BZgA-Expertenteam berät zum Thema Alkohol
Der Körper lernt schnell
Ratgeber. So mancher hat in den vergangenen Monaten öfter zum „Seelentröster Alkohol“ gegriffen. Dass das ein Problem werden kann, stellten viele Wochenblatt-Leser fest. Entsprechend rege war der Bedarf, bei einer Telefonaktion darüber mit den Experten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zu sprechen. Was tun, wenn Partner oder Sohn zu viel trinken? Wie viel Alkohol verträgt die eigene Gesundheit? Und wie schafft man es, weniger zu trinken? Hier einige Antworten auf Fragen von Wochenblatt-Lesern:
???: Während des Lockdowns habe ich abends öfter Wein getrunken um zu entspannen. Bei zwei, drei Gläsern am Abend ist es geblieben. Könnte das auf Dauer gefährlich werden?
BZgA: Die psychoaktive Wirkung von Alkohol ist zwar zunächst oft mit einer Stimmungsaufhellung verbunden. Aber letztlich kann Alkohol die Symptome von Depressionen, Panikattacken und anderen psychischen Störungen verstärken. Gefährlich ist außerdem die dauerhafte Verknüpfung von Stressabbau und Alkohol. Der Körper lernt schnell, dass er sich nur entspannen kann, wenn er Wein bekommt. Das Problem ist, dass man mit der Zeit die Dosis erhöhen muss, um die gleiche Wirkung zu erzielen.
???: Abends ein, zwei Bier - ist das zu viel?
BZgA: Die BZgA empfiehlt gesunden, erwachsenen Männern, nicht mehr als zwei Standardgläser Alkohol pro Tag. Für Frauen gilt: nicht mehr als ein Standardglas. Standardgläser sind nicht groß, beispielsweise ein Bierglas mit 0,3 Litern Inhalt, ein Weinglas mit einem Achtel Liter oder ein Schnapsglas mit 4 cl. Mindestens zwei Tagen pro Woche sollten alkoholfrei sein, um einen Gewöhnungseffekt zu vermeiden.
???: Mein Mann trinkt immer mehr - es sind täglich drei, vier Flaschen Bier und ein paar Schnäpse. Mir macht das große Sorgen, aber er will sich nicht ändern. Ist er schon Alkoholiker?
BZgA: Der Übergang von starker Gewöhnung hin zu einer Abhängigkeit ist fließend. Aber es geht ja auch darum, dass er Ihnen mit seinem Alkoholmissbrauch Angst macht und das billigend in Kauf nimmt. Überlegen Sie, ob Sie bereit sind, das noch länger zu ertragen. Wenn nicht, dann sagen Sie ihm klar und deutlich, dass Sie sein Verhalten massiv stört. Drängen Sie darauf, es zu verändern. Je konkreter Sie Ihre Forderung formulieren, desto besser. Suchen Sie für das Gespräch eine Zeit, in der er nüchtern ist. Wenn er weiter blockiert, wäre eine Frauenberatungsstelle für Sie vielleicht hilfreich, damit Sie Unterstützung bekommen.
???: Wir mixen uns abends häufig Cocktails. Morgens bereue ich das oft, weil ich mich nicht fit fühle. Doch ich schaffe es selten, abends nichts zu trinken. Was empfehlen Sie?
BZgA: Vielleicht gibt es Alternativen, die Ihnen auch einen angenehmen Abend bereiten könnten. Würde Ihnen zum Beispiel ein Spaziergang gut tun? Im Anschluss vielleicht ein Aroma-Bad? Können Sie sich ruhige Musik, einen guten Film, ein unterhaltsames Spiel oder ein interessantes Buch für den Abend vorstellen? Was die Getränke betrifft es gibt auch alkoholfreie Cocktails. Rezepte finden Sie unter www.kenn-dein-limit.de/alkoholverzicht/alkoholfreie-drinks/
Ohne abendlichen Alkoholkonsum ist man am nächsten Morgen ausgeruhter, da der Schlaf tiefer ist.
???: In diesem Sommer, in dem ich nur zu Hause saß, habe ich am Tag fünf, sechs Flaschen Bier getrunken. Von der Menge komme ich nicht mehr runter. Was tun?
BZgA: Suchen Sie das Gespräch mit Experten. Machen Sie am besten gleich einen Termin bei einer Suchtberatungsstelle für ein erstes Informationsgespräch. Adressen stehen unter www.kenn-dein-limit.de im Internet. Man sollte, wenn man motiviert ist, möglichst umgehend Taten folgen lassen. Die Beratung ist anonym und kostenlos.
???: Ich trinke immer mehr und weiß, dass ich das ändern muss. In eine Suchtberatungsstelle möchte ich nicht, ich schäme mich …
BZgA: Es besteht überhaupt kein Grund sich zu schämen, im Gegenteil. Sie sind ja schon einen wichtigen Schritt gegangen. Sie haben Ihr Problem erkannt und wollen etwas dagegen tun. Über die Gespräche in der Beratungsstelle wird nichts nach Außen dringen. Denn die Experten dort unterliegen genau wie Ärzte einer Schweigepflicht. In der Regel steht am Anfang ein Einzelgespräch, in dem erörtert wird, welche Methode für Sie die beste sein könnte.
???: Unser Sohn (16) betrinkt sich sehr oft, vor allem am Wochenende. Mein Mann meint, dass das zu dem Alter dazu gehört. Ist das so?
BZgA: Nein, jeder Schluck Alkohol und insbesondere das Rausch-Trinken sind für Jugendliche gesundheitlich riskant, da der Reifungsprozess des zentralen Nervensystems noch nicht abgeschlossen ist. Versuchen Sie, mit Ihrem Sohn darüber ins Gespräch zu kommen. Sagen Sie ihm, dass und warum Sie sich Sorgen machen. Für mehr Informationen können Sie ihm das Internetportal der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung speziell für Jugendliche und junge Erwachsene unter www.kenn-dein-limit.info empfehlen.
???: Seit ich Rentner bin, langweile ich mich oft und werde trübsinnig. Mit Alkohol geht es mir besser. Aber das kann doch keine Lösung auf Dauer sein …
BZgA: Nein, wenn Sie so weiter machen, geraten Sie immer mehr in einen Teufelskreis. Die Schwermut kann man zwar eine Zeitlang mit Alkohol betäuben, aber man muss die Dosis immer mehr erhöhen, um den gleichen Effekt zu haben. Dann wird der Alkohol selbst zum Problem. Es hört sich so an, als seien Sie nach Beendigung des Arbeitslebens in eine Depression gerutscht. Oft steht eine psychische Grunderkrankung hinter einer Sucht. Ich rate Ihnen, das ärztlich untersuchen und gegebenenfalls behandeln zu lassen. Dann besteht die Chance, dass Sie wieder Freude am Leben haben und dass Sie den Alkohol nicht mehr brauchen.
Weitere Informationen
Sucht-Beratungstelefon der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
Montag bis Donnerstag von 10 bis 22 Uhr, Freitag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr
Telefon: 0221 892031
Kostenlose Info-Materialien zum Thema unter www.bzga.de/Infomaterialien
Für Jugendliche unter 16 Jahren: www.null-alkohol-voll-power.de
Für Jugendliche von 16 bis 20 Jahren: www.kenn-dein-limit.info
Für Erwachsene: www.kenn-dein-limit.de
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