf gibt.
"Hier arbeiten tolle Ehrenamtliche"
"Wir dürfen diese Menschen auch jetzt nicht vergessen", sagt Wagner. Er selbst befindet sich seit zehn Monaten in Schutzquarantäne. Als Angehöriger einer Hochrisikogruppe kommt er nur in die SAS, wenn niemand sonst da ist. Zum Glück ist das Gros der Helfer vor Ort und sorgt dafür, dass der Betrieb aufrecht erhalten wird. "Hier arbeiten tolle Menschen", sagt Wagner. Er weiß aber auch: Ehrenamt ist nicht gleich Ehrenamt. Und nicht jeder eignet sich für die Arbeit mit den Gästen der SAS.
Einer, der neu mit dabei ist, aber jetzt schon super passt, ist Nicholas Herbin. Der 20-Jährige ist von der Wichtigkeit der Arbeit der SAS überzeugt - und will sich einbringen. Wichtig ist ihm, allen Menschen in der Begegnungsstätte gleichermaßen mit Respekt zu begegnen. "Herzensgute Menschen" hat er hier bereits kennen gelernt. Man kommt ins Gespräch, lacht gemeinsam. "In Speyer eine Wohnung zu finden, ist schwer", weiß der 20-Jährige. Obdachlosigkeit könnte jeden treffen.
Die Pandemie hat auch alle Pläne zur Erweiterung des SAS-Angebots erst einmal gestoppt, aber Stefan Wagner wünscht sich für die Zukunft ein Fußpflege-Angebot für seine Gäste und die SAS-Cup, ein Angebot, das er gemeinsam mit Speyerer Gastronomen auf den Weg bringen will, wenn die wieder öffnen dürfen.
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