Sportvereine in der Corona-Krise
Judo-Safari, Fußball im Wohnzimmer und jede Menge Ungewissheit
Region. Der Sportbetrieb ruht, Einnahmen bleiben aus, Kosten laufen weiter: Auch Sportvereine haben in der Corona-Krise zu kämpfen. Viele von ihnen bekommen keine finanzielle Unterstützung, sind auf das Wohlwollen der Mitglieder angewiesen. Wochenblatt-Redakteurin Heike Schwitalla sprach mit Julien Frey, Abteilungsleiter Judo beim 1. Budo Club Zeiskam, und mit Christian Keiser, dem ersten Vorsitzenden des VfR Sondernheim, über die Situation.
Die finanzielle Situation
„Schmerzhaft ist der Wegfall der Einnahmen aus der Vermietung unseres Veranstaltungsraum, da diese Zusatzeinnahmen Projekte anschieben, die wir jetzt zunächst einmal nach hinten verschoben haben. Ansonsten haben wir die Einnahmen- und Ausgabenstruktur der Situation angepasst und sind sehr dankbar und froh darüber, dass sich alle Betroffenen sehr solidarisch gegenüber dem VfR gezeigt haben“, sagt Christian Keiser. Der VfR Sondernheim befinde sich in einer guten finanziellen Situation, konnte in den vergangenen Jahren sogar Rücklagen bilden und deshalb derzeit auch noch nicht auf Soforthilfen oder ähnliches angewiesen.
Beim 1. Budo Club Zeiskam ist das ein bisschen anders: Der Verein hat ein eigenes Dojo, dort müssen die laufenden Kosten – wie Strom und Wasser natürlich weiter bezahlt werden. „Die Mitgliederbeiträge für dieses Jahr haben wir aufgrund von Corona noch gar nicht abbuchen lassen, deshalb haben wir bisher auch keine Rückforderungen erhalten“, sagt Julien Frey. Aber das Geld fehle natürlich und da man im Verein komplett mit Ehrenamtlichen – auch im Bereich der Trainer und Übungsleiter – arbeite, habe man auch kein Anrecht auf finanzielle Unterstützung. „Versicherungen und Verbandsabgaben müssen derzeit aber zu 100 Prozent weiter bezahlt werden, das macht die Sache natürlich nicht einfacher“, erklärt er und fürchtet, dass, wenn die Einschränkungen länger dauern, auch erste Mitglieder Beiträge zurückfordern könnten.
Veranstaltungsabsagen und unkonventionelle Trainingsmethoden
Alle Vereine mussten aufgrund von Corona Veranstaltungen absagen – das reißt nicht nur eine Lücke in den geplanten Etat, es schädigt auch das Vereinsleben, den Zusammenhalt. Beim Budo Club in Zeiskam etwa ist das traditionelle Osterturnier ausgefallen – ersatzlos gestrichen. „Das ist eine echte Großveranstaltung, da kämpfen normalerweise rund 400 Kinder, mit ihrer Begleitung haben wir dann immer so um die 1.500 Menschen bei uns zu Gast. So etwas wird dieses Jahr nicht mehr gehen“, ist sich Julien Frey sicher, hofft aber, dass das Osterturnier 2021 dann wieder wie gewohnt – aber ganz bestimmt mit strengen Hygienemaßnahmen – stattfinden kann.
„Bei einem Kontaktsport wie Judo ist es natürlich noch schwerer als bei allen anderen Sportarten, einen Mindestabstand einzuhalten“, sagt der Kinder- und Jugendtrainer. Auch das Tragen einer Maske während eines Kampfes ist für ihn undenkbar. "Aber wir hatten auch vor Corona schon gute Hygiene-Standards", betont er. "Die Matten im Dojo werden regelmäßig desinfiziert und wir haben Spender mit Desinfektionsmittel aufgestellt“. Und während der Corona-Pause gehe alle drei Tage jemand in die Räumlichkeiten und drehe das heiße Wasser auf – als vorbeugende Maßnahme gegen Legionellen.
