„Heisenberger“ berichten über Auslandsjahr
Ein Schritt aus der Komfortzone
Bruchsal (Lara Herdrich). Es handelt sich um eines der wohl aufregendsten Themen, welches Schüler*innen mit dem Beginn der achten Klasse beschäftigt und für einiges an Gesprächsstoff sorgt: Habe ich den Mut, mein gewohntes, vertrautes Umfeld zu verlassen und den Schritt ins Ausland zu wagen? Klar ist, dass es viele Argumente gibt, die für einen Auslandsaufenthalt sprechen. Diese hören wir immer wieder von Lehrern, Eltern oder auch den Medien. Doch was ist mit all den Aspekten, die uns darüber hinaus noch beschäftigen?
DAS INTERVIEW beschäftigt sich mit eben diesen Themen, um hoffentlich einige Fragen zu beantworten, die euch möglicherweise bei eurer Entscheidung helfen, euch für eine Zeit nach England, Neuseeland, Kanada oder in viele andere Länder zu wagen.
„Oh ja, ich würde in dieser Sekunde am liebsten wieder aufbrechen.“ So antwortete Jette Werner (elfte Klasse), die das letzte Jahr in den USA verbracht hat, auf die Frage, ob sie sich wieder für die Zeit im Ausland entscheiden würde. In „DAS INTERVIEW: Auslandsjahr – Zeit deines Lebens?“ haben wir jedoch nicht ausschließlich ihr, sondern zusätzlich auch Jonathan Kühnel, der aktuell die zehnte Klasse besucht, einige Fragen über seinen Aufenthalt im Ausland gestellt. Denn wer könnte besser berichten als zwei „Heisenbergler“, die bereits den Schritt gewagt haben und nun wieder zurück an unserer Schule sind?
Somit hier zwölf Fragen zum Thema: „Auslandsjahr – Zeit deines Lebens?“
Frage: In welchem Land warst du und wie lange? Warum hast du dich für dieses Land entschieden?
Jette: „Ich war von Juli 2021 bis Juni 2022 in Oxford in den USA. Da ich in ein englischsprachiges Land wollte und zuvor schon mal mit meiner Familie in Virginia, USA gelebt habe, aber mich leider an die Zeit nicht erinnere, da ich zu jung war, wollte ich meine eigenen Erfahrungen dort machen.“
Jonathan: „Ich war für zehn Monate in Kanada und habe mich für meinen Auslandsaufenthalt dort entschieden, da meine Organisation zu Kanada anstatt den USA geraten hat. In Kanada sei die Infrastruktur besser, meinten sie. Somit kann man sagen, dass ich ursprünglich an beiden Ländern interessiert war. Außerdem wollte ich ans Meer. Das waren also meine ´Ausschlusskriterien´.
Frage: Was vermisst man am meisten so weit weg von zu Hause?
Jette: „Da ich zum Glück total von Heimweh verschont war, habe ich gar nicht so viel vermisst, sondern eher meine Zeit genossen und jede Erfahrung mitgenommen. Jedoch habe ich das Essen und vor allem Brot irgendwann sehr vermisst.“
Jonathan: „Anfangs tatsächlich das gewohnte Umfeld, denn man muss sich überall selbstständig neu zurechtfinden. Im Verlauf der Zeit dann jedoch auch sowas wie Parks und Aktivitäten mit Freunden und Familie. Vor allem, wenn besondere Events in Deutschland stattgefunden haben, bei denen man dann leider nicht dabei sein konnte, hat man sein Zuhause schon vermisst.“
Frage: Wem würdest du einen Auslandsaufenthalt empfehlen?
Jette: „Meinen Erfahrungen nach sollte man nicht zu introvertiert und unsicher sein, da du viel und häufig aus deiner Komfortzone gehen musst. Du solltest auch offen sein, dich anzupassen und den Druck des FOMO’s (fear of missing out; Die Angst etwas zu verpassen; Anmerk. d. Red.) standhalten können.“
Jonathan: „Jedem, der Lust auf etwas Neues hat und relativ selbstständig ist. Falls man nicht so gut in Englisch ist, ist das kein Problem.“
Frage: Hast du noch Kontakt zu Freunden aus dem Ausland?
Jette: „Ich habe auch fünf Monate später noch Kontakt zu meinen Freunden und mindestens einmal im Monat telefoniere ich mit meiner Familie. Auch mit meinen Lehrern und Coaches bin ich im Austausch.“
Jonathan: „Ja, mit einigen, aber vor allem den engeren Freunden.“
Frage: Hast du deinen Austausch mit oder ohne Agentur geplant? Gibt es dabei Vor- und Nachteile?
Jette: „Durch die Organisation „AFS“ hatte ich den Vorteil mich immer sicher zu fühlen, da ich einen Liasion, einen Ansprechpartner hatte, der sich einmal im Monat mit mir treffen musste und auch nicht weiter als fünf Minuten von mir weg gewohnt hat. Des Weiteren habe ich die besten Freundschaften mit anderen Austauschschülern aus der ganzen Welt geschlossen, die ich nur durch die AFS-Veranstaltungen kennenlernen konnte. Eine Organisation gibt dir zwar Regeln vor wie z.B. Alkoholverbot oder das Fahren motorischer Fahrzeuge, jedoch auch die Möglichkeit mit ihnen zusätzlich Reisen zu machen.“
Jonathan: „Ich habe meinen Austausch mit der Agentur „iST“ geplant. Vorteile am Planen mit einer Agentur sind, dass man einen guten Überblick über alle verschiedenen Möglichkeiten erhält und die Planung des Aufenthalts einfacher ist, da einem auch „Aufgaben“ abgenommen werden.
Nachteile sind, dass beim Planen mit einer Agentur jedoch auch mehr Kosten aufkommen, sodass der ganze Prozess letztendlich teurer ist, als wenn man sich privat um alles kümmert. Zudem ist man unflexibler, da man eben nicht alles selber in der Hand hat.“
Frage: Was sollte man in Hinsicht auf die Unterkunft im Ausland beachten?
Jette: „In meinem Fall wurde ich von meiner Organisation auf die Kultur in meinem Gastland vorbereitet. Hierbei gab es nur die eine Regel, dass nie die Tür deines Zimmers geschlossen werden durfte, wenn eine nicht gleichgeschlechtliche Person bei dir war. Auch würde ich immer mit einer Gastfamilie leben, anstatt eines Internats, da man viel mehr familiäre Kulturunterschiede erfährt und ich jetzt auch eine zweite Familie dazugewonnen habe.“
Jonathan: „Man sollte auf jeden Fall mitteilen, wenn man sich bei der Gastfamilie unwohl fühlt.
Ich habe zudem die Erfahrung gemacht, vieles eigenständig erledigen zu müssen, wie beispielsweise selber seine Wäsche zu waschen, und mich um Pausenbrote zu kümmern. Des Weiteren sind die Häuser der Gastfamilien oftmals qualitativ nicht so hochwertig, wie beispielsweise hier in Deutschland.“
Frage: Würdest du dich wieder für dein Auslandsjahr entscheiden und warum?
Jette: „Oh ja, ich würde in dieser Sekunde am liebsten wieder aufbrechen. Dieses Jahr hat mir so sehr gezeigt, was ich wertschätze und nie für selbstverständlich nehmen sollte. Auch habe ich so viel über mich selbst gelernt und was ich für Ziele im Leben habe. Jedoch würde ich mich dieses Mal für ein diverseres und exotischeres Land entscheiden, da ich noch größere Unterschiede zu Deutschland kennenlernen möchte.“
Jonathan: „Ja, definitiv! Es gab tolle Leute und viel neue Kultur kennenzulernen. Zudem hat sich mein Englisch stark verbessert. Und all das, während ich tolle Dinge erleben durfte sowie neue Aktivitäten ausüben und ausprobieren konnte.
Am meisten habe ich die Erfahrungen mitgenommen, die ich gesammelt habe, als ich das erste Mal so richtig alleine und auf mich gestellt war. Man muss natürlich erstmal lernen, all seine Probleme selbstständig zu lösen.“
Frage: Haben sich deine Sprachkenntnisse stark verbessert?
Jette: „Ich finde es immer wichtig zu wissen, dass ein Auslandsjahr nicht nur der Sprachverbesserung dient. Da sind so viele menschliche Kompetenzen, die während des Aufenthalts erlernt werden, die dir niemand nehmen kann. Ich würde sagen, da ich jede Situation genutzt habe Englisch zu sprechen, kann ich jetzt problemlos zwischen Englisch und Deutsch wechseln und fühle mich in beiden zu Hause.“
Jonathan: „Gerade das Verständnis und das flüssig Reden haben sich verbessert.
Trotzdem hat man noch einiges auf Deutsch wie Social Media und Kontakte zu Freunden und Familie. Außerdem habe ich dort ziemlich viele Deutsche kennengelernt.“
Frage: Was war dein negativstes oder positivstes Erlebnis?
Jette: „Einer meiner schönsten Momente war, als ich meinen Highschool-Abschluss gemacht habe und meine Cap mit den anderen in die Luft werfen durfte. In diesem Moment habe ich mein ganzes Jahr nochmal Revue passieren lassen und war so stolz auf mich, diesen mutigen Schritt alleine gegangen zu sein. Und der unschönste Moment war, als ich wieder nach Deutschland geflogen bin und meine Familie und Freunde zurücklassen musste. Auch mit der Befürchtung, wie mir das Einleben in Deutschland gelingen wird.“
Jonathan: „Das negativste Erlebnis war für mich definitiv, dass ich mich erstmal mit meiner Gastfamilie einleben musste. Da gab es Probleme beim Zurechtfinden. Mein positivstes Erlebnis war es, allgemein viele neue Freunde zu finden und verschiedene Ausflüge zu unternehmen. Auch neue Aktivitäten, wie Surfen, Skifahren oder Whale Watching (Walbeobachtung; Anmerk. d. Red.) haben immer Spaß gemacht.“
Frage: Was ist der größte Unterschied zum Schulleben in Deutschland?
Jette: „Schule in den USA ist ein positiver Ort. Du darfst deine Leidenschaften ausüben und entdecken. Alle Lehrer sind wie Freunde für dich, die dich bis ins Letzte supporten und für dich da sind.
Die AGs, die angeboten werden, lassen wundervolle Freundschaften auch klassenübergreifend entstehen und durch den Prom sowie Homecoming werden wunderschöne Erfahrungen mit der Schule in Verbindung gebracht.“
Jonathan: „Der größte Unterschied war, dass man die Handys in der Schule benutzten durfte. Dabei gab es natürlich Vor- und Nachteile. Zudem konnte man seine Fächer frei wählen. Es wurden beispielsweise Cooking (Kochen; Anmerk. d. Red.) oder Fitness angeboten.“
Frage: Wann muss man sich für ein Auslandsjahr bewerben und welche Voraussetzungen muss man dafür beachten/erfüllen?
Jette: „Die Anmeldefrist hängt von der Organisation ab. In meinem Fall habe ich mich Ende August bei meiner Organisation beworben und hatte mich im Dezember entschieden.
Mach es am besten so früh wie möglich, damit du noch Zeit für die Vorbereitungsseminare hast.
Um teilzunehmen, muss man mindestens 15 Jahre alt sein und es wirklich wollen.“
Jonathan: „Wegen dem Visum und Weiterem sollte man beachten, sich mindesten über ein halbes Jahr vorher zu bewerben. Gute Noten sind vorteilhaft, jedoch habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich eigentlich jeder immer bewerben kann.“
Frage: Für welchen Schulweg zurück in Deutschland hast du dich entschieden?
Jette: „Da ich durch Corona nicht nach der neunten Klasse gehen konnte, musste ich mich gar nicht erst entscheiden, ob ich überspringen möchte. Ich bin jetzt in der elften Klasse und bin somit in eine neue Klasse gekommen, was schnell abschrecken kann. Jedoch ist das Schulsystem in den USA total anders, weshalb ich es sinnvoll finde, die Klasse nicht zu überspringen. Es kann auch eine Chance sein, nochmal andere Freundschaften zu machen.“
Jonathan: „Ich habe nach der neunten Klasse in Deutschland die zehnte Klasse im Ausland besucht und habe diese dann auch nochmal in Deutschland ´wiederholt´. Das heißt ich bin momentan eine Stufe unter meiner ursprünglichen und somit auch in einer neuen, zehnten Klasse. Ich persönlich habe es einfach als zu stressig empfunden, im Ausland noch den ganzen Stoff aus Deutschland nachzuholen, um dann direkt in die elfte Klasse und somit Oberstufe einzusteigen, in der alle Noten für das Abitur zählen.“
Das waren nun alle zwölf Fragen zum Auslandsjahr an die beiden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Zeit im Ausland ein Privileg ist, welches einen nicht unverändert lässt. Die Zeit in dem Land deiner Wahl und die vielen Erfahrungen kann dir niemand mehr nehmen. Aus DAS INTERVIEW konntet ihr all die positiven Effekte eines Auslandsaufenthaltes erfahren, die mit ein bisschen Vorsicht bei der Wahl der Organisation sowie dem Land und der Gastfamilie auch fast garantiert sind. Ein Auslandsjahr ist definitiv eine sehr gute Möglichkeit, um nicht nur seine Sprachkenntnisse zu optimieren, sondern auch langanhaltende Freundschaften zu knüpfen und viele neue Erfahrungen zu sammeln. Jedoch sollte man nicht außer Acht lassen, dass der Aufenthalt im Ausland nicht für jeden eine gute Option ist, da man eine gewisse Offenheit und Selbstständigkeit mitbringen sollte, um in einem fremden Land zurechtzukommen. Hoffentlich war dies ein aufschlussreicher Artikel für euch. Ich bin mir sicher, dass ihr immer gerne ältere Schüler, die bereits im Ausland waren, ansprechen und nach weiteren Tipps und Infos fragen könnt.
Viel Erfolg für eure Entscheidungen und die weitere Zeit!
Mit Genehmigung von „Der Spicker – das Schülermagazin des HBG“, Heisenberg-Gymnasium Bruchsal, 1. Auflage, Ausgabe Mai 2023.
Autor:Heisenberg-Gymnasium Bruchsal aus Wochenblatt Bruchsal |
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