SchUM-Stadt Speyer
Rheinisches Jerusalem

Der Judenhof war das Zentrum des ehemaligen Judenviertels in Speyer | Foto: GDKE Rheinland-Pfalz/Jürgen Ernst
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  • Der Judenhof war das Zentrum des ehemaligen Judenviertels in Speyer
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Speyer. Die SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz erzählen als Unesco-Welterbe vom Verbund der Gemeinden im Mittelalter. Die mittelalterlichen Gemeindezentren, Monumente und Friedhöfe in den drei Städten berichten von jüdischer Identität, Religion, Gelehrsamkeit und Resilienz. Von Verwurzelung und Brüchen, von Zerstörung und Neubeginn. „Die Gemeinden“ prägten Architektur, Kultur, Religion und Rechtsprechung der mittel- und osteuropäischen Juden. In einzigartiger Dichte und Vollständigkeit sind in den drei Städten Zeugnisse einer lebendigen jüdischen Tradition erhalten. Hier stand die Wiege des aschkenasischen Judentums. Doch die SchUM-Städte stehen nicht nur für Jahrhunderte alte Wurzeln, sondern auch für die Verbindung in eine jüdische Gegenwart und Zukunft.

Als „die Weisen von Speyer“ wird eine Gruppe der zehn berühmtesten Gelehrten der Talmudschule der Jüdischen Gemeinde Speyer bezeichnet. Neben der Auslegung und mündlichen Lehre des Talmud verfassten Mitglieder der Gruppe Kommentare zum Talmud, Kommentare zu Talmud-Traktaten, religiöse Lehrbücher, Gedichte, Gebete, Lieder, Hymnen, Texte zur Kabbala, ein Talmud-Lexikon und religiöse Rechtsgutachten. Einige waren Mitglieder des jüdischen Gerichtshofes in Speyer, andere politisch als Vertreter ihres Volkes aktiv, einige auch als Geschäftsleute. Die Gelehrten betrachteten sich als Schüler und Erben der Propheten des alten Israel.

Jüdisches Zentrum der Gelehrsamkeit

Die jüdische Gemeinde Speyers gehörte in diesen Jahren zu den bedeutendsten des Reiches, war ein wichtiges Zentrum zum Studium der Thora und trug über die Jahrhunderte trotz Verfolgung und Vertreibung erheblich zum geistigen und kulturellen Leben der Stadt bei. Auf einer Rabbinersynode in Troyes wurden den jüdischen Gemeinden von Speyer, Mainz und Worms die Führung der Juden in Deutschland übertragen. Diese Gemeinden bildeten einen Bund namens „SchUM“, der von den Juden in ganz Deutschland als Autorität in rechtlichen und religiösen Fragen anerkannt wurde. Die SchUM-Städte hatten ihren eigenen Ritus und die Beschlüsse ihrer Synagogen, Takkanot Schum, und behielten diese Stellung bis etwa Mitte des 13. Jahrhunderts bei. Wegen der geistigen Ausstrahlung der dort blühenden jüdischen Gemeinden wurden diese drei Städte im Mittelalter als rheinisches Jerusalem gerühmt.

Mikwe in Speyer ist Zeugnis des SchUM-Erbes

Die aufwändige Bauform mit dem langgezogenen Treppenabgang dient der Inszenierung spiritueller Reinheit  | Foto: Landtag RLP
  • Die aufwändige Bauform mit dem langgezogenen Treppenabgang dient der Inszenierung spiritueller Reinheit
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Synagogen, Frauenschuln, Lehrhäuser und Ritualbäder in Speyer und Worms sowie die alten jüdischen Friedhöfe in Worms und Mainz erzählen noch heute von der Bedeutung der SchUM-Gemeinden im Mittelalter. Im Zentrum des ehemaligen Judenviertels in Speyer, im Judenhof, ist die Monumentalmikwe aus der Zeit um 1120 erhalten. Das Ritualbad ist das älteste erhaltene seiner Art in Europa. Die Mikwe und ihre Anlagen waren für die Juden in Speyer bis zur Auflösung der Gemeinde ein zentraler Ort. Das Gelände wurde nach 1534 nicht mehr genutzt und verfiel.
Zur Mikwe gelangt man über eine lange Treppe, durch ein romanisches Portal, einen Vorraum mit einer steinernen Bank, der als Umkleideraum gedient haben mag, einen weiteren Vorraum und schließlich, wieder einige Stufen hinunter, zum Tauchbecken. Die Mikwe ist etwa elf Meter tief; sie diente der rituellen Reinigung. Die aufwändige Bauform mit dem langgezogenen Treppenabgang, der Plattform, den Säulen, dem Doppelfenster und dem aufwendig gestalteten Innenraum unterstützt die Inszenierung spiritueller Reinheit. Auch dies unterstreicht den einstigen Status der jüdischen Gemeinde in Speyer. Bis ins 20. Jahrhundert hinein waren Ritualbäder ein maßgeblicher Teil des Gemeindelebens – ohne Mikwe konnte keine Gemeinde bestehen, sie war wichtiger als die Synagoge.

