Schlaflos über alle Berge
Radrennen „Mittelgebirge Classique“ beendet
Neustadt. Über eine Zweitauflage wollen Christoph Fuhrbach und Markus Kroell noch nicht reden, aber Grund dafür hätten die beiden Neustadter Radmarathonsportler allemal: Die erfolgreiche Premiere des Ultraradrennens „Mittelgebirge Classique“ geriet zu einem faszinierenden und vielbeachteten sportlichen Event und festigt den Ruf Neustadts als Stadt des Radsports.
Von Markus Pacher
Über Sieger und Verlierer zu reden, entspricht nicht dem Geist dieses ungewöhnlich harten, deutschlandweit einmaligen Rundkurses über vierzig Pässe. 1.065 Kilometer und über 22.000 Höhenmeter im wilden Auf und Ab durch den Pfälzerwald, die Vogesen und den Schwarzwald.
Outdoor-Abenteuer by fair means
Es ist ein Outdoor-Abenteuer, auf das sich die 150 Radsportler*innen da eingelassen haben. Und so einzigartig das Rennen, sind die Geschichten, die sie hinterher erzählen. 113 Stunden war die Zeitvorgabe, etwa die Hälfte schafft das – die Spitzenfahrer Lukas Becker (28 Jahre) und Christian Englert (58 Jahre) fast in der halben Zeit. Der eine, ein junger, in der Szene noch unbekannter Hobbyradsportler, der andere, ein erfahrener Extremausdauersportler. Allein diese beiden Teilnehmer geben einen kleinen Eindruck vom Spektrum der „Mittelgebirge Classique“. Ein Rennen, bei dem alle ambitionierten Sportler unabhängig von Alter und Geschlecht mitmachen können.
Strapazen und Romantik
Zu den Teilnehmern zählen auch Paare: Im Zweierteam begeben sich der aus Freiburg stammende 27-jährige Freizeitsportler Lars Konheiser mit Freundin Ada Haas auf eine „Tour de Force“, von der beide vorher noch nicht so ganz genau wussten, worauf sie sich da eingelassen haben. Mit von der Partie ist Markus Konheiser, der Vater von Lars. Die drei treffen zwar nach 83 Stunden fast gleichzeitig am Zielpunkt Hambacher Schloss ein, sind aber während der ganzen Strecke keinen einzigen Kilometer zusammen gefahren und haben sich unterwegs mehrfach eher „zufällig“ getroffen. Unabhängig von den Strapazen erzählen sie von ihrem persönlichen Highlight, das weniger etwas mit sportlichem Erfolg zu tun hat, sondern den landschaftlichen Erlebniswert des von Markus Kroell und Christoph Fuhrbach mit viel Liebe ausgetüftelten Rundkurses spiegelt – die nächtliche Ankunft am Grand Ballon, dem höchsten Vogesengipfel unter glitzernden Sternenhimmel mit Blick ins Rheintal und die rasante Abfahrt im Dunkeln werden für das junge Paar unvergessen bleiben.
"Umwerfende" Erlebnisse
Zu den spektakulären Ereignissen am Rande des Rennens zählt die Fahrradpanne von Luca Tabori, dem bereits nach 100 Kilometern die Kette riss, welche beim Abgang gleichzeitig die Halterung des Umwerfers zerstörte. „Ich entschied mich, im Bedarfsfall jeweils kurz vom Rad abzusteigen, um die Kette manuell umzuheben, bis ich es schließlich schaffte, den Wechsel des Zahnkranzes während der Fahrt zu vollziehen“, berichtet Luca von seinem haarsträubenden akrobatischen Unterfangen, bei dem er sich einmal den Finger einklemmte.
15 Müsliriegel und 18 Tüten Gummibärchen
Typisch für ein Self-Supported-Radrennen ist die unterschiedliche Art und Weise, wie die Fahrer ihre Verpflegung organisieren. So ist Andreas Becker-Pennrich, Siegerin bei den Frauen, mit einem zwei Kilo schweren Essenspaket gestartet, bestehend aus 18 Tüten Gummibärchen und 15 Müsliriegeln, während andere sich in den französischen Boulangerien mit leckeren Backwaren versorgten.
Den meisten Teilnehmern der „Mittelgebirge Classique“ geht es nicht um eine gute Platzierung, sondern vor allem um das Ausloten der persönlichen Leistungsgrenze. Etliche stiegen vorher aus, fahren das Rennen nur zur Hälfte, aber alle sind sich einig und schwärmen trotz Knieproblemen, Erkältungsbeschwerden oder Magengrummeln von der „Mittelgebirge Classique“ - und lassen es sich nicht nehmen, bei der Finisherparty dabei zu sein.
Eine positive Bilanz zieht auch das mit Christoph Fuhrbach, Markus Kroell, Christian Englert, Martin Waldenberger und Georg Sponholz besetzte Organisationsteam. „Wir sind immer nur strahlenden Gesichtern begegnet und haben während des gesamten Rennens keine einzig negative Silbe vernommen“, berichten sie einhellig. Ihr besonderer Dank gilt der Gastfreundschaft von Familie Blank, die am Passübergang Lipple im Südschwarzwald befindlichen Checkpoint rund um die Uhr ihre Pforten für die hungrigen und müden Radler offen hielten.
Fazit: Es ist die auf vergleichsweise engem Raum konzentrierte unglaubliche Anzahl der zu bewältigenden Höhenmeter, die offensichtlich viele Fahrerinnen und Fahrer reizt. Und natürlich der außergewöhnliche Charakter der Tour im Sinne eines Outdoor-Erlebnisses by fair means jenseits von Konkurrenzkampf und Doping.
Autor:Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße |
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