Stadt startet Kampagne zum Thema Gehwegparken
Alle brauchen Platz!

- Werben mit der Kampagne für ein respektvolles Miteinander im Straßenverkehr: (von links) Alexander Kuhn und Sebastian Geschwind (Ordnungsamt), Myriam Buddensiek Brundtlandbüro, Stadtrat Jörg Scheidel, Bürgermeister Matthias Baaß, Annemarie Biermas und Patricia Baumeister (Amt für Stadtentwicklung und Umweltplanung).
- Foto: Stadt Viernheim
- hochgeladen von Kristin Hätterich
Viernheim. Die Stadt Viernheim startet ab März eine breit angelegte Kampagne unter dem Motto „Alle brauchen Platz!“, um Bürgerinnen und Bürger für die Problematik des Gehwegparkens zu sensibilisieren und für ein respektvolles Miteinander im Straßenverkehr zu gewinnen. „Nur durch gegenseitige Rücksichtnahme schaffen wir ein sicheres Miteinander“, erklärt Bürgermeister Matthias Baaß, der mit Ersten Stadtrat Jörg Scheidel und Mitarbeitenden von Ordnungsamt, dem Amt für Stadtentwicklung und Umweltplanung sowie dem Brundtlandbüro am vergangenen Montag (17. Februar) die Kampagne im Rahmen einer Pressekonferenz vorstellt.
Ab März gilt in Viernheim eine Mindestbreite von 1,30 Metern auf Gehwegen, gemessen an der engsten Stelle, zum Beispiel zwischen Außenspiegel und Hauswand beziehungsweise Stromkasten. Parken auf Gehwegen an Kreuzungen, Fußgängerüberwegen und Bushaltestellen ist weiterhin nicht erlaubt und wird konsequent geahndet. Gehwege stehen grundsätzlich Fußgängern zur Verfügung, das gewählte Maß ist ein Kompromiss für Engstellen. Auch bei vorhandenen angrenzenden Parkplätzen wird zusätzliches Gehwegparken nicht geduldet. Feuerwehr und Rettungsdienste benötigen zudem eine Fahrbahnbreite von mindestens 3,50 Metern, um bei Einsätzen angemessen helfen zu können.
„Der Grund, warum wir das Gehwegparken jetzt in Angriff nehmen, ist ein wegweisendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Juni 2024, das Kommunen verpflichtet, aktiv gegen unerlaubtes Gehwegparken vorzugehen“, erklärt der Rathauschef. Hintergrund war eine Klage von Anwohnern in Bremen, die die Stadt zum Einschreiten gegen das Parken auf Gehwegen vor ihren Wohnungen bewegen wollten. Das Gericht entschied, dass es nicht ausreicht, wenn die Behörden lediglich auf das generelle Verbot verweisen. Sie sind verpflichtet, in angemessener Weise einzuschreiten. Das Gericht stellte klar: Gehwege sind gemäß StVO für Fußgänger vorgesehen. Das Interesse von Verkehrsteilnehmenden am ungehinderten Fortsetzen eines rechtswidrigen Verhaltens sei nicht schutzwürdig, auch wenn das Gehwegparken bislang geduldet wurde. Maßnahmen zur Beendigung dieser Praxis müssen jedoch angekündigt werden. Und die Stadt Viernheim muss auf dieses Urteil reagieren. Baaß: „Das ist keine leichte Aufgabe und uns ist bewusst, dass es Straßenbereiche gibt, in denen schwierige Situationen entstehen können. Daher haben wir uns entschieden, nicht rigoros vorzugehen, sondern haben ein Maß festgelegt, um flexibler auf unterschiedliche Gehweg- und Straßensituationen reagieren zu können“. Dabei setzen die Akteure auf die Vernunft und Einsicht der Bürger. Hinzukommt: „Die Baumaßnahmen zum Entlastungssammler haben gezeigt, dass es funktioniert und Bürger durchaus in der Lage sind, ihre Autos im Hof oder in ihrer Garage anstatt davor zu parken“, ergänzt Erster Stadtrat Jörg Scheidel. Auch Silvester sei jedes Jahr ein Paradebeispiel dafür, dass Autos wo anders geparkt werden können, so Baaß.
Gehwegparken ist zur Normalität geworden
Seit Jahrzehnten hat sich das Parken auf Gehwegen in vielen Straßen im Viernheimer Stadtgebiet etabliert, teils aus Platzmangel, teils aus Bequemlichkeit. Das Gehwegparken ist im Laufe der Jahrzehnte immer mehr zur Normalität geworden, trotz der klaren Regelung der Straßenverkehrsordnung (StVO), die das Gehwegparken nur auf ausgewiesenen Flächen erlaubt. Dies führt zu erheblichen Einschränkungen für Fußgänger, darunter Kinder, Eltern, Senioren und mobilitätseingeschränkte Personen, die oft gezwungen sind, auf die Fahrbahn auszuweichen. Auch Feuerwehr und Rettungsdienste stoßen zunehmend auf Probleme, wenn zugeparkte Straßen den Einsatz behindern. „Erst eine zurückliegende Befahrung des Stadtgebiets mit dem Drehleiterfahrzeug der Feuerwehr hat wieder gezeigt, wie wichtig es ist, dass für das Abstellen des Fahrzeuges ausreichend Platz vorhanden ist, um eine 100-prozentige Einsatzfähigkeit erreichen und somit in einem Notfall auch an die hintere Bebauung gelangen zu können“, betont Baudezernent Jörg Scheidel.