Nur noch Reste von Synagoge und Frauenschul

Auf dem Gelände um die Mikwe befinden sich die gesicherten Reste der 1104 errichteten Synagoge und der Frauenschul. Diese stammt aus der Mitte des 13. Jahrhundert. In die Südwand der Synagoge wurden zur Frauenschul hin sechs teilweise heute noch sichtbare Hörschlitze eingefügt, damit die Frauen im Nachbarraum den Gottesdienst mithören und ihre eigenen Gebete und Gesänge dem Ablauf anpassen konnten. Auch eine steinerne Bank ist noch erhalten, auf der die Frauen während der Gottesdienste Platz nehmen konnten.
Die Synagoge war als Saalbau konzipiert. Die Umfassungsmauern sind teilweise erhalten, damit ist sie die am besten erhaltene Synagoge aus dem frühen 12. Jahrhundert in Europa. Weiterhin gilt sie als frühestes erhaltenes Beispiel einer Synagoge ihrer Bauform. Eine Brandspur im Baubefund wird mit dem Pogrom von 1196 im Verlauf des Kreuzzugs Heinrich VI. in Verbindung gebracht; um 1200 wird der Wiederaufbau der Synagoge vermutet. Aus dieser Zeit sind zwei Rundbogenfenster aus der Westwand erhalten. Sie blieben bis 1899 verbaut, bis man sie im Historischen Museum der Pfalz ausstellte. Von außen war die Synagoge vermutlich verputzt, darauf lassen kleinste Putzreste auf den Außenmauern schließen.
Die Fundamente der Jeschiwa wurden 1997/98 ergraben. Das Lehrhaus für das Studium der Tora war als Quadratbau mit Kreuzgewölbe angelegt. Der Bau aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ist als archäologische Stätte im Boden erhalten, seine Gestalt an der aufgehenden Ostwand der Synagoge und der Umfassungsmauer des heutigen Hofareals ablesbar. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts, nachdem es keine jüdische Gemeinde mehr in Speyer gab, blieb der Bau ungenutzt, wurde teilweise abgetragen und spätestens durch den großen Stadtbrand im Jahr 1689 zerstört.

Ruinen tragen Spuren der Pogrome

Die baulichen Reste lassen Rückschlüsse auf verschiedene Veränderungen zu, unter anderem infolge der Pogrome von 1196 und 1349 und den nachfolgenden Wiederaufbauten. Nach dem Niedergang der Gemeinde im 15. Jahrhundert wurde die Synagoge nach der Auflösung der Restgemeinde seitens der Stadt ab 1529 umgenutzt. Im Zuge dieser Umnutzung der Synagogen als Zeughaus wurde das aufgehende Mauerwerk der Jeschiwa teilweise abgetragen. Brände, Zerfall und Abrisse führten die Zerstörung fort. Die Shoah setzte der Ende des 18. Jahrhunderts neu gegründeten Gemeinde ein Ende.
Im Oktober 1996 entschieden zehn aus Osteuropa stammende Juden, erneut eine jüdische Gemeinde in Speyer zu gründen. Die Gemeinschaft erhielt als Jüdische Gemeinde Speyer e.V. den Status eines gemeinnützigen Vereins. Eine neue Synagoge entstand auf dem Gelände der ehemaligen Kirche St. Guido; Baubeginn war 2010. Am 9. November 2011 wurde die Synagoge Beith-Schalom - Haus des Friedens - eingeweiht, auf den Tag genau 73 Jahre nach der Pogromnacht 1938. Sie wird von der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz genutzt, die ihren Hauptsitz in Speyer hat. cob

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