Auch beim VfR Sonderheim musste man mit Veranstaltungabsagen leben: „Unser jährliches großes Jugendturnier Ende Mai und unsere mittlerweile traditionelle Teilnahme am internationalen Jugendturnier in Rust sind schon abgesagt“, sagt Christian Keiser. "Im Juli ist dann unser Ferien-Fußballcamp mit 100 Kindern geplant. Dieses Jahr zum ersten mal mit einem ganz großen Fußballverein als Partner, nämlich Real Madrid.“ Diese Veranstaltung sei aktuell noch nicht gestrichen, man müsse einfach abwarten, welche Vorgaben von der Bundesregierung und vom DFB für die nächsten Monate ausgegeben werden
So lange Julien Frey nicht persönlich mit seinen Schützlingen trainieren kann, hält der den Kontakt per Video-Chat und über Handy-Nachrichten. „Die Kinder vermissen ihr Training natürlich. Aber sie bekommen von mir aufgaben, die sie dann nachmachen und filmen, so kann ich die ganz individuell korrigieren“, sagt er, weiß aber auch, dass das ein Training im Sportverein niemals komplett ersetzen kann. Um die Eltern zu unterstützen habe der Verein eine „Judo-Safari“ für die Kids zusammengestellt, die sehr gut angenommen werde. Übungen, sportliche Spiele und kreative Aufgaben, wie Judo-Bilder malen - das alles gehört dazu. „Manchmal steht mein Handy gar nicht mehr still“, freut er sich über den Erfolg der Aktion. Auch der Verband biete sehr gute Videos an, mit denen man gut zuhause üben könne.
Beim VfR Sondernheim setzt man derzeit ebenfalls auf unkonventionelle Trainingsmethoden: „Nachdem wir die erste Stockstarre mit der kompletten Einstellung des Spiel- und Trainingsbetriebs überwunden hatten, haben wir für unsere über 250 Jugendspieler zwei Trainingspläne (für verschiedene Altersstufen) entwickelt, die man zuhause, alleine und in der Wohnung üben kann. Das sind bebilderte Dokumente mit zusätzlicher Beschreibung der Übungen. Bei einigen Übungen haben wir auch auf öffentliche Youtube-Videos verwiesen“, sagt der erste Vorsitzende. Ziel sei es dabei nicht nur, die Kinder Fit zu halten, sondern ihnen auch eine sinnvolle Beschäftigung zu geben und damit vielleicht die Eltern auch etwas zu entlasten. Und sei es nur für eine halbe Stunde täglich.
„Die Pläne wurden gut aufgenommen. In wieweit sie dann tatsächlich umgesetzt werden, können wir natürlich nicht wirklich nachverfolgen“.
Wie wird es weitergehen?
Auf die Frage, wie es mit dem Verein und im Fußball allgemein weiter gehen soll, hat auch Keiser keine Pauschalantwort. „Wir hoffen darauf, dass es Anfang oder Mitte Mai in irgendeiner Form weitergeht. Die Gesundheit unsere Mitglieder hat dabei aber oberste Priorität. Selbst wenn es dann irgendwann im Mai weitergehen sollte, glauben wir nicht, dass es sofort wieder wie vorher sein wird. Wir rechnen schon mit Einschränkungen.“ Darüberhinaus werde der Verein natürlich eigene Maßnahmen ergreifen, um das Corona-Risiko zu minimieren. „Denkbar wäre zum Beispiel das Reduzieren der Trainingseinheiten von zwei auf eine pro Woche, um zu verhindern, dass zwei Jugendmannschaften gleichzeitig trainieren“, sagt er. „Auch eine Aussetzung des Kaffee- und Kuchenverkaufs durch die Eltern an Spieltagen wäre sicherlich eine sinnvolle Maßnahme. Andere mögliche Maßnahmen, die wir dann im Einzelnen noch besprechen und festlegen werden, sind das regelmäßige Desinfizieren der Kabinen sowie das Verteilen der Mannschaft fürs Umziehen auf beide Kabinen. Wir werden auf jeden Fall alle empfohlenen Maßnahmen umsetzen und sicherlich um einige eigene Punkte erweitern“, fasst Keiser zusammen.
Wie es mit dem Judo weitergeht, steht für Julien Frey noch in den Sternen. "Wir glauben nicht, dass richtig große Wettkämpfe dieses Jahr noch stattfinden werden", sagt er. Und ergänzt: "Wir hoffen aber schon, dass wir nach den Sommerferien wieder ins Training einsteigen können." Auch das Abhalten von Gürtelprüfungen im Verein hält er dann - unter Einhaltung strikter Hygieneregeln - wieder für durchführbar. Wenn die Politik dafür grünes Licht gibt.
Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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