Biosphärenreservat belebt Hirtenwege neu
Mit einem Wanderschäfer durch Wald und Wiesen
Hirtenwege. Das rhythmische Grasen der Schafe hat etwas Beruhigendes. „Mähhh“, blökt ab und zu ein Schaf. „Komm, komm“, ruft Schäfer Christian Ruther einigen Schafen hinterher, die sich in den Wald verdrückt haben. Sie blöken zurück. Ruther ruft, bis sie zurück zur Herde gelaufen kommen und die Tiere ihm folgen. So brauchen seine beiden Hütehunde Prinz und Wuschel die Tiere nicht zusammentreiben.
Von Julia Glöckner
Schäfer Ruther ist mit seinen Tieren auf den Talwiesen um Eußerthal unterwegs. Der Mischwald im Pfälzerwald ist ab und zu von offenen Landschaften unterbrochen, die wertvoll für die Vielfalt ist. Ruther folgt mit seinen Schafen den Hirtenwegen, die sich als Saumpfade den Hang entlang schlängeln. Was nach Idylle aussieht, ist harte Arbeit. Ruther hütet tagaus, tagein, bei Wind und Wetter die Tiere. Schäfer ist ein Beruf mit vielen Überstunden und ohne geregelte Arbeitszeiten. Wenn ein Schaf lammt, muss man auch nachts in den Stall und bei der Geburt helfen.„Ich bin aus Liebe zum Tier Schäfer geworden“, erzählt der 59-Jährige, der auf einer Schäferei bei Kirchheimbolanden groß wurde. „Mit 23 Jahren stand ich nach der Schäferausbildung vor der Entscheidung, den elterlichen Betrieb aufgrund des Todes von meinem Vater allein weiterzuführen.“ 38 Jahre lang war Ruther selbstständig, bevor er sich 2020 von der Schäferei Gramsch in Erzenhausen anstellen ließ. Er zeigt auf ein Schaf mit schwarz-weiß gesprenkeltem Kopf. „Mein Lieblingsschaf. Als Lämmchen stand es oft bei mir auf dem Weg und ist frech dem Hund nachgesprungen“, berichtet er.
Ab April zieht die Herde um Eußerthal herum, Mitte Juli dann durch den Wald auf die Weiden nach Iggelbach. Im Herbst beweidet er die Wiesen um Erzenhausen bei der Schäferei Gramsch, wo 400 weitere Tiere zur Herde dazu stoßen. Die Geschäfte der Schäfer waren in den letzten Jahren gerade so auskömmlich, um davon leben zu können. „Bis in die 80er war Wolle ein begehrter Rohstoff und die Erlöse aus Schafprodukten waren gut“, erklärt Ruther. „Die Industrie bevorzugt heute Baumwolle und Kunstfaser, was den Wollpreis drückt. Letztes Jahr lag er bei 20 Cent pro Kilo. Auch der Abnehmerpreis für Lammfleisch stagniert seit Jahren und deckt somit nicht mehr die Kosten.“ Hinzu kommt, dass durch die aktuelle Getreideverknappung derzeit das Futter teurer wird. „Wenn es so weitergeht, wird es in dieser Form keine Schafhaltung mehr geben“, stellt Ruther fest.
Die Schäfereibetriebe überleben heute nur noch mit staatlichen Ausgleichzahlungen für Naturschutz, sogenannten Landschaftspflegeprämien, die pro Hektar Fläche gezahlt werden, die Schäfer pachten und beweiden. Dies steigert die Artenvielfalt auf ökologisch wertvollen Wiesen im Naturpark. Die Prämien machen einen großen und notwendigen Teil des Einkommens von Schäfereien aus.
„Es gibt viele, kleine Dinge, die mich an der Schafhaltung erfreuen. Nette Gespräche mit Spaziergängern und Verpächtern, ertragreiche Wiesen und meine selbst ausgebildeten Hunde,“ sagt Ruther. Wie andere Schäfer machte er aber auch Grenzerfahrungen. Baumstürze bei einem Sturm in Eußerthal erschlugen 1998 drei seiner Schafe. 2006 attackierte ein wildernder Hund neun Tiere, die er nottöten musste. Durchs Klima hat er zunehmend mit Extremwetter und Trockenheit zu kämpfen. „Trotzdem will ich noch so lange weitermachen, wie ich noch kann, da es aus meiner Familie keine direkte Nachfolge geben wird und ich die Schafhaltung hier erhalten möchte“, sagt er. Aktuell bemüht sich Ruther, seine zusammenhängenden Landschaftspflegeflächen zu erhalten, um einen reibungslosen Hütebetrieb sicherzustellen.
Neue Hirtenwege im Pfälzerwald
Mit den „Neuen Hirtenwegen im Pfälzerwald“ schafft das Biosphärenreservat Pfälzerwald ein Wegenetz zwischen ökologisch wertvollen Lebensräumen. Die Schafe übernehmen den Job des Landschaftspflegers und bewahren 8.300 Hektar Wiesen vor der Verbuschung. So bleibe die einzigartigen offenen Wiesenflächen im Pfälzerwald erhalten. Außerdem verschleppen sie Gräser und Kleinstlebewesen. Durch Zusammenlegen von Flächen sollen die Schäfer einen besseren Zugang zu den Weiden erhalten. Geplant sind unteranderem auch Wasserstellen, Unterstände, bezahlte Führungen und Kinderprogramme sowie der Direktverkauf von Schafprodukten.
Weitere Informationen online unter www.pfaelzerwald.de
Initiative „Verrückt auf Morgen“
Insgesamt gibt es in Deutschland 18 Biosphärenreservate, weltweit sogar über 700. In Deutschland findet man sie von Rügen bis zum Berchtesgadener Land und vom Bliesgau im Saarland bis zur Schorfheide in Brandenburg. Mit der Kampagne „Verrückt auf Morgen“ möchten die deutschen Biosphärenreservate ihre Relevanz bekannt machen und ihre Mission voranbringen: für eine nachhaltige Zukunft auf unserem Planeten einzustehen. Mit einem Mitmachwettbewerb, einer Roadshow mit über 60 Veranstaltungen durch ganz Deutschland und vielen Online-Aktivitäten bringen die Biosphärenreservate ihre wichtige Aufgabe ins Bewusstsein der Menschen. Weitere Informationen unter: www.verrueckt-auf-morgen.de
Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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