Hilfseinsatz in Bad Münstereifel
Das ganze Leben - einfach weg
Bellheim / Bad Münstereifel. Jürgen Mießeler ist Berufssoldat und hat bei seinen Auslandseinsätzen - unter anderem in Afghanistan - schon viel Schlimmes gesehen. Und doch fehlen ihm die Worte angesichts der grauenhaften Bilder, die sich ihm als freiwilligem Helfer im Flutkatastrophengebiet geboten haben. Der 54-Jährige ist in der Eifel geboren, hat gut 20 Jahre lang in Bad Münstereifel gelebt, in Iversheim Fußball gespielt. Teile seiner Familie leben in Rheinbach und Kall.
"Ich wusste sofort, dass ich hinfahren und helfen möchte", sagt Mießeler im Gespräch mit dem Wochenblatt. Mießeler wohnt in Bellheim und ist in Germersheim stationiert. Unmittelbar nach der Katastrophe war auch sein Verband in Alarmbereitschaft, die Hilfe der Germersheimer Soldaten wurde allerdings nicht abgerufen. Sobald die Alarmbereitschaft aufgehoben war, reichte er Urlaub ein und machte sich auf den Weg.
Zwei Mal war er oben. Das erste Mal nur drei Tage nach der Katastrophe und nur für einen Tag, um nach seinem 84-jährigen Vater und nach seinem Sohn zu schauen, der bei der Mutter lebt. Beide hatten riesiges Glück: "Gemeinsam haben wir den Keller entrümpelt, Schlamm und Wasser rausgeholt - aber beide waren nicht von den wüsten Zerstörungen betroffen, wie es sie in anderen Straßen gab", erzählt Mießeler. Ganz anders dann der zweite Aufenthalt in Bad Münstereifel: "Die Flutwelle hat hier mit einer immensen Zerstörungswut alles mitgerissen; die Stadt, wie ich sie gekannt habe, existiert quasi nicht mehr."
Autos, Gartenmöbel, Motorräder, komplette Garagen, Zäune und Bäume hat das Wasser mitgerissen, auf dem Friedhof hat es Gräber hochgehoben. Als Mießeler sich als freiwilliger Helfer meldet, erwartet ihn eine verwüstete und zerstörte Stadt. Gemeinsam mit vielen weiteren Freiwilligen - darunter Feuerwehrleute, Polizisten und weitere Soldaten - macht er sich an die Arbeit. Von morgens 7 Uhr bis zum Einbruch der Dunkelheit so gegen 22 Uhr. Die erste Aufgabe: Die Erft von Unrat zu säubern. "Der Flusslauf war eine Müllhalde", sagt Mießeler. Und mit Müllbeseitigung geht es weiter: Überall sind Gärten mit Müll übersät; Grundstücke, Keller und Erdgeschosse müssen leer geräumt und gereinigt werden.
"Damit ihre Besitzer wieder bei Null anfangen können", sagt der Berufssoldat. Überhaupt die Eigentümer. "Dankbarkeit ohne Ende" schlägt den Helfern entgegen. Aber Mießeler spürt auch die Verzweiflung, die dahinter steht - selbst wenn die Betroffenen bis zu diesem Zeitpunkt oft noch gar nicht die Zeit hatten, ihre Situation zu überdenken. Viele sind traumatisiert, haben Angehörige oder Freunde in den Wassermassen verloren. Fotoalben, Bilder, komplette Einrichtungen, Ordner voller Unterlagen - das alles holen die Helfer zusammen mit Schlamm, Fäkalien und auch Tierkadavern aus den Häusern. Nichts davon kann gerettet werden. Das ganze Leben, einfach weg. "Der totale Horror", beschreibt Mießeler die Situation für die Menschen vor Ort.
Um so wichtiger ist es, dass die Helfer da sind. Es ist eine dieser Ausnahmesituationen, in denen Menschen zusammenrücken und Fremde Seite an Seite zusammen arbeiten. "Ich habe immer daran geglaubt, dass es diesen Zusammenhalt in Deutschland gibt", sagt Jürgen Mießeler, "jetzt habe ich ihn erlebt." Ganz ohne Bürokratie, nur aus dem gemeinsamen Wunsch heraus, zu helfen und etwas voranzubringen. Als er nach sechs Tagen wieder nach Hause fahren muss, tut er das in dem Wissen, dass noch viel mehr getan werden müsste, aber dennoch mit einem gute Gefühl.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.