Außergewöhnliche Steinmetzarbeiten an der Wehrkirche in Finkenbach
Wasserspeier von europäischem Rang
Finkenbach-Gersweiler. Eine kleine Sensation können Forscher aktuell verkünden: Die Wasserspeier der Finkenbacher Wehrkirche sind von europäischem Rang. Sie lassen eine Datierung des Wehrturms in die Mitte des 13. Jahrhunderts zu.
Wie so oft in der Forschung, konnten die Kaiserslauterer Geschichtsforscherin Christina Berns und der Finkenbacher Kirchenchronist und Heimatforscher Torsten Schlemmer aus Waldgrehweiler, quasi als Nebenprodukt ihrer seit Monaten andauernden intensiven Forschung zu den Verbindungen und letzten möglichen Spuren der Templer in Mannweiler-Cölln, Finkenbach-Gersweiler und Schiersfeld, beiläufig eine nicht unbedeutende Entdeckung machen.
Im architektonischen Vergleich mit dutzenden anderen Sakralbauten schenkten die Forscherfreunde den Wasserspeiern am Finkenbacher Wehrturm ihre besondere Aufmerksamkeit. Ähnliche Turmbauten sind vor allem aus dem Herrschaftsgebiet derer von Bolanden, Hohenfels und Leiningen keine Seltenheit und finden sich unter anderem in Rockenhausen, Steinbach, Dannenfels, Kleinbockenheim, Rodenbach und Ebertsheim. Auch die Wehrkirchen sind vom Elsass über Baden, die Pfalz, Rheinhessen und Nordhessen bis Thüringen weit verbreitet. Außergewöhnlich scheint aber die Form der Finkenbacher Wasserspeier, konnten doch außer den Neidköpfen am Turm der evangelischen Kirche im Ebertsheimer Ortsteil Rodenbach bislang keine stilistischen Übereinstimmungen im weiteren Umkreis gefunden werden.
Die meisten Kirchen wurden mehrfach umgestaltet oder im Barock komplett neu errichtet, und auch die Burgen in der Region fielen fast alle Kriegen zum Opfer. An den wenigen noch erhaltenen mittelalterlichen Bauteilen finden sich in der Regel nur Entwässerungsanlagen in der Form von schmucklosen Halbrohren mit rein technischem Zweck. An der ehemaligen Wallfahrtskirche in Finkenbach sind allerdings zwei Tiermotive zu erkennen: Eber und Bär.
Daher wurde die ausgewiesene Fachfrau für mittelalterliche Wasserspeier, Regina Schymiczek, für eine Beurteilung zurate gezogen. Die Kunsthistorikerin und Autorin ist begeistert von den nordpfälzischen Speiern und zieht Vergleiche mit berühmten Kathedralen wie Rouen in Frankreich oder der Domkirche in Regensburg. Sie ermöglichen eine Datierung in der Mitte des 13. Jahrhunderts.
Im Gegensatz zu den Wasserspeiern großer gotischer Kirchenbauten fehlen den hiesigen die Körper, es handelt sich um reine „Kopfspeier“ mit hohlrinnenförmigem Hals und geöffnetem Maul. Dies deutet auf eine recht frühe Arbeit hin. Erstmals erschienen sind Wasserspeier in fantasievollen Formen in den Jahren 1220/1230 an der Kathedrale im französischen Laon. Die Finkenbacher Eberdarstellung ist witterungsbedingt leider stark beschädigt, kann aber durch Vergleiche mit Speiern an der schottischen Melrose Abbey oder der Kathedrale Santa Creu in Barcelona verdeutlicht werden.
Während Schweine als Wasserspeier-Motiv sehr häufig erscheinen, sind Bären dagegen eher selten. Besonders die sogenannten „Judensauen“, spielen zur Diffamierung der jüdischen Bevölkerung im Mittelalter eine große Rolle. Bär und Eber lassen sich in die Reihe der Sturm- und Gewitterdämonen einordnen, die nach damaliger Vorstellung in der Gestalt von Tieren für Unwetter und Blitzeinschlag verantwortlich waren. Man stellte sich vor, dass diese bösen Dämonen nur durch ihr eigenes Spiegelbild aufgehalten werden können, weshalb sie als Speiermotiv gewählt und insbesondere am himmelzugewandten Turm angebracht wurden.
Ob als regionaler Einfluss für den Bär eventuell das Wappentier der Abteien St. Maximin in Trier (Mutterkloster des zuständigen Landkapitell Münsterappel) oder St. Alban vor Mainz (Filiale von St. Gallen in der Schweiz) Pate stand, wird genauso wenig eindeutig zu klären sein, wie die Frage, wie eine solche Kunstfertigkeit und dieser gotische Ausformungsstil binnen nur zwei Jahrzehnten seit der Entstehung in Frankreich in eine entlegene Dorfkirche wie Finkenbach kam. Es ist zu vermuten, dass hierbei der Landesherr und Templerkomtur Heinrich von Hohenfels als Lehnsnehmer des Mainzer Erzbischofs und die später in diese Linie einheiratenden Herren von Metz bedeutende Rollen spielten. Betrachtet man den Baustil des Finkenbacher Kirchturms genauer, so lässt sich auch der typische Charakter von Staufer- und Reichsbauten und ein gewisser architektonischer Einfluss aus dem elsässisch-badischen Raum, wo figürliche Darstellungen vermehrt vorkommen und der gotische Stil wesentlich früher einsetzte, erahnen.
Was im Rahmen der aktuellen Forschung anhand von Steinmetzzeichen und bautechnischen Stilelementen eindeutig belegt werden kann, ist, dass die späteren spätgotischen Steinmetzarbeiten, wie bei der Schloßkirche in Meisenheim, der Klosterkirche Münsterappel oder auch der Leonhardskirche in Frankfurt auf die Schule des berühmten Frankfurter Baumeisters und Bildhauers Philipp von Gmünd zurückzuführen und durch ein Sammelpatent des Pfalzgrafen Ludwig dem Schwarzen, der Kontakte zum Johanniterorden pflegte, 1469 ermöglicht worden sind. ps
Autor:Jürgen Link aus Lauterecken-Wolfstein |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.