Die Maßnahmen innerhalb der Kampagne werden stufenweise eingeführt und durch verstärkte Kontrollen begleitet. Das Stadtgebiet wurde eigens dafür in elf Quartiere eingeteilt. Im Vorfeld werden die Bürger informiert, welcher Bereich des Stadtgebietes pro Monat besonders im Fokus steht, damit die Anwohnenden von sich aus reagieren können. Das Ordnungsamt wird in einem ersten Schritt Hinweiszettel an Fahrzeuge verteilen, um die Bürgerschaft zu informieren. Im zweiten Schritt erfolgt dann ein Verwarnungsgeld bei falschem Parken. Plakate in den jeweiligen Quartieren und mehrere Videos zu unterschiedlichen Themen weißen auf die Kampagne und den damit geforderten Platzbedarf hin.
Ab Beginn der Aktion werden die Erfahrungen aus den einzelnen Quartieren auch direkt in die Verkehrs- und Stadtplanung einfließen. „Kurzfristig ist so je nach Gegebenheit an manchen Problemstellen Abhilfe durch neue Markierungen möglich. Gleichzeitig spielen die Ergebnisse auch ein wichtige Rolle mit Blick auf die Zukunft, um den Straßenraum bedarfsgerecht zu gestalten“, erklärt Scheidel.
Der Titel der Kampagne „Alle brauchen Platz“ ist bewusst gewählt: „Alle sind betroffen, denn Autofahrende sind auch Fußgänger, zum Beispiel in Begleitung eines Kindes oder der Mutter mit Rollator“, erklärt Myriam Buddensiek vom Brundtlandbüro, die für die Kampagne auch die Öffentlichkeitsarbeit leitet.
Ziel der Kampagne ist, dass sich Personen auf dem Gehweg wieder sicher bewegen können. Kinder unter acht Jahren sind zum Beispiel verpflichtet, den Gehweg zu nutzen und Eltern dürfen diese auf dem Gehweg mit dem Fahrrad begleiten. Familien mit Kinderwagen brauchen den Platz für eine sichere Fortbewegung. Ältere Personen, die zur Aufrechterhaltung ihrer Bewegungsfreiheit auf einen Rollator angewiesen sind, müssen sich gut auf den Gehwegen bewegen können. Auch Radfahrende dürfen auf engen zugeparkten Straßen nicht in Gefahr geraten. Für mobilitätseingeschränkte Personen mit Behinderungen ist ein freier Gehweg zudem unerlässlich.
Rechtliche Hintergründe
Anwohnende von drei Straßen in Bremen wollten mit einer Klage die Stadt Bremen zum Einschreiten bringen, um das Parken von Fahrzeugen auf dem Gehweg vor ihren Wohnungen zu unterbinden. Das Bundesverwaltungsgericht hat letztinstanzlich entschieden, dass es nicht ausreicht, wenn die Straßenverkehrsbehörde darauf verweist, dass das Gehwegparken generell verboten ist. Stattdessen hat die Behörde die Pflicht in einer angemessenen Form einzuschreiten. Allerdings kann die Behörde Prioritäten in der Abarbeitung setzen.
Auszüge aus den Urteilsgründen:
Rn 33) Verbotenes Gehwegparken verletzt darüber hinaus auch die „Ordnung des Verkehrs“ im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO. Die auf den Gehwegen verbotswidrig abgestellten Fahrzeuge nehmen einen Verkehrsraum in Anspruch, der gemäß § 12 Abs. 4 und 4a StVO i. V. m § 25 Abs. 1 Satz 1 StVO namentlich den Fußgängern zur Nutzung zugewiesen ist.
Rn 54) Das Interesse der parkenden Verkehrsteilnehmer an einer ungehinderten Fortsetzung ihres rechtswidrigen Verhaltens kann den Interessen der Kläger (…) nicht entgegengehalten werden; es ist nicht schutzwürdig. Die langjährige generelle Duldung des unerlaubten Gehwegparkens durch die Beklagte kann allerdings erfordern, deren Beendigung und die geplanten Maßnahmen anzukündigen.
Auszug aus der Straßenverkehrsordnung:
§ 25 Fußgänger
(1) Wer zu Fuß geht, muss die Gehwege benutzen. Auf der Fahrbahn darf nur gegangen werden, wenn die Straße weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat. (…)
§ 2 Straßenbenutzung durch Fahrzeuge - Radfahrende Kinder
(5) Kinder bis zum vollendeten achten Lebensjahr müssen, Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr dürfen mit Fahrrädern Gehwege benutzen. (…) Soweit ein Kind bis zum vollendeten achten Lebensjahr von einer geeigneten Aufsichtsperson begleitet wird, darf diese Aufsichtsperson für die Dauer der Begleitung den Gehweg ebenfalls mit dem Fahrrad benutzen. (…) hät/red
Weitere Informationen:
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
Autor:Kristin Hätterich aus Mannheim |
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