Berufsorientierung in Zeiten von Corona und Fernunterricht
Wie Schüler in Bellheim trotz Pandemie einen Ausbildungsplatz finden
Bellheim. Dass der Corona-bedingte Fernunterricht Schüler und Lehrer gleichermaßen vor Probleme und Schwierigkeiten stellt ist kein Geheimnis. Oft sind es technische Defizite oder der eingeschränkte Zugang zum Internet, die die Chancengleichheit massiv beeinflussen.Aber wie ist da erst für all jene Jugendliche, die dieses Jahr einen Ausbildungsplatz suchen? Wie informiert man sich, wenn Schnupperpraktika quasi unmöglich sind und der Besuch im Jobcenter auch nicht gerade leicht ist?
Wie geht Berufsorientierung im Corona-Lockdown?
Dirk Jäger, Lehrer an der Realschule plus in Bellheim und dort für die Berufsorientierung zuständig, hat ganz spontan neue Ideen entwickelt und sich unlängst an den Gewerbeverband Bellheim gewandt: „Da es uns als Schule in der aktuellen Situation sehr schwer fällt, unsere Schüler bei der Berufswahl in gewohntem Ausmaß zu unterstützen, haben wir auf unserer Homepage http://rs-plus-bellheim.de einen kleinen `virtuellen Ausbildungsplatzmarkt` erstellt und dort regionale Ausbildungsplätze eingestellt. Falls Sie derzeit auf der "Suche" nach Auszubildenden sind, würden wir uns sehr freuen, wenn Sie uns bei diesem Projekt unterstützen.“
Mit einer Stellenanzeige können regionale Unternehmen hier direkt mit den Schülern in Kontakt treten. „Vielleicht gelingt es uns so, unsere Schüler zu unterstützen und den Betrieben eine weitere Möglichkeit zu bieten, Auszubildende zu finden“, sagt der Lehrer.
Angefangen hat alles Ende Januar: „Mir in einer Zeitung mehrere Anzeigen von Betrieben aufgefallen, die Ausbildungsplätze anbieten. Da ich meinen Schülern immer wieder interessante Inserate zur Verfügung stelle – normalerweise an der Klassenraumtür - habe ich mir überlegt, wie ich in Corona-Zeiten diese Anzeigen zu den Schülern transportieren könnte. Dann bin ich, als Administrator unserer Schulhomepage, darauf gekommen einen Onlinemarkt zu installieren. Also habe ich am 2. Februar fünf Betriebe angeschrieben. Nebenbei die Märkte auf der Homepage eingerichtet und das Layout angepasst“, berichtet Dirk Jäger.
Die Resonanz sei verblüffend gewesen: „Das erste Inserat bekam ich eine Stunde nach der Anfrage. Bis auf einen Betrieb haben sich alle gemeldet. Da an hat mich der Ehrgeiz gepackt und ich habe weitere Betriebe, die Zeitungen inserierten angeschrieben. Aktuell sind es über 40 Ausbildungsplätze und weitere stehen noch aus.“ Die Betriebe seien durchweg begeistert und danken für diese tolle Idee, sagt die Lehrer. Es hätten sogar schon Betriebe Kooperationen für die Zeit nach Corona angeboten: Betriebsbesichtigung, Informationsveranstaltungen oder Praktika. „Das ist natürlich ein genialer Nebeneffekt und so wäscht eine Hand die andere“, freut er sich.
Neue Wege
Allgemein sei gerade die Berufsorientierung während Corona sehr schwer – eben, weil man die Schüler nicht vor Ort hat. „Und manche müssen da schon angetrieben werden“, sagt Jäger. Deshalb gibt es auf die Schulwebseite auch bereits eine neue Rubrik: „Online-Angebote“. „Die Betriebe versuchen gerade über Videochats oder Online-Azubi-Informationstage die Jugendlichen von sich zu begeistern. Aber auch die Handwerkskammer der Pfalz bietet ein interessantes Projekt an, nämlich `Azubi-Online-Datings`. Da bin ich gerade im Gespräch, ob wir auch deren Materialien einstellen dürfen“, so Jäger. „Aber in der Tat fehlt der persönliche Kontakt.“
Über das schuleigene Kommunikationstool wurden Schüler und Eltern über das neue Angebot der Bellheimer Schule informiert und auch seine Lehrer-Kollegen machen die Jugendlichen darauf aufmerksam. „Von den Kollegen habe ich gehört, dass sich wohl schon einige Jugendliche daraufhin beworben haben oder es noch vorhaben“, berichtet er stolz. „Dann wäre unser Ziel erreicht, unsere Schüler in eine Ausbildung, ihren nächsten Karriereschritt zu übergeben. Und die Betriebe aus unserer Region hätten auch einen Nutzen von uns als Realschule plus Bellheim. Sie würden von unserer guten Arbeit mit den Schülern profitieren und tolle Jugendliche als Azubis bekommen“, freut er sich über den Erfolg seines spontanen Projekts.
Kein Mangel an Ausbildungsplätzen durch Corona
Und Dirk Jäger hat für alle Eltern und Schüler abschließend auch noch eine gute Nachricht: Trotz Corona könne er keinen Rückgang an Ausbildungsplätzen bemerken. Das sei auch an der Bereitschaft der Betriebe zu erkennen, sein Projekt zu unterstützen. „Ich habe fast das Gefühl, dass es enorm viele freie Ausbildungsplätze gibt, die noch auf unsere Schüler warten. Eher die Bereitschaft der Schüler, sich in dieser komischen Zeit auf die Suche zu begeben, ist teilweise das Problem“, resümiert er. Wobei es durch den Fernunterricht natürlich schwer sei, die Aktivitäten jedes Einzelnen genau zu beurteilen. Auch Praktikumsplätze gebe es derzeit noch, wobei er in diesem Bereich schon manchmal Zurückhaltung bei den Betrieben erkenne. „In manchen Berufen ist es aber eben gerade auch sehr kompliziert, etwa in der Pflege, in Arztpraxen oder Krankenhäusern, in Kitas, oder schlicht gar nicht möglich, wie in der Gastronomie, dem Handel oder bei den Friseuren“, fasst er die Lage zusammen.
Info
Auch das Jobportal looking4jobs auf wochenblatt-reporter.de bietet einen Überblick über offene Stellen und Ausbildungsplätze in der Region
Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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