Uraufführung am Donnerstag, 30. März 2023
Eva Baumann Cie. ZEIT/GEIST
In ihrer neuen Produktion, gleichzeitig der Auftakt für die choreographische Trilogie ZEIT/GEIST, stellt Eva Baumann eben dieses Phänomen der Entfremdung in den Mittelpunkt. Sozialphilosophische, psychologische und politische Theorien flossen ebenso in die Recherche ein wie vermeintlich banale Situationen aus dem Alltag. alieNation oder: Strangers in a world that they themselves have made nimmt dabei die Seele ebenso wie die Physis in den Blick. Denn das Streben nach Optimierung hat längst auch den Körper erfasst; die für ein biologisches „enhancement“ notwendigen Technologien sind weit fortgeschritten. Gemeinsam mit ihren alieNation-Performerinnen findet die Choreographin und Performance-Künstlerin starke Bilder für diese Dekonstruktion des Humanen. Verschlungene Körper formen skulpturale Landschaften, werden zu rätselhaft hybriden Objekten, in denen sich Menschliches, Animalisches und Mechanisches vermischt. Und in denen die Sehnsucht nach Zusammenhalt ebenso durchscheint wie die Furcht, die eigene Individualität zu verlieren.
Eva Baumann, alieNation oder: Strangers in a world that they themselves have made
Eine Tanzproduktion von Cie. ZEIT/GEIST
Uraufführung am Donnerstag, 30. März 2023 um 20:00 Uhr
weitere Aufführungen: Freitag, 31. März 2023 um 20:00 Uhr / Samstag, 1. April 2023 um 20:00 Uhr FITZ – Theater animierter Formen Stuttgart
Drei Jahre, drei Stücke, drei Mal Zeitgeist: In ihrer choreographischen Trilogie ZEIT/GEIST begibt sich Eva Baumann, wie sie schreibt, „auf Entdeckungsreise nach dem Fremden im Eigenen“. Seit 2022 arbeitet sie an der Konzeption. Bis zum Sommer 2025 sollen die drei Produktionen erscheinen, die sich dem disparaten Lebensgefühl unserer Gegenwart aus drei ganz unterschiedlichen Blickwinkeln nähern. Die Reihe beginnt mit alieNation oder: Strangers in a world that they themselves have made. Das Tanzstück feiert am 30. März 2023 an einem Ort Premiere, mit dem Eva Baumann schon seit vielen Jahren künstlerisch verbunden ist – im FITZ – Theater animierter Formen Stuttgart.
Mit ihren Performerinnen lotet Baumann das komplexe Thema Entfremdung emotional, physisch und räumlich aus. Der verlorene Bezug zu unserem Körper, zur Natur, zu echtem Miteinander wird zur bohrenden, schmerzenden Leerstelle. Führt Entfremdung also geradewegs in die Dystopie? In die quasi körperlose Gesellschaft, die rein dem Diktat der Zweckmäßigkeit und des Funktionierens unterworfen ist? alieNation gibt darauf keine eindeutige Antwort, sondern einen sinnlichen Denkanstoß.
Eva Baumanns Versuchsanordnung: eine zeitlich nicht näher definierte Zukunft. Was heute noch Tendenz ist, ist hier an seinen logischen Endpunkt gelangt. Die Menschen haben ihre Körper und die menschliche Interaktion vergessen. Das Stück versetzt eine kleine Gruppe unversehens in eine naturähnliche Umgebung abseits jeglicher Zivilisation und zwingt sie so, ihre Eigentlichkeit wiederzuentdecken. Die Choreographin übersetzt dieses Spiel in ambivalente Bilder, in sich ständig wandelnde Körperskulpturen und Körperhybride, die ebenso beklemmen wie sie durch Schönheit faszinieren. Der Ausgang des szenischen Experiments ist offen, so wie auch der Zeitgeist offen ist. Menschen haben die von Algorithmen beherrschte, spätkapitalistische Gesellschaft geschaffen. Menschen können sie auch wieder verändern. Denn was wäre das Gegenteil von Entfremdung? Streben nicht alle Menschen danach, authentisch zu leben, im Einklang mit sich selbst und ihrer Umwelt? Ob und wie das gelingt, liegt einzig und allein an uns.
Autor:Uwe Marcus Rykov aus Wochenblatt Rhein-Neckar |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.