Doch das Ehrenamt wird von Bürgern oft unterschätzt
Ein Lächeln als Lohn für THW-Einsatz im Krisengebiet
Von Andrea Kling-Kimmle
Pirmasens. Das Ehrenamt wird in der Bevölkerung oft unterschätzt, hat THW-Frau Nicole Böling (41) festgestellt. „Jeder will im Notfall geholfen bekommen, doch wo die Hilfe herkommt, wird nicht nachgefragt“. Dabei ist freiwilliges Engagement zum Wohl der Gesellschaft nicht selbstverständlich. Ob es sich um Rotes Kreuz, Feuerwehr oder Technisches Hilfswerk handelt, die Helfer sind Tag und Nacht für ihre Mitmenschen da. Ihr schönster Lohn: „Dankbarkeit und ein Lächeln. Dann weiß ich, warum ich mich in den Verein einbringe“, erklärt Nicole Böling im Gespräch mit Wochenblatt-Redakteurin Andrea Kling-Kimmle.
Die 41-jährige medizinische Fachangestellte gehört seit sechs Jahren dem THW-Ortsverband Pirmasens an und kam durch Mann Sven dazu. Er ist Dienststellenleiter und seit 33 Jahren Mitglied im Technischen Hilfswerk. Böling, der stolz auf seine „tolle Mannschaft“ ist, meint, dass sich angesichts der Auswirkungen des Klimawandels der Katastrophenschutz verändern wird. Er fordert von der Politik deshalb eine Stärkung des Ehrenamtes. Vorfälle, wie das Hochwasser im Ahrtal mit über 100 Toten, fordern von den Helfern alles. Nach wie vor ist das THW Pirmasens vor Ort, um mitzuhelfen, die notwendige Infrastruktur aufzubauen. Sven Böling rechnet damit, dass die Einsätze bis Ende Oktober gehen werden.
Auch seine Frau, die nach ihrer Grundausbildung eine spezifische Ausbildung gemacht hat, war als Mitglied der Schwere Bergung-Gruppe schon kurz nach der Flutwelle vor Ort. Ein Anblick, den sie nicht vergessen kann: „Es war, als kämen wir in ein Kriegsgebiet. Wenn man das Ausmaß der Katastrophe nicht selbst gesehen hat, könnte man es kaum glauben.“ Der Tross aus Pirmasens setzte sich zusammen aus 28 Helfern aus allen Einheiten, die mit sieben Fahrzeugen gekommen waren und vier Tage lang unter anderem auf einem Campingplatz nach Verschütteten suchten. „Wir werden zwar in der Grundausbildung auf Leichenfunde vorbereitet. Doch die Realität sieht ganz anders aus“. Im Falle Ahrtal waren die Helfer allerdings nicht fündig geworden.
Doch das Elend der Menschen, die alles verloren haben, geht unter die Haut. Besonders betroffen sei sie von den Geschichten gewesen: „Jeder hat etwas anderes erlebt, aber fast alle haben einen Angehörigen oder Freund verloren“. Auch Spielsachen, die sie in Schlamm und Schutt fand, hätten sie tief bewegt. Doch die Freude der Ahrtal-Bewohner, dass endlich Hilfe da war, habe alle motiviert: „Wir gaben unser Bestes“.
Jeder größere Einsatz hinterlasse seelische Spuren, sagt Nicole Böling. In diesen Fällen bietet das THW eine psychologisch-soziale Nachsorge an. Nicht zu unterschätzen sei der Austausch in der Gruppe: „Wir sind wie eine große Familie, wo einer auf den anderen aufpasst.“ Diese Kameradschaft schätzt die THW-Frau ganz besonders, deshalb ist sie auch Helfersprecherin.
Die 41-jährige ist eine von elf Frauen im Kreis der 106 Mitglieder. Waren weibliche Bewerberinnen eine „Rarität“ beim Hilfswerk, sei der Zulauf immer größer geworden: „Schließlich können auch Frauen ihren Mann stehen“, betont Nicole Böling. Wichtig sei, dass im Notfall alle sich „gegenseitig zuarbeiten“. Das gelte sowohl für die Räum-, als auch die Notinstandsetzungs- und Bergungsgruppe. Die Rettung von Menschenleben, Einsätze nach Stürmen oder bei Bränden, Bergung von Opfern oder Bombenentschärfung erfordern das Know-how des THW: „Wir werden oftmals bei einer Großschadenslage gerufen, wenn die Feuerwehr an ihre Grenzen stößt“, berichtet die Pirmasenserin. Aber auch kleinere Aufgaben, wie die Sicherung von Eigentum nach Einbruch, übernehmen die Helfer.
Die Mannschaft um Sven Böling ist stets auf Abruf eingestellt und mit einem „Piepser“ ausgestattet. So waren die einzelnen Abteilungen des THW schon kurz nach Bekanntwerden der Flutkatastrophe in Bereitschaft versetzt worden, damit die Helfer sich nach Regelung aller familiären und beruflichen Angelegenheit unverzüglich auf den Weg machen können. Dabei sind, so Nicole Böling, insbesondere die Arbeitgeber am Zug. Sie müssen den betreffenden Mitarbeiter freistellen. Sie selbst habe damit keine Probleme, für ihre Chefin sei der Einsatz im Ahrtal „selbstverständlich“ gewesen. Der Verdienstausfall der Helfer werde bezahlt. Sie sind zudem versicherungstechnisch beim Dienstbetrieb abgesichert.
Durch den Einsatz im Krisengebiet, der auch in den Medien hervorgehoben wurde, hätte das Technische Hilfswerk großen Zulauf. Das erfreut Sven Böling einerseits, auf der anderen Seite habe der Ortsverband Platzmangel. Zwar war das Dienstgebäude in der Virginia Avenue 1 erst 2017 bezogen worden, doch platze man fast aus allen Nähten.
Der THW-Ortsverband war 1953 gegründet worden und zunächst in einer Baracke unter der Streckbrücke untergebracht. Später erhielt der Verein eine Bleibe am Rehpfad, bis vor vier Jahren das funktionale Gebäude auf der Husterhöhe in Dienst gestellt wurde. 106 Mitglieder im Alter zwischen zehn und 80 Jahren gehören zur „großen Familie“, davon stehen 16 kurz vor der Grundscheinprüfung. Alle aktiven Helfer sind gegen Hepatitis geimpft und werden regelmäßig beim Arzt durchgecheckt. Außerdem haben sie die Möglichkeit, sich bei kostenlosen Lehrgängen weiterzubilden. ak
Autor:Andrea Kling aus Pirmasens |